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Payment Digitaler Euro: Taugt die EZB zum IT-Anbieter?

Zwei-Euro-Münze
Bekommt die Zwei-Euro-Münze bald digitale Konkurrenz?
© IMAGO / aal.photo
Die EZB will schon bald eine digitale Währung ausgeben. Aber hat sie dieses Vorhaben bis zum Ende durchgespielt? Gastautor Johannes Blassl verweist auf den jahrelangen Vorsprung anderer Anbieter

Über hundert Zentralbanken arbeiten bereits an digitalen Staatswährungen, dazu gibt es diverse Bestrebungen einzelner Wirtschaftsakteure, digitale Währungen herauszugeben (wie etwa das mittlerweile abgebrochene Projekt „Diem“ von Facebook) – das setzt die EZB immer weiter unter Zugzwang, denn der Euro kann als die am zweithäufigsten verwendete Währung nicht zurückstehen. Dennoch hat sich die EZB lange Zeit gelassen mit Entscheidungen hinsichtlich des digitalen Euros: Erst Ende Juni haben EU-Parlament und Europäischer Rat einen Vorschlag zu einem rechtlichen Rahmen vorgelegt.

Wie wird der digitale Euro aussehen?

Der digitale Euro soll so gestaltet werden, dass die breite Öffentlichkeit ihn unkompliziert verwenden kann, er soll über leicht zu handhabende Nutzungsmöglichkeiten verfügen und für eine breite Palette von Hardware-Geräten zugänglich sein. Wie diese konkret aussehen, lässt der aktuelle Regelungsvorschlag allerdings noch offen.

Weiterhin sollen die Geschäfte mit dem digitalen Euro in Sekundenschnelle abgeschlossen werden können. Auch soll er so weit wie möglich mit den privaten digitalen Zahlungsarten und Infrastrukturen, die derzeit durch den Massenverkehr verwendet werden, kompatibel sein und auf technischen und funktionalen Synergien aufbauen. Der digitale Euro soll ein Zahlungsmittel für den täglichen Geschäftsverkehr werden. Er soll aber keine Anlagemöglichkeit darstellen, weswegen es Haltelimits – zurzeit diskutiert in Höhe von 3000 Euro – geben soll. Dies auch, um den Geschäftsbanken keine Konkurrenz hinsichtlich ihres Einlagengeschäfts zu machen.

Kritiker eines digitalen Euros befürchten, dass Geschäftsbanken hierdurch finanziell instabiler werden. Die Bankkunden heben ihr Geld von ihrem Geschäftsbankkonto ab und halten es auf dem digitalen EZB-Konto. Große Summen könnten so aus dem Bankensektor nur an die EZB fließen. Dies könnte zu einer Liquiditätskrise im Bankensystem führen.

Ein Bankkonto benötigen Nutzer grundsätzlich nicht, denn der digitale Euro kann über eine digitale Geldbörse laufen. Diese soll auf einem digitalen Endgerät oder einer Zahlungskarte, vergleichbar mit der EC-Karte, nutzbar sein. Für gewisse Funktionen wird dennoch ein Bankkonto benötigt – beispielsweise für die „Waterfall-Funktion“, bei der der Betrag, der das Haltelimit überschreitet, automatisch auf ein Bankkonto übertragen wird.

Der digitale Euro soll sowohl online als auch offline genutzt werden können. Gerade die Offline-Funktion hat Ähnlichkeit mit der Bezahlung in Bargeld und soll ebenso anonym möglich sein. Allerdings müssen trotzdem geldwäscherechtliche Vorgaben beachtet werden, weswegen die digitale Offline-Bezahlfunktion nur für kleinere Beträge möglich sein soll. Der digitale Euro soll damit auch eine stabile und sichere Alternative zu Kryptowährungen darstellen, die starken Kursschwankungen unterliegen.

Taugt die EZB zum IT-Anbieter?

Sowohl die Online- als auch die Offline-Transaktionen sollen innerhalb von wenigen Sekunden abgewickelt werden. Dazu bedarf es einer digitalen Abwicklungsstruktur. Der vorliegende Vorschlag ist allerdings technologieoffen formuliert. Mit der Einführung des digitalen Euros möchte die EZB selbst als Wettbewerberin gegen private Wirtschaftsakteure antreten. 

Fraglich ist, ob die EZB dieses Vorhaben bis zum Ende durchgespielt hat. Letztlich besitzen diese Anbieter jahrelangen Vorsprung in diesem Bereich und ermöglichen schon seit einiger Zeit ein sehr einfaches, schnelles und bequemes digitales Bezahlen. Ob die EZB, insbesondere was die Benutzerfreundlichkeit betrifft, hier mithalten können wird, erscheint fraglich. Jedenfalls müsste sie massive Investitionen tätigen, um im Bereich des digitalen Bezahlens wettbewerbsfähig zu werden. Man mag sich über die Marktmacht der Kreditkartenanbieter und Firmen wie Paypal ärgern. Ob man deshalb aber auf die öffentliche Hand als Konkurrenten bauen möchte, um die private Marktmacht im Bereich des digitalen Bezahlens zu brechen, ist nochmal eine ganz andere Überlegung.

Bedauerlicherweise hat sich bis heute kein europäisches Unternehmen mit einer digitalen Bezahllösung am Markt etablieren können. Die Anbieter von digitalen Bezahlsystemen (Google, Apple, Paypal) stammen alle aus den USA. Statt eines digitalen Euros könnte man daher an ein privates europäisches Zahlungssystem denken, also an eine Art „europäisches Paypal.“ Neben der Frage nach den Fähigkeiten der EZB eine digitale Bezahllösung zu schaffen, stellt sich auch die Frage, ob man das Anbieten solcher digitalen Bezahlprozesse überhaupt als vom Auftrag der EZB erfasst sieht. 

Was ändert sich für die Verbraucher?

Für die Verbraucher ändert sich durch die Einführung des digitalen Euros zunächst nicht viel. Ihnen steht damit eine zusätzliche Zahlungsart bereit, die sie ohne die Eröffnung eines Bankkontos grundsätzlich gebührenfrei nutzen können. Damit sich der digitale Euro etablieren kann, müssen Verbrauchern dessen Vorteile erkennen. Dies erscheint kritisch im Hinblick darauf, dass andere elektronische Zahlungsformen wie Paypal, Apple Pay und Google Pay schon existieren und weitgehend etabliert sind.

So liefen etwa im Jahr 2022 circa ein Drittel der Zahlungen im Online-Handel über Paypal. Der digitale Euro wird ein gesetzliches Zahlungsmittel, dies bedeutet, dass alle Geschäfte – bis auf sehr kleine Händler – diese Zahlungsform annehmen müssen. Ob die Verbraucher durch die Ausgabe des digitalen Euros einem verringertem Insolvenzrisiko ausgesetzt sind, ist ungewiss, denn es soll sich bei dem digitalen Euro ausschließlich um ein Zahlungsmittel und nicht um eine Anlageform handeln. Somit können Einzelpersonen auch keine größeren Vermögensmassen über die EZB absichern.

Was ändert sich für die Geschäftsbanken?

Der digitale Euro soll ein stabiles und zuverlässiges digitales Zahlungssystem in Europa schaffen. Die Geschäftsbanken sehen dies kritisch. Ein übermäßiges Abwandern von Bankeinlagen zur EZB könnte das Geschäftsbankensystem destabilisieren. Selbst ein Haltelimit von 3000 Euro könnte bei vielen Geschäftsbanken zu einem erheblichen Mittelabfluss führen, da viele Privatkunden kaum Einlagen über 3000 Euro besitzen.

Geschäftsbanken laufen dann in Gefahr, sich nicht mehr über ihre Kundeneinlagen refinanzieren zu können und müssten auf andere Refinanzierungsmöglichkeiten zurückgreifen. Dies könnte sodann beispielsweise die effektive Kreditvergabe der Banken an die Verbraucher stören, indem die Kreditkosten für diese steigen. Auf der anderen Seite muss das Haltelimit allerdings auch so hoch sein damit der digitale Euro effektiv zum Bezahlen genutzt werden kann.

Die Aussichten

Es bleibt abzuwarten, ob sich der digitale Euro unter den Verbrauchern etablieren kann und welche Regelungen getroffen werden, um die Geschäftsbanken nicht zu gefährden. Auch hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung der nutzerfreundlichen Anwendung sind noch Fragen offen. Sollte die EZB tatsächlich in den Wettbewerb mit bestehenden privaten Zahlungsdienstleistern eintreten wollen, hat sie nur eine Chance, wenn hierdurch die Kosten für die Verbraucher gesenkt werden.

Johannes Blassl ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht in Frankfurt am Main und berät in einer großen Wirtschaftskanzlei als Equity Partner Banken und Unternehmen unter anderem zu kapitalmarkt- und aufsichtsrechtlichen Fragestellungen rund um den Einsatz der Blockchain-Technologie im Finanzmarkt. Daneben ist er Lehrbeauftragter an der EBS Universität in Wiesbaden für Bankenrecht und Compliance sowie an den Hochschulen Mainz und Fulda für Kapitalmarkt- und Unternehmensrecht. Außerdem lehrt er an der Hochschule Fresenius zum Thema Corporate Governance.

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