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Kurzbeschreibung
Keine deutsche Großstadt hat weniger Einfamilienhäuser als Stuttgart. Kein Wunder, denn Baugrund ist knapp und entsprechend teuer. Daran wird sich so schnell nichts ändern
Den Killesberg umwehen jede Menge Mythen: Nirgendwo sollen mehr Millionäre wohnen als auf der grünen Anhöhe im Norden der Landeshauptstadt. Nirgendwo seien die Immobilienpreise höher. Und nirgendwo wohne man exklusiver. Der sachkundige Stuttgarter bezeichnet diese Zuschreibungen als „Lettengeschwätz“ (für alle Nicht-Schwaben: dummes Gerede). Das Problem beginnt schon damit, dass es „den“ Killesberg gar nicht gibt. Für den einen fängt dieser Höhenzug gleich ober halb vom Hauptbahnhof an, und entsprechend werden Immobilien mit dieser irreführenden Ortsbezeichnung vermarktet.
Für den Puristen fällt unter den Killesberg lediglich das Gebiet um den gleichnamigen Höhenpark. Das entspricht in etwa der offiziellen, in Stuttgart höchst kleinteiligen Stadtteilabgrenzung, die außerhalb der Verwaltungswelt jedoch kaum eine Rolle spielt. Hier also stehen sie, die alten Villen – darunter die der Familie Porsche, in deren Garage in den 1930er Jahren der erste Volkswagen entstand. Die durchschnittlichen Quadratmeterpreise toppen hier bei Bestandswohnungen die 6 000 Euro-Marke. Neubauten kommen noch einmal deutlich teurer, wenn denn mal welche realisiert werden,
Gleich um die Ecke drehen sich tatsächlich gerade die Baukräne. Unterhalb der grünen Höhenpark Oase mit Spielplätzen, Flamingo-Teich und Schmalspurdampfeisenbahn errichtet die GIEAG in der Maybachstraße im Projekt „Mayliving“ 70 Eigentumswohnungen. Ein Drei-Zimmer-Apartment mit 119 Quadratmetern kostet hier beispielsweise 778.000 Euro. „Modernes Wohnen am Höhenpark Killesberg“ verspricht der Münchner Bauträger in seiner Werbung – und verschleiert so, dass der Komplex mit dem an grenzenden Büroobjekt „Mayoffice“ eigentlich im eher bodenständigen Stadtteil Bahnhof Feuerbach liegt.
Immobilien- und Mietpreise in Stuttgart
Karte
Der Immobilienmarkt in Stuttgart
Ab in den Süden
Käufer, die auf Erstbezug festgelegt sind und es gerne etwas mondäner hätten, müssen sich derzeit eher auf der anderen Hügelseite umschauen. In Feuerbach Hohe Warte – also für die echten Stuttgarter auf der verkehrten Seite – ist eine Penthouse Wohnung mit 175 Quadratmetern für 1,57 Mio. Euro im Angebot. Zwar mit Blick auf den Wald, aber nicht auf die Stadt und den Fernsehturm. Möchte man das Stuttgarter Wahrzeichen von seinem Wohnzimmer aus sehen, sollte man mit zehn Prozent Auf- schlag rechnen.
Wer nicht auf den Killesberg fixiert ist, aber dennoch auf eine an- genehme Umgebung Wert legt, sollte sich lieber in den südlichen Vororten umsehen. Degerloch, Vaihingen oder Möhringen haben ohnehin die bessere Infrastruktur mit Geschäften, Schulen und öffentlichen Verkehrsmitteln.
In Möhringen entsteht der- zeit auf dem aufgegebenen Gelände eines Badarmaturenherstellers das „Hofquartier“. 136 Zwei- bis Vierzimmerwohnungen mit bis zu 110 Quadratmetern stehen zur Auswahl. Für die größten Objekte werden bis zu 660.000 Euro fällig. Kleiner Wer- mutstropfen: Direkt neben dem Quartier zieht demnächst die neue Feuerwache ein.
Eine echte Rarität findet sich im benachbarten Sonnenberg. In der Kießstraße steht aktuell ein schmuckes Einfamilienhaus mit 320 Quadratmetern Wohnfläche und 800 Quadratmetern Gartengrundstück zum Verkauf, Kostenpunkt: 2,2 Mio. Euro. Einfamilienhäuser, über deren Sinn und Notwendigkeit gerade bundesweit eine erbitterte Debatte entbrannt ist, sind in Stuttgart so selten wie in keiner anderen deutschen Großstadt. Gerade einmal 35,4 Prozent der Einwohner leben in einem Gebäude mit nur einer Wohneinheit. Und was rar ist, ist logischer- weise teuer.
Folgen der Autokrise
Für die Normalverdienerfamilie rückt der Traum vom Eigenheim da in weite Ferne. Zudem die Krise der Automobilindustrie längst das Neckartal erreicht hat. Das nahende Ende des Verbrennungsmotors macht sich auch auf dem Immobilienmarkt bemerkbar. Banken, die früher eine Festanstellung „beim Daimler“ oder „beim Bosch“ als Bonitätsausweis akzeptiert haben, sind vorsichtiger bei der Kreditvergabe geworden.
So mancher Traum vom Wunschhäusle sei in den vergangenen Monaten bereits geplatzt, berichtet Maklerin Sandra Seibold. Niemand im Autoländle hat mehr eine Garantie, dass sein Job in zehn bis 15 Jahren noch existiert. Geradezu symptomatisch erscheint da der angekündigte Abbau des Mercedes-Sterns vom Turm des Hauptbahnhofs. Das Markenzeichen, das sich dort sieben Jahrzehnte lang gedreht hat, muss wegen der Stuttgart-21-Bauarbeiten weichen.
Trotz aller dunklen Wolken am Konjunktur- und Strukturhimmel erscheint die Lage am Immobilienmarkt geradezu rosig. „Wir haben in den vergangenen Monaten so viele hochwertige Immobilien wie noch nie zuvor verkauft“, sagt Maklerin Seibold. Offenbar wüssten die Leute in Zeiten von Corona und Nullzinspolitik nicht woanders hin mit ihrem Geld. Zumindest die, bei denen Liquidität kein Thema ist.
Und so geht der Preisauftrieb munter weiter: Laut einer Studie der Postbank mussten Käufer in Stuttgart 2020 pro Quadratmeter Wohnfläche im Schnitt 255 Euro mehr zahlen als im Jahr zuvor. Die Muttergesellschaft Deutsche Bank prognostiziert einen weiteren Anstieg der Immobilienpreise in der Landeshauptstadt bis 2027.
Der neue im Rathaus
Diejenigen, bei denen die Monatsrate für den Baukredit das Gehalt weitgehend auffrisst, stellt das vor immer größere Probleme: „Es ist wirklich schade, dass es für eine durchschnittlich verdienende Familie praktisch kaum etwas gibt“, findet Maklerin Seibold. Optimisten hoffen auf den neuen Oberbürgermeister. CDU-Mann Frank Nopper, seit Jahresbeginn Nachfolger des glücklosen Grünen Fritz Kuhn, hat angekündigt, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Wie er das anstellen möchte, bleibt bislang sein Geheimnis.
675 Wohnungen seien aktuell im Bau und 6 700 in Planung, lässt die Stadt mitteilen. Bebaut werden auch Firmenareale wie das ehemalige Deutschland-Hauptquartier des IT-Konzerns IBM in Vaihingen. Einzugstermin ist hier frühestens in sechs Jahren. Bauen auf der grünen Wiese bleibt wie unter dem Vorgänger ein Tabu.
Unions-Mann Nopper, der nach seinen Worten „das Stuttgarter Rössle vom Trab auf Galoppgeschwindigkeit“ bringen möchte, muss nun auch liefern. Für Architekten, Makler und Bauherren wäre es schon ein enormer Fortschritt, wenn Baugenehmigungen endlich schneller erteilt würden. Wartezeiten bis zu zwölf Monate sind derzeit keine Ausnahme. Wer in Stuttgart sein Häusle baut, braucht nicht nur reichlich Geld, sondern auch eine Menge Geduld.
Von Fritz Schwab
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