Krankenschein vergessen, in der Arbeitszeit unerlaubt Raucherpausen eingelegt oder im Streit die Chefin beleidigt? Das kann Ärger geben. Je nach Schwere des Fehlverhaltens ziehen Vorgesetzte oft erstmal eine gelbe Karte, bevor es zu einer Kündigung kommt: die Abmahnung. Die soll dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin zeigen, dass es so nicht geht und das Arbeitsverhältnis gefährdet ist, wenn er oder sie sich weiter vertragswidrig verhält.
„Angestellte brauchen nicht in Panik verfallen, wenn der Arbeitgeber sie abmahnt“, sagt Rechtsanwältin Simone Schäfer von der Kanzlei HMS Barthelmeß Görzel. Zweck einer Abmahnung sei nicht, den Mitarbeiter zu sanktionieren. Sie soll stattdessen weiteren Pflichtverletzungen vorbeugen. „Es ist meist ein taktisches Mittel, um Bewegung ins Arbeitsverhältnis zu bringen“, so Schäfer. Bei berechtigten Rügen sollten Abgemahnte deshalb ihr Verhalten anpassen. Bei Wiederholung droht sonst die Kündigung.
Aber man muss sich nicht jeden Anpfiff gefallen lassen. Stimmt ein Vorwurf nicht, können sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen ihre Abmahnung wehren und eine Gegendarstellung verfassen. Diese kommt zur Abmahnung in die Personalakte. Genügt das nicht, können Abgemahnte beim Arbeitsgericht klagen und fordern, dass der Denkzettel aus der Personalakte entfernt wird. Oft hat das Erfolg, weiß Rechtsanwältin Schäfer: „Es gibt Angriffspunkte, denn Arbeitgeber können bei einer Abmahnung einiges falsch machen.“
#1: Arbeitgeber mahnt mündlich ab
Vorgesetzte dürfen grundsätzlich mündlich abmahnen, es gibt keine richtigen Formvorschriften. Damit eine Abmahnung allerdings wirkt, muss der oder die Angestellte sie erhalten und zur Kenntnis nehmen können. „Hier trägt der Arbeitgeber die Beweislast“, sagt Schäfer. „Und weil es bei mündlichen Abmahnungen oft schwer ist, die Kenntnisnahme später zu beweisen, raten wir Unternehmen immer dazu, schriftlich abzumahnen.“ Auch eine Abmahnung, die Vorgesetzte etwa im Rahmen eines Personalgesprächs aussprechen, sollten sie sorgfältig protokollieren.
#2: Abmahnung kommt zu spät
Für eine Abmahnung gibt es keine strenge Frist. Arbeitgeber können auch ein Verhalten abmahnen, das Angestellte schon vor einer Weile an den Tag gelegt haben. „Trotzdem sollten Vorgesetzte nicht zu viel Zeit verstreichen lassen und etwas vorwerfen, was zum Beispiel schon ein Jahr zurück liegt“, erklärt die Expertin. Erfährt der Arbeitgeber von einem Verstoß, rügt diesen aber über einen längeren Zeitraum nicht, kann der Arbeitnehmer darauf vertrauen, dass der Chef oder die Chefin dieses Fass später nicht mehr aufmacht.
#3: Sachverhalt bleibt unklar
Das gerügte Verhalten muss aus der Abmahnung klar hervorgehen. Dazu gehört, genau zu beschreiben, was zu welchem Zeitpunkt geschehen ist, welche Personen beteiligt waren und welche betrieblichen Folgen die Pflichtverletzung hatte. Nimmt die Abmahnung auf nicht näher erläuterte Informationen oder Vorfälle Bezug, bleibt sie unklar und unverständlich.
„Angestellte müssen erkennen können, wo sie sich falsch verhalten haben, damit die Abmahnung ihre Rügefunktion erfüllen kann“, erklärt Schäfer. Vorgesetzte sollten deshalb in der Abmahnung die arbeitsvertragliche Verpflichtung, Betriebsvorschrift oder Einzelanweisung genau bezeichnen, gegen die der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin verstoßen hat. Schäfer rät, vor einer Abmahnung sicherzustellen, dass die entsprechende Regel überhaupt bekannt war: „Viele Anforderungen stehen ja gar nicht im Arbeitsvertrag und sind einfach gelebte Praxis im Unternehmen.“
#4: Keine Beweise für Fehlverhalten
Ihre Vorwürfe müssen Vorgesetzte außerdem beweisen können. Sie sollten also entstandene Schäden dokumentieren und Belege für das Fehlverhalten sammeln. „Wirft die Chefin etwa einer Mitarbeiterin vor, sie wäre zu spät gekommen, sollte sie zum Beispiel nachweisen können, wann sich die Kollegin ins System für die Arbeitszeiterfassung eingestempelt hat“, so Schäfer. Entpuppt sich eine Tatsachenbehauptungen als falsch, macht das die Abmahnung unwirksam.
#5: Arbeitsrechtliche Folgen fehlen
Natürlich muss eine Abmahnung zum vertragsgetreuen Verhalten auffordern. Damit sie ihre Warnfunktion aber wirklich erfüllen kann, sollte sie auch enthalten, welche arbeitsrechtliche Konsequenzen folgen, wenn sich der oder die Angestellte den gleichen Patzer nochmal erlaubt.
#6: Mehrere Verstöße in einer Abmahnung
Hat ein Arbeitnehmer mehrere Verstöße begangen, ist etwa zu spät gekommen und hat eine Arbeitsanweisung missachtet, kann der Arbeitgeber diese Vorfälle auch gemeinsam abmahnen. Das birgt aber viel Fehlerpotenzial, warnt Rechtsanwältin Schäfer: „Alle Sachverhalte, die in einer Abmahnung vorgebracht werden, müssen auch stimmen.“ Vorgesetzte müssen jedes Fehlverhalten ausführlich beschreiben, pauschale Vorwürfe oder schlagwortartige Schilderungen zählen nicht.
„Je mehr Verstöße eine Abmahnung beinhaltet, desto eher kann ein Vorwurf mal nicht stimmen oder wird nicht bestimmt genug dargelegt“, erklärt Rechtsanwältin Schäfer. „Sowas macht die gesamte Abmahnung unwirksam.“ Um dieser Gefahr zu entgehen, rät Schäfer Arbeitgebern deshalb, verschiedene Verstöße in mehreren Abmahnungen aufzuführen und diese gleichzeitig auszusprechen.
#7: Arbeitgeber mahnt zu oft ab
Manche Menschen sind unbelehrbar. Kommt ein Verstoß immer wieder vor, mahnen Arbeitgeber meistens mehrmals ab, bevor sie kündigen. Eine vorgeschriebene Anzahl gibt es aber nicht.
Hat zum Beispiel ein Angestellter schon einen Warnschuss erhalten, kommt aber trotzdem regelmäßig zu spät, laufen mitunter auch weitere Abmahnungen ins Leere. Rechtsanwältin Schäfer weiß: Die Warnfunktion einer ‚gelben Karte‘ verpuffe, wenn nie Konsequenzen folgten. „Die ‚letzte Abmahnung‘ vor einer möglichen Kündigung sollten Vorgesetzte besonders eindringlich formulieren.“ Und sie müsse auch wirklich die letzte sein. „Bleibt die Kündigung aus, wird man irgendwann unglaubwürdig“, so die Expertin.
#8: Verhältnismäßigkeit missachtet
Außerdem müssen Arbeitgeber immer die Verhältnismäßigkeit der arbeitsrechtlichen Maßnahme prüfen. Dabei gilt es, Interessen abzuwägen: Um was für einen Verstoß handelt es sich? Wie lange besteht das Arbeitsverhältnis schon? Wie ist das sonstige Verhalten der oder des Angestellten? Gibt es mildere Reaktionen wie eine Ermahnung?
„Wer einmal verschläft und zehn Minuten zu spät ins Büro kommt, sich sonst aber immer einwandfrei benimmt, sollte keine Abmahnung fürchten müssen“, sagt Schäfer. „Das wäre wahrscheinlich unverhältnismäßig und damit unwirksam.“