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Western von gestern Die Pleite der Herstatt-Bank

Iwan David Herstatt: Seine Bank musste 1974 Konkurs anmelden
Iwan David Herstatt: Seine Bank musste 1974 Konkurs anmelden
© Foto: Intertopic
Die Herstatt-Pleite 1974 ist eine der folgenschwersten Bankenzusammenbrüche in der Bundesrepublik. Devisenspekulationen führen sie in den Abgrund, aber Bankier Iwan David Herstatt sieht sich als Opfer einer Verschwörung

Als Iwan David Herstatt, eine Patriarchengestalt von 1,96 Meter Körperlänge, am 26. Juni 1974 mit bleichem Gesicht seine Bank in Köln verlässt, ist nicht nur sein Lebenswerk zerstört , sondern der folgenschwerste Zusammenbruch einer Bank in der Nachkriegszeit zu besichtigen.

Dabei hat Herstatt es weit gebracht, seit er mit seinem Jugendfreund, dem Versicherungsunternehmer Hans Gerling, sowie dem Maschinenfabrikanten Emil Bührle im Jahr 1955 das Kölner Bankhaus Hocker übernommen und in „Herstatt-Bank“ umbenannt hatte. Seine Privatbank wächst und wächst, denn Herstatt ist in Köln bestens vernetzt. Privatleute, Kommunen, Vereine und Kirchen vertrauen Herstatt ihr Vermögen an. Vor dem Kollaps im Jahr 1974 hat er rund 52.000 Kunden.

Aber es gibt auch eine versteckte Seite der Herstatt-Bank: Sie mischt zunehmend im Devisenhandel mit und gerät dabei etwas außer Kon­trolle. Die Bank engagiert sich immer stärker in reinen Währungsspekula­tionen, investiert selbst immer höhere Beträge. Noch mehr befeuert wird das Spiel durch die Aufhebung der Kopplung europäischer Währungen an den Dollar im Jahr 1971.

Auf die Herstatt-Pleite folgen jahrelange Prozesse

Herstatt lässt seinen Händlern auf der „Raumstation Orion“, wie der Handelsraum genannt wird, freie Hand – geführt wird die Truppe (intern: „Goldjungs“) von Dany Dattel. Nach und nach erfasst das Spekulationsfieber die Belegschaft. Vom Topmanager über Boten bis zum Pförtner wettet jeder auf Devisen. Das einzige Limit: Jeder darf „nur“ 10 Mio. Dollar auf einmal setzen. Die Händler gehen immer höhere Risiken ein, zocken mit einem Vielfachen des Firmenkapitals. Am Ende hat die Bank einen Verlust von 500 Mio. Mark. Das Eigenkapital beträgt aber nur 77 Mio. Mark.

Am 26. Juni 1974 ist Herstatt pleite. 36.000 Sparer bangen, Schlangen bilden sich vor der Filiale. Durch geschickte Vergleiche bekommen Privatkunden rund 80 Prozent ihres Vermögens erstattet. Die Prozesse werden sich jahrelang hinziehen. Aus dem Untergang erwächst Gutes: Deutschlands Banken gründen den Einlagensicherungsfonds, der Guthaben bis zu einer Obergrenze absichert. Auch international gibt es Folgen – 1997 wird eine Bank gegründet, die Devisengeschäfte abwickeln soll. 2002 nimmt sie die ­Arbeit auf.

Hauptperson:

Iwan David Herstatt stammte aus einer Kölner Unternehmerdynastie. Nach dem Abitur 1931 arbeitete er bei der Deutschen Bank, später wurde er Referent bei der hessischen Bankenaufsicht in Wiesbaden, lernte dort seine Frau kennen und kehrte mit vier Kindern 1950 nach Köln zurück, wo er die Filiale der Bank für Gemeinwirtschaft leitete. 1955 übernahm er das Kölner Bankhaus Hocker, das zur „Herstatt-Bank“ umfirmierte und 1974 nach Devisenspekulationen Konkurs anmelden musste. Bis zu seinem Tod 1995 sah sich Herstatt als Opfer einer Verschwörung, für die er seine Devisenhandelsabteilung verantwortlich machte.

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