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Unternehmen Mitbestimmung, nein danke! Wie Sixt gegen die Gründung von Betriebsräten vorgeht

Autovermieter Sixt am Flughafen Stuttgart
Autovermieter Sixt am Flughafen Stuttgart
© IMAGO / Arnulf Hettrich
Der Autovermieter Sixt feuert laut Verdi an mehreren Standorten Mitarbeiter, die einen Betriebsrat gründen wollten. Die Gewerkschaft zieht deshalb vor Gericht. Sixt bestreitet alles – und kann einen ersten Erfolg verbuchen

Die 10. Kammer des Arbeitsgerichts in Frankfurt am Main: Dort, in Saal C2.1.0, stehen sich am Dienstagmittag Verdi und Sixt gegenüber. Es geht um den Wunsch mehrerer Sixt-Mitarbeiter, im Herbst 2021 einen Betriebsrat am Standort Frankfurt Flughafen zu gründen; und um den angeblichen Versuch von Sixt, genau das zu verhindern.

Kurz vor der entscheidenden Versammlung an dem Frankfurter Standort wurde drei von vier Initiatoren fristlos gekündigt. Eine klare Behinderung, findet Verdi. Die Gewerkschaft will deshalb per Gericht einen Wahlvorstand einsetzen lassen, um die Betriebsratswahl durchzusetzen.

Doch am späten Nachmittag ist klar, dass Verdi damit gescheitert ist. Das Gericht hat den Antrag abgelehnt, ohne Begründung. Man sei nicht wirklich weitergekommen, gibt Philipp Schumann, Gewerkschaftssekretär von Verdi in Hessen, gegenüber Capital zu.

Politik will Betriebsräte besser schützen

Das Familienunternehmen Sixt mit Sitz in Pullach bei München hat bereits einige Male durchsickern lassen, dass es wenig von Betriebsräten hält. Der ehemalige Chef Erich Sixt gab beispielsweise dem Handelsblatt 2005 ein Interview, in dem er sagte, dass er „grundsätzlich“ nichts davon halte, „wenn Arbeitnehmervertreter im Kontrollgremium strategische Dinge mitentscheiden“. Er kämpfte viele Jahre erfolgreich gegen einen Betriebsrat in seinem Unternehmen. Im letzten Jahr übergab er den Vorstandsposten an seine zwei Söhne Alexander und Konstantin.

Gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sagte ein Unternehmenssprecher zwar, dass Sixt grundsätzlich einen Betriebsrat unterstützen werde, wenn ihn sich die Belegschaft wünsche. Doch weder in Frankfurt noch bei einem anderen Fall in Düsseldorf hatten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Gründung eines Betriebsrats Erfolg.

Der Fall Sixt ist auch deshalb brisant, weil die Politik schon länger gegen eine mögliche Behinderung von Betriebsräten vorgehen will. Erst Mitte Januar kündigte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) an, das Strafrecht verschärfen zu wollen und so die Gründung von Betriebsräten auch gegen den Willen der Arbeitgeber zu erleichtern. Schon jetzt droht laut Bertriebsverfassungsgesetz bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe für Arbeitgeber, wenn sie Betriebsräte behindern. „In der Realität aber sehen wir immer wieder, dass Menschen drangsaliert werden, die Betriebsräte gründen wollen“, sagte Heil der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“.

Sixt widerspricht den Vorwürfen

Die drei fristlosen Kündigungen in Frankfurt sieht Verdi als klare Behinderung einer Betriebsratsgründung. „Sowas ist einschüchternd“, sagt Schumann. Auf Anfrage widerspricht Sixt den Vorwürfen von Verdi. „Das ist unzutreffend. Alle Initiatoren haben an der Wahl teilgenommen“, teilt das Unternehmen mit.

Am Ende habe die Mehrheit der Mitarbeitenden laut Sixt gegen den Wahlvorstand und damit gegen einen Betriebsrat gestimmt. „Für mich ist der Eindruck entstanden, dass es eine Art Instruktion an die Leute war“, sagt dagegen Verdi-Vertreter Schumann. Beweisen könne er das aber nicht.

Laut Sixt wurde den drei Initiatoren in Frankfurt nicht wegen der Einladung zur Betriebsversammlung fristlos gekündigt, sondern „wegen arbeitsrechtlicher Verfehlungen“. Die betroffenen Personen sollen sich untereinander sowie Bekannten Fahrzeuge der Luxuskategorie zu vergünstigten Preisen „zugeschoben“ haben. Laut Verdi-Vertreter Schumann laufen derzeit Kündigungsschutzklagen, im März und Mai soll darüber verhandelt werden.

Streit geht in die nächste Runde

In Düsseldorf geht Verdi nun ebenfalls den juristischen Weg. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, hat die Gewerkschaft dort Strafantrag bei der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft eingereicht. Drei Frauen hatten im Sommer Einladungen zu einer Betriebsversammlung verschickt, bei der ein Wahlvorstand gewählt werden sollte. Auch Sixt wurde laut Özay Tarim, Verdi-Gewerkschaftssekretär in NRW, eingeladen und informiert. Kurze Zeit später tauchten zwei Sixt-Geschäftsführer auf und baten die drei Frauen zum Gespräch. Wenige Tage später kamen die beiden Manager erneut nach Düsseldorf, um einer der drei Frauen eine fristlose Kündigung zu überreichen.

Auch hier wurde laut Sixt die Kündigung nicht wegen der geplanten Versammlung ausgesprochen, sondern weil die Mitarbeiterin mehrfach zu spät gekommen sei. Den anderen zwei wurde laut Verdi zunächst ein Aufhebungsvertrag angeboten, in dem eine Abfindung von jeweils 10.000 Euro versprochen worden sei. Inzwischen wurde den Dreien insgesamt sechs Mal fristlos gekündigt.

Sixt behauptet, allen drei Mitarbeiterinnen sei es „nicht um die Durchführung einer ordnungsgemäßen Betriebsratswahl gegangen“, sondern um eigene wirtschaftliche Interessen. Sie würden „hohe sechsstellige Beträge fordern, um auf die von ihnen initiierte Gründung eines Betriebsrats zu verzichten“.  Wie in Frankfurt will die Gewerkschaft nun vom Arbeitsgericht Düsseldorf klären lassen, ob ein Wahlvorstand eingesetzt werden muss.

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