Anzeige
Anzeige

Versicherungen Streit mit dem Arbeitgeber: Wann schützt die Arbeitsrechtsschutzversicherung?

Eine Frau wartet vor dem Saal zum Arbeitsgericht
Eine Frau wartet vor dem Saal zum Arbeitsgericht
© IMAGO / biky
Bei Streitigkeiten am Arbeitsplatz greifen klassische Rechtsschutzversicherungen nicht. Der Zusatzbaustein Arbeitsrecht lohnt sich trotzdem nicht für alle.

Streit mit dem Arbeitgeber ist niemals schön. Das gilt umso mehr, wenn man vor Gericht landet. Bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis entscheidet grundsätzlich das Arbeitsgericht. Dort gelten besondere Regeln: Anders als im Zivilrecht, wo der Verlierer die Kosten beider Anwälte übernimmt, muss jeder seine eigenen Anwaltskosten zahlen. Doch die klassische Rechtsschutzversicherung deckt diese Ausgaben in der Regel nicht ab. Damit der Versicherungsschutz greift, brauchen Berufstätige zusätzlich den Baustein Arbeitsrechtsschutz, auch Berufsrechtsschutz genannt. „Diese Versicherung gibt es nur in Kombination mit einer klassischen Rechtsschutzversicherung“, erklärt Brigitte Mayer, Altersvorsorgeberaterin bei der Verbraucherzentrale Hessen. Auf einem Vergleichsportal gibt es die günstigste Rechtsschutzversicherung für 7 Euro monatlich. Mit dem Baustein Arbeitsrecht verdoppelt sich der Beitrag. „Aber auch mit einer Arbeitsrechtsschutzversicherung sind Angestellte nicht für jeden Fall gewappnet“, kritisiert die Expertin. Es kommt – wie so häufig – auf den Einzelfall an, weshalb sich der Zusatzbaustein Arbeitsrecht nicht für jeden lohnt.

Grundsätzlich greift eine Arbeitsrechtsschutzversicherung nur, wenn bereits ein Schadenfall passiert ist. Das kann beispielsweise eine unrechtmäßige Kündigung, eine zu niedrige Abfindung oder eine Abmahnung sein, aber auch ausbleibende oder falsch gezahlte Gehälter. Auch Streit um Mutterschutz und das Arbeitszeugnis sind abgesichert. Ist der Schadenfall noch nicht eingetreten, greift die Versicherungen allerdings noch nicht. Vorstufen einer Eskalation wie eine angedrohte Kündigung oder das Prüfen eines Vertrags gehören deshalb in der Regel nicht zu den Leistungen. „Auch Mediationen und Beratungen sind häufig nicht abgedeckt“, sagt Mayer. Und selbst wenn Verbraucher Anbieter finden, die beispielsweise Beratungen absichern: Laut der Verbraucherschützerin sei auch die Frage, ob man die Arbeitsrechtsschutzversicherungen nur für solch kleine Leistungen aktivieren will.

Rechtsschutzversicherungen dürfen nämlich auch von ihrer Seite den Vertrag kündigen. Es finden sich Tarife im Markt, bei denen die Versicherung vereinbart, dass sie kündigt, wenn innerhalb von zwölf Monaten zwei Fälle eintreten. „Dann kann es schwierig werden, einen neuen Versicherer zu finden“, erklärt Mayer. Schließlich fragen viele Versicherer beim Antrag nach, ob der letzte Vertrag von der Gegenseite gekündigt wurde. „Deshalb würde ich raten, die Versicherung nicht für Kleinkram in Anspruch zu nehmen“, sagt sie.

Nach der Kündigung ist zu spät

Im Versicherungsfall zahlt die Arbeitsrechtsschutzversicherung alle anfallenden Kosten – vom Anwaltsgehalt übers Gericht bis zum Schlichtungsverfahren. Um zu überschlagen, wie viel das im Einzelfall ist, kann ein sogenannter Streitwertrechner helfen. Der Streitwert ist, wie der Name verrät, der Wert des Streitgegenstands, also im Fall einer Kündigung beispielsweise ausbleibende Gehälter. Angenommen der Streitwert liegt bei 10.000 Euro: Damit ergeben sich 6.066,50 Euro eigene Anwaltskosten plus 3.192 Euro Gerichtskosten, die Kläger im Verlustfall zusätzlich tragen müssen – und das noch ohne Mehrwertsteuer.

Für wen lohnt sich der Baustein Arbeitsrechtsschutz also? Zuerst die schlechte Nachricht: Eine Arbeitsrechtsschutzversicherung wie eine normale Rechtsschutzversicherung muss vor dem Schadenfall abgeschlossen werden. Betroffene können sie also nicht erst abschließen, wenn die Kündigung schon in ihrem Briefkasten liegt. „In der Regel haben die Versicherungen eine dreimonatige Wartezeit nach Vertragsschluss, bis der Versicherungsschutz beginnt“, sagt Mayer.

Außerdem müssen Besitzer einer bestehenden Rechtsschutzversicherung prüfen, ob es sich in ihrem Fall lohnt, den Arbeitsbaustein aufzunehmen. „Meistens ist das nämlich keine Erweiterung, sondern ein neuer Vertrag“, erklärt Mayer. Und das gelte es zu vermeiden: „Rechtsschutzversicherungen gibt es erst seit den 50er-Jahren und sie haben sich seither enorm verändert“, sagt sie. „Vor allem die Liste der Ausschlüsse wird immer länger.“ Deshalb sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass der neue Vertrag schlechter ist als der bestehende. Betroffene sollten alle Verträge deshalb von einer Fachfrau oder -mann prüfen lassen, und dann erst entscheiden.

Traue ich mich, ohne Rechtsschutz zu klagen?

Ansonsten sagt die Expertin, es komme auch auf die eigene Einstellung und Situation an: Eine Arbeitsrechtsschutzversicherung kann sinnvoll sein, muss es aber nicht. „Das ist eine psychologische Überlegung: Traue ich mich nur, einen Anwalt einzuschalten, wenn ich eine Rechtsschutzversicherung habe?“, sagt sie. Auch für Menschen, die in Branchen arbeiten, wo schnell abgemahnt oder gekündigt wird, kann sich ein Abschluss lohnen. Und dann bleibt noch die Frage, ob man auch wirklich bereit ist zu klagen. „Wenn von meinem Arbeitsplatz das Familieneinkommen abhängt, ziehe ich vielleicht eher vors Gericht“, sagt Mayer.

Wer sich dafür entscheidet, sollte auf die Schadenssumme achten: Für eine Arbeitsrechtsschutzversicherung empfiehlt sie mindestens 500.000 Euro. „Außerdem würde ich immer auch etwas Selbstbehalt einfügen“, sagt sie. Wer im Schadenfall selbst 150 Euro bezuschusst, spart rund die Hälfte der monatlichen Versicherungsbeiträge, rechnet die Expertin vor – und zwar bei Rechtsschutz plus Arbeitsrechtsschutz. Aufs Jahr gerechnet, lässt sich so ordentlich etwas sparen.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel