Sein Widersacher, höhnte Ex-Börsenchef Werner Seifert, sei ein „komischer Kauz“, der „wahrscheinlich nicht einmal den On-Schalter am Taschenrechner finden würde“. Es war das Frühjahr 2006, und Seifert sprach posthum – allerdings nicht nach dem Tod des Gegners, sondern nach dem Ende der eigenen Karriere.
Denn der „Kauz“ hatte gewonnen: Der Chef des Hedgefonds TCI, Chris Hohn, hatte Seiferts Pläne für eine Expansion der Deutschen Börse vereitelt. Damit war nicht nur eine strategische Firmenentscheidung gescheitert, sondern Seiferts Traum: der Schöpfer der ersten großen internationalen Börse zu werden, wie sie die Experten seit Langem forderten.
Schon seit den 90er-Jahren hatte Seifert seine Pläne verfolgt. Pünktlich zum Start des neuen Jahrtausends schien es schon einmal so weit.

Am 3. Mai 2000 setzt sich der deutsche Börsenchef ins Flugzeug nach London – der Finanzmetropole, an der sich die Frankfurter Provinz so gerne messen würde –, um vor der Weltpresse die Fusion von Deutscher Börse und London Stock Exchange (LSE) zu verkünden. Der Chef der neuen „IX“ werde natürlich er sein, teilt ein vor Selbstbewusstsein überquellender Seifert mit. Die weitere Expansion sei vorgezeichnet: Madrid und Mailand stünden schon vor der Tür.
Doch die City zeigt wenig Lust, sich die Deutschen ins Land zu holen, und lässt den Deal platzen. Seifert, ein Pfeifenraucher, beweist Geduld: 2005 ist die Fusion ein weiteres Mal so gut wie perfekt – wäre da nicht Chris Hohn. TCI und der Hedgefonds Atticus haben einige Prozente der Aktien der Deutschen Börse zusammengekauft und machen Stimmung gegen die Pläne. Mit Erfolg. Hohn hat Seifert und der Deutschland AG eine Lehre erteilt: Am Ende entscheiden nicht die Manager, sondern die Aktionäre.
Seifert tritt zurück und nimmt wieder ein Flugzeug: diesmal nach Irland. Seinen Abschied inszeniert der Jazzmusiker als eine Symphonie der Misstöne. Rund ein Jahr nach dem Showdown stellt der einstige McKinsey-Partner in Frankfurt sein Buch vor: „Invasion der Heuschrecken“.
Die Deutsche Börse versucht in den Folgejahren immer wieder, sich zu verheiraten. Vergeblich. Nachfolger Reto Francioni hat die Suche nach einem großen Partner in Europa nun eingestellt.
Zur Person:
Werner Seifert, 1949 in der Schweiz geboren, krönte schon als 44-Jähriger seine Karriere mit dem Aufstieg zum Chef der Deutschen Börse AG. Zwölf Jahre hielt er sich dort ab 1993 an der Spitze und baute die Börse in Frankfurt zu einem der technologisch führenden Handelsplätze der Welt aus. Nach dem Rücktritt 2005, der ihm nach Medienberichten mit einer Abfindung von 10 Mio. Euro versüßt wurde, zog er nach West Cork in Irland um. Der promovierte Betriebswirt wurde Pianist der Gruppe Jazz X Change. Er widmet sich nun seiner Hammond B3, seinem Traktor und „genießt die Gesellschaft von Hunden und Eseln“.
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