Je unbeständiger die Zeiten, desto wichtiger wird Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern eine vertrauensvolle Kultur an ihrem Arbeitsplatz. Fast drei Viertel der Fachkräfte halten sie für wichtig. Doch gleichzeitig scheint es vielen Unternehmen schwer zu fallen, eine echte Vertrauenskultur zu etablieren.
Das zeigt eine repräsentative Befragung unter 3000 Blue-Collar-Fachkräften durch das Marktforschungsinstitut Bilendi im Auftrag des Internetportals meinestadt.de. Mit Blue-Collar sind eher körperliche und handwerkliche Berufe gemeint. Die Ergebnisse liegen Capital exklusiv vor.
Sie zeigen, dass rund die Hälfte der Befragten die Vertrauenskultur an ihrem Arbeitsplatz „eher gut“ findet, also zufrieden ist mit Faktoren wie Eigenständigkeit, Menschlichkeit, Verlässlichkeit und Fehlerkultur. Knapp ein Viertel findet sie „sehr gut“. Am meisten vertrauen Mitarbeitende ihrer direkten Führungskraft und insgesamt auch ihren Kolleginnen und Kollegen im Team. Allerdings vertraut fast jeder Fünfte seiner Führungskraft gar nicht. Am geringsten ist das Vertrauen in die Geschäftsführung.
Mehr Vertrauen in kleinen Betrieben
Jede dritte Fachkraft hat demnach am Arbeitsplatz schon einen Vertrauensbruch erlebt, bei aktiv Jobsuchenden sind es sogar rund zehn Prozent mehr. Genannt wurden etwa falsche Versprechen, das Ausplaudern vertraulicher Informationen und Mobbing ohne Konsequenzen für die Täter.
Wie groß das Vertrauen ist, unterscheidet sich aber je nach Größe des Betriebs. Bei Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitenden beurteilen fast doppelt so viele die Vertrauenskultur als „sehr gut“ wie insgesamt. Bei großen Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten hingegen geben nur 16 Prozent der Kultur eine „sehr gute“ Bewertung. Im Branchenvergleich schneidet das Handwerk am besten ab, die Pflege am schlechtesten.
Nicht nur vor dem Hintergrund von Vier-Tage-Woche, flexiblen Arbeitszeiten und eigenverantwortlichem Arbeiten ist Vertrauen in der heutigen Arbeitswelt besonders wichtig. Auch in unsicheren Zeiten wünschen sich der Studie zufolge viele Mitarbeitende am Arbeitsplatz Stabilität und Sicherheit. Rund drei Viertel finden dieses Gefühl bei ihrem aktuellen Arbeitgeber. Aber fast die Hälfte sagt, dass die Krisen von Corona-Pandemie über Kriege bis zur Inflation ihre eigene Vertrauensfähigkeit generell gemindert haben.
Außerdem scheinen viele am Arbeitsplatz nicht sie selbst sein zu können. So bezeichnen 61 Prozent der Befragten die Beziehung zu ihrem Arbeitgeber als eine „Zweckgemeinschaft“ und 40 Prozent stimmten der Aussage zu, dass sie im Beruf „in gewisser Weise eine Rolle spielen, um nicht anzuecken“. Jeweils ein Drittel hat Sorge als „dumm“ oder „zu kritisch“ zu gelten, wenn er oder sie zu viele Fragen stellt und schließt sich lieber der Mehrheit an als den eigenen Standpunkt zu vertreten.
Vertrauen beeinflusst Unternehmenserfolg
Das kann sich auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens auswirken, wie auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) schreibt. Rein praktisch müssten Unternehmen mit einer vertrauensvollen Kultur weniger Zeit und Geld für Kontrollsysteme aufwenden, die Komplexität würde reduziert. Außerdem seien Mitarbeitende motivierter, zufriedener und zielorientierter, wenn sie sich nicht „wie im Überwachungsstaat“ fühlen.
Bereits 2021 berichtete Capital darüber, dass nur 31 Prozent der Führungskräfte ihren Mitarbeitenden direkt nach der Einarbeitungsphase vertrauen. Wer eher auf Kontrolle als auf Vertrauen setze, konfrontiere Mitarbeitende häufig mit Nachfragen zu Aufgaben, die sie ohnehin beherrschen. Gleichzeitig trauen sich Mitarbeitende weniger um Hilfe zu bitten, wenn sie diese wirklich brauchen.
In Zukunft dürfte eine gute Vertrauenskultur noch wichtiger werden, wenn es nämlich darum geht, Fachkräfte zu finden. Mehr als 70 Prozent der Befragten sagen, dass Vertrauen zukünftig noch mehr Einfluss auf die Entscheidung nehmen wird, ob sie sich für einen Arbeitgeber entscheiden oder nicht. „Im Hinblick auf den Fachkräftemangel können sich Unternehmen Vertrauensprobleme schlichtweg nicht mehr leisten“, sagt Mark Hoffmann, Chef von meinestadt.de. Die Studie zeige, dass Unternehmen aktiv an einer vertrauensvollen Unternehmenskultur arbeiten müssen, um Fachkräfte zu gewinnen und zu binden – insbesondere in Krisenzeiten.