Wybo Wijnbergen ist General Manager für Nordeuropa bei Wework.
CAPITAL: Herr Wijnbergen, wann planen Sie, Schlafplätze in ihren Spaces anzubieten?
WYBO WIJNBERGEN: Das ist eine tolle Frage. Neben Wework bietet die Wecompany unter anderem Welive an, das Apartments vermietet. Wir bieten bereits beide Geschäftssparten in unmittelbarer Umgebung an - das beste Beispiel dafür ist eines unserer Gebäude an der Wall Street in New York, in dem mehrere Geschäftssparten untergebracht sind. Es gibt Mitglieder, die in einem Welive-Apartment wohnen, am Morgen ihr Workout bei Rise by We, unserem Fitnesstudio, machen und dann den Aufzug zur Arbeit bei Wework nehmen.
Werden die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit also zunehmend verschwinden?
Ja, früher war das Büro ein Ort, wo man nicht gerne hingegangen ist. Heutzutage erwarten Menschen, dass sie sich mit ihrer Arbeit ein sinnerfülltes Leben aufbauen können, statt an einen Ort zu gehen, wo man um neun Uhr kommt und um 17 Uhr wieder geht.
Besteht darin nicht auch eine Gefahr, wenn man beide Aktivitäten schwerer trennen kann?
Derzeit geschieht vieles auf der Welt, das auch jeden einzelnen Mensch betrifft. Die neuesten Technologien und soziale Medien geben uns unheimlich viele Möglichkeiten, uns zu verbinden und Freundschaften aufzubauen. Allerdings zeigen neue Studien, dass wir uns so einsam wie nie zuvor fühlen. Wahrscheinlich, weil wir die Magie einer guten Unterhaltung verloren haben und eher Likes verteilen, statt mit unserem Gegenüber zu sprechen. Historisch gesehen kam unser soziales Wohlbefinden von kleinen Gemeinden, Familien und Kirchen. Wework kann heute einen Ersatz bieten, indem wir Gemeinschaft kreieren und Menschen miteinander verbinden. Und ist es nicht toll, Freundschaften am Arbeitsplatz zu knüpfen? Daher sehe ich auch keine Gefahr darin.
Coworking Spaces bekämpfen Einsamkeit also besser als ein reguläres Büro?
Ja, definitiv. Ich glaube, dass die Umgebung sehr wichtig ist. Sie soll es Dir erlauben, du selbst zu sein und Momente der Zusammenarbeit zu erleichtern. Es ist zum Beispiel toll, ein zufälliges Gespräch an der Kaffeemaschine mit jemandem zu führen, der nicht in deinem Unternehmen arbeitet. Und vielleicht entdeckt ihr, dass ihr dieselbe Leidenschaft für Kaffee teilt oder ähnliche Erfahrungen im Privatleben gemacht habt. Coworking Spaces ermöglichen es einem, sich komfortabel zu fühlen und genau solche Unterhaltungen zu führen.
Was sind denn die speziellen Bedürfnisse von Coworking-Nutzern?
Beu den heutigen Arbeitskräfte handelt es sich zunehmend um Millennials und diese haben unterschiedliche Erwartungen an ihren Arbeitgeber: Sie wollen kein Eckbüro oder Dienstwagen, sondern eine Umgebung, in der sie miteinander interagieren und voneinander lernen können. Wenn ein Unternehmen diese Arbeitskräfte anziehen will, muss es sich entsprechend an diese Veränderungen anpassen. Das gilt insbesondere für große Unternehmen. Außerdem hat man auf der Arbeit über den Tag verteilt unterschiedliche Bedürfnisse: Mal braucht man einen Ort für vertrauliche Gespräche, für Präsentationen oder für ein lockeres Gespräch zwischen Mitarbeitern. Unterschiedliche Arbeitsorte ermöglichen es Unternehmen und ihren Mitarbeitern, produktiver zu sein.
Millennials wollen sich also miteinander verbinden. Was für spezielle Kniffe gibt es um die Vernetzung in Coworking Spaces zu ermöglichen?
Vieles kommt auf die Inneneinrichtung und das Visuelle an. Wir haben zum Beispiel eine Bierzapf-Station mit zwei Zapfhähnen. Wenn man sich also Bier abzapft, steht man sich gegenüber und kommt leichter ins Gespräch. Bei üblichen Bierzapf-Stationen sieht man ja nur den Rücken des Vordermanns. Außerdem haben wir unsere Flure enger gestaltet. Wenn man aneinander vorbeiläuft, ist es somit wahrscheinlicher, dass man sich grüßt und fragt, wie es dem anderen geht.
Viele Arbeitnehmer sehnen sich nach Kontinuität in ihrem Büroalltag. Gibt es daher auch Nachteile beim Coworking?
Meiner Meinung nach gibt es keine Nachteile. Gemeinschaftlich genutzte Büros ermöglichen es Unternehmen, die richtige Umgebung für ihre Mitarbeiter zu finden. Weiterhin gibt es Unternehmen viel Flexibilität, da sie nur für den Platz bezahlen, den sie auch hauptsächlich nutzen. Daher sind flexible Spaces für Unternehmen auch viel günstiger als traditionelle Büroräume.
Die monatlichen Kosten für einen festen Arbeitsplatz bei Ihnen in Berlin bewegen sich zwischen 400 und 500 Euro. Ist das nicht sehr teuer im Vergleich zu anderen Coworking Spaces?
Ich kann es nicht mit anderen Coworking Spaces vergleichen - ich kann nur sagen, wer unsere Mitglieder sind und was wir ihnen bieten. Rund 40 Prozent unserer Mitglieder sind große Unternehmen, 55 Prozent sind kleinere bis mittlere Unternehmen wie Marketing-Agenturen oder Start-ups. Nur fünf Prozent unserer Mitglieder sind Freelancer. Sie nutzen Wework, um mit anderen Unternehmen in Kontakt zu treten. Man kann den gemieteten Tisch daher als Marketingkosten betrachten. Heutzutage bestehen Arbeitsplätze ja aus einem Laptop und einem iPhone. Man kann zum Beispiel an einem sonnigen Tag zum Strand fahren und arbeiten. Das mag zwar die günstigste Option sein, aber es gibt einem nicht die Möglichkeiten, die eine Wework-Mitgliedschaft bietet.
Ihre wichtigsten Kunden sind große Unternehmen. Outsourcen Unternehmen jetzt ihr Büromanagement an Wework?
Für Konzerne und große Unternehmen gibt es verschiedene Gründe für eine Wework-Mitgliedschaft. Manche Unternehmen wollen ihren Mitarbeitern auf der ganzen Welt dieselbe Arbeitsumgebung bieten. Mit uns müssen sie dazu keine Verhandlungen in verschiedenen Städten und Ländern führen. Es ist sozusagen ein One-Stop-Shop. Für andere Unternehmen ist es wichtig, die beste Umgebung für ihre Mitarbeiter bereitzustellen, um ihre kreative Zusammenarbeit zu fördern.
Neben Wework und Welive gibt es noch Wegrow, das Bildungsdienstleistungen anbietet. Versuchen Sie, in jeden unserer Lebensbereiche einzudringen?
Die Wecompany will Gemeinschaft in allen Lebensaspekten bieten und Produkte bereitstellen, die es uns erlauben, das Leben voll auszuschöpfen. In verschiedenen Lebenssituationen gibt es verschiedene Bedürfnisse, die wir erfüllen wollen. Wegrow bietet zum Beispiel in New York eine Grundschule und Kindergarten für Kinder zwischen drei bis elf Jahre an. Oder die Flatiron School, die Interessierten in Online-Kursen innerhalb von 24 Wochen das Programmieren beibringt.
Können wir also bald mit Weretire rechnen?
Es gibt viele denkbare Möglichkeiten. Aber unser Weg wird definitiv nicht hier enden.