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Techinvestor „Ich würde heute nicht in einen breiten Techfonds investieren“

Stefan Waldhauser hat seine Firma WeWebU 2013 an das amerikanische Unternehmen Alfresco verkauft. Dort arbeitete er noch fünf Jahre, ehe er 2018 Profi-Investor wurde
Stefan Waldhauser hat seine Firma WeWebU 2013 an das amerikanische Unternehmen Alfresco verkauft. Dort arbeitete er noch fünf Jahre, ehe er 2018 Profi-Investor wurde
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Stefan Waldhauser hat sein Unternehmen 2013 ins Silicon Valley verkauft. Mit diesen Gewinnen investiert er in junge Techunternehmen – ähnlich wie Frank Thelen oder Cathy Wood. Die Promi-Investoren bekommen aber kein gutes Zeugnis von ihm

Herr Waldhauser, Techwerte sind seit Jahresbeginn fast durch die Bank gestiegen. Selbst ein Konzern wie Alphabet, der zuletzt eher schlechte Nachrichten produziert hat, hat um acht Prozent zugelegt. Woran liegt das?
Wir müssen schauen, wo die Kurse herkommen. Teilweise sind die Werte im vergangenen Jahr um 80 Prozent gefallen –  mitunter zu recht, mitunter aber auch nicht. Gerade der Abverkauf gegen Jahresende verlief panisch und erzeugte zahlreiche Übertreibungen nach unten. Dass da eine Erholung einsetzen musste, ist eigentlich nur folgerichtig.  

Sehen wir denn jetzt faire Bewertungen – oder übertreibt der Markt immer noch in die eine oder andere Richtung? 
Der Techmarkt scheint immer ein Markt der Extreme zu sein. Erst ging es lange Jahre nur nach oben, so dass ich als zahlengetriebener Investor kaum Werte gefunden habe, in die ich mit gutem Gewissen investieren konnte. Und dann gab es im vergangenen Jahr das andere Extrem. Aktuell finde ich viele Unternehmen tatsächlich sehr fair bewertet, vor allem in der zweiten und dritten Reihe. Eigentlich sollte sich die Entwicklung nach oben also nicht so ohne weiteres fortsetzen. Aber wer weiß das schon. Teilweise finde ich die großen Werte jetzt schon wieder zu teuer. Tesla hat zum Beispiel über 100 Prozent gewonnen. Das macht für mich keinen Sinn. Ich würde deshalb zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht in einen breiten Techfonds investieren. 

Das sehen Fondsmanager wie Frank Thelen und Cathy Wood aktuell ganz anders. Thelen hat zwei neue Fonds aufgelegt auf, Wood hält ihren Ark-Innovation-ETF für den neuen Nasdaq. Sie machen ja auf den ersten Blick etwas Ähnliches und investieren vor allem in Techunternehmen – auch in ihr Portfolio kann man investieren. Was machen Sie anders und warum sind sie skeptischer? 
Ich achte deutlich stärker auf Zahlen und weniger auf Narrative. Das ist zwar mittlerweile Mainstream, dass man bei Techkonzernen auf Kennzahlen wie die „Rule of 40“ achtet. Aber wenn ich lese, was Frank Thelen und Cathy Wood erzählen, dann geht es immer nur um Innovation und Storytelling: Wo sind die größten Veränderungen in der Zukunft? Da geht es weniger um die harten Geschäftszahlen. Ich nenne meinen Ansatz „Value Investing 2.0“. Ich lege Techkennzahlen an und stelle Prognosen für einen überschaubaren Zeitrahmen von drei bis fünf Jahren auf. Alles, was darüber hinaus geht, halte ich für unseriös. 

Stefan Waldhauser gründete 2000 die Softwarefirma WeWebU und verkaufte es 2013 an das amerikanische Unternehmen Alfresco. Dort arbeitete er noch fünf Jahre regelmäßig im Silicon Valley, ehe er 2018 ausstieg und Vollzeit-Investor wurde. Waldhauser beteiligt sich vor allem an Tech-Unternehmen aus der zweiten und dritten Reihe

Thelen und Wood argumentieren immer mit ihren teameigenen Wissenschaftlern, deretwegen sie die Entwicklungen besser einschätzen könnten. Was halten Sie von diesem Argument? 
Natürlich kann man sich von Wissenschaftlern über Technologien beraten lassen. Aber welche Player, die heute in einem ganz frühen Stadium sind, irgendwann einmal den Markt beherrschen, das kann niemand seriös prognostizieren. Ich selbst investiere normalerweise erst, wenn sich ein Gewinner abzeichnet. Für alles andere braucht es natürlich auch Investoren, aber das ist für mich eher Risikokapital und nichts für Privatanleger. Vieles von dem, was normalerweise noch Venture Capital ist, wurde in den letzten Jahren leider an die Börse gespült – maßgeblich getrieben durch Spacs.  

Ist es denn überhaupt fair, die Promifonds für ihre miserable Performance im letzten Jahr zu kritisieren? Der 10xDNA-Fonds von Frank Thelen hat zwar 51 Prozent in 2022 verloren, Jan Beckers BIT Global Internet Leaders 53 Prozent und Cathy Woods Ark-ETF sogar 64 Prozent. Aber auch der Nasdaq Cloud-Index ist um über 50 Prozent abgestürzt. 
Mit einem reinrassigen Techfonds konnte man in diesem Techcrash nur verlieren. Auch ich hatte zwischenzeitlich einen Verlust von fast 50 Prozent. Und ich habe sogar immer davor gewarnt, wie massiv überbewertet manche Techtitel waren. Aber wenn ich einen reinen Techfonds mit Long-only-Anlagestrategie verwalte, dann kann ich als Fondsmanager nicht einfach aussteigen. Man wird ja von seinen Anlegern dafür bezahlt, dass man einen Großteil weiter in solche Titel investiert. Bei Jan Beckers ist das etwas anders, der spekuliert auch hin und wieder auf fallende Kurse. Aber Thelen und Wood hatten eigentlich keine andere Wahl, als zu investieren. Kritisieren kann man sie trotzdem. 

Inwiefern? 
Ich finde es zum Beispiel grundfalsch, dass Thelen jetzt eine Reihe von neuen Fonds aufsetzt. Bei Wood ist das etwas anderes. Ihren Fonds gibt es seit 2014, und der hat in dieser Zeit immerhin 100 Prozent zugelegt. Auch wenn man mit dem Nasdaq über 200 Prozent gewonnen hätte, konnte man mit Cathy Wood immerhin Geld verdienen. Ich selbst stehe trotz des 2022er Crashs bei durchschnittlich 13 Prozent Gewinn pro Jahr. Frank Thelen ist diesen Beweis noch schuldig. Er sollte überhaupt erst mal beweisen, dass er Geld für seine Anleger verdienen kann, bevor er neue Fonds auflegt. Stand heute steht er nämlich noch 44 Prozent unter seinem Ausgabekurs. 

Versucht er mit den neuen Fonds möglicherweise auch, sein Image zu retten? Jetzt wo die Kurse tiefer stehen, sind die Chancen auf Kursgewinne schließlich höher. 
Es ist das alte Spiel: Man legt fünf Fonds auf und redet am Ende nur noch über den Fonds, der am besten gelaufen ist. Das ist zwar alles legal, aber ich finde es moralisch fragwürdig.  

Laut Thelen gibt es nur wenig Research zu Small und Mid Caps im Technologiebereich, weswegen hier viele Unternehmen unterbewertet seien. Er führt das als Grund an, warum er jetzt auch diese Fondsklasse im Angebot hat. Da hat er doch einen Punkt, oder? 
Ja, die Markineffizienzen sind hier ausgeprägter. Da hat er recht. Es kommt aber drauf an, was er unter Small Caps versteht – wie markteng sie sind. Thelen hat ein Riesenproblem: In dem Moment, wo er anfängt, über diese Titel zu kommunizieren, macht er sich die Kurse selbst. Das ist auch der Grund, warum selbst ich mit meiner Mini-Reichweite nicht über alle Werte in meinem Privatportfolio rede. Sonst könnte selbst ich die Kurse solcher marktenger Titel beeinflussen. Ein Frank Thelen könnte das natürlich noch deutlich stärker. Er könnte sich seine Aufwärtsbewegung quasi selbst schaffen. Langfristig wird das aber nicht gut gehen. 

Deswegen werden doch die Namen erst nach dem Kauf auf der 10xDNA-Website veröffentlicht. Reicht das nicht?
Das finde ich eigentlich das Schlimmste. Wenn dort stehen würde: „Über dieses Unternehmen können wir aufgrund der Marktenge leider nicht kommunizieren“ – dann wäre alles fein. Wenn aber gesagt wird, dass die Namen nach dem Kauf veröffentlicht werden, dann könnte er davon profitieren. Ich will ihm das nicht unterstellen, es hat aber einen Beigeschmack. 

Sie selbst investieren vor allem in Techaktien aus der zweiten und dritten Reihe – zum Beispiel in Pure Storage, Arista Networks oder Interactive Corp. Warum sind diese Unternehmen besser als große Player wie Tesla oder Palantir, zwei wichtige Positionen im 10xDNA-Fonds? 
Ich glaube, dass die Marktineffizienzen bei den Big-Techunternehmen kleiner sind. Und ich traue mir eher zu, die kleinen Unternehmen viel besser zu verstehen und zu bewerten als Werte aus der ersten Reihe. Die sind mitunter unglaublich komplex. Da geht es viel um Storytelling, wenn Microsoft zum Beispiel 10 Mrd. Dollar in ChatGPT steckt – egal, ob es da jetzt ein Geschäftsmodell gibt oder nicht. Durch solche Investitionen verändert sich massiv das Stimmungsbild gegenüber der Microsoft-Aktie, obwohl ich nicht fundamental ablesen kann, was das für Microsoft bedeutet. Bei den Werten aus der zweiten und dritten Reihe traue ich mir das deutlich mehr zu, weil sie bei weitem nicht so komplex sind. Wobei man auch sagen muss: Die Werte, in die ich investiere, sind alles Milliardenunternehmen. Da geht es nicht um den kleinen deutschen Mittelständler, sondern vor allem um Unternehmen aus dem Silicon Valley. 

Dort sind sie gut vernetzt, seit sie Ihre Firma WeWebU 2013 an Alfrescoins Silicon Valley verkauft haben… 
Ja, das hilft mir natürlich bei der Auswahl. Aber ich habe nicht unbedingt eine Vorliebe für das Silicon Valley oder andere Regionen – ich investiere grundsätzlich viel in Amerika. Wer es in den USA an die Börse schafft, hat eine ganz andere Qualität als europäische Unternehmen – wenn man mal von Spacs, also Börsengängen über Mantelgesellschaften, absieht. 

Ist Deutschland in puncto Technologie wirklich so abgeschlagen? 
Das ist kein deutsches Phänomen, sondern ich würde das auf ganz Europa beziehen. Die besten europäischen Softwarefirmen gehen nicht mehr in Frankfurt oder London an die Börse, sondern suchen sich ihr Geld in den USA, und gehen dort später auch an die Wall Street – wie zum Beispiel Elastic aus den Niederlande. 

Ihre Investitionen sind ja keine Geheimtipps. Wer mit über 1 Mrd. Dollar bewertet ist, wird von vielen beobachtet. Wie finden Sie da noch unterbewertete Firmen? 
Ich schaue ganz klassisch auf die Zahlen und profitiere von meiner Vergangenheit in der Softwareindustrie. Ich bin Wirtschaftsmathematiker von Beruf und verstehe mich als Value-Investor. Ich handele also nicht wirklich anders als Peter Lynch oder Warren Buffett – nur, dass Techunternehmen anders bewertet werden müssen.  

Wie meinen Sie das? 
Ich kann zum Beispiel kein Kurs-Gewinn-Verhältnis berechnen, wenn es keinen Gewinn gibt. Das ist bei vielen dieser Techunternehmen so. Sie haben zwar einen positiven Cashflow, aber einen negativen Nettogewinn. Daher muss ich auf andere Zahlen schauen – zum Beispiel auf die Bruttomarge, die „Rule of 40“ und auf die Bewertung. Die Bewertung kann ich aber wie gesagt nicht über das Kurs-Gewinn-Verhältnis vornehmen, sondern zum Beispiel durch Multiples auf den freien Cashflow. 

Schauen wir uns den Techsektor einmal genauer an. Welches Unternehmen finden Sie für ein Investment aktuell besonders spannend? 
Es gibt einige Unternehmen, die ganz offensichtlich unterhalb ihres fairen Werts gehandelt werden. Für mich zählt zum Beispiel Interactive Corp dazu, die bei mir die größte Position ausmacht. IAC ist eine Holding, in der ich die einzelnen Beteiligungen bewerten kann. Da gibt es allein zwei börsennotierte Beteiligungen an MGM und Angi Homeservices, die an der Börse bereits höher bewertet sind als die gesamte IAC. Dazu gibt es noch zahlreiche andere Beteiligungen, die man quasi geschenkt kriegt. Eigentlich müsste sich das in den kommenden Jahren korrigieren. 

Und was halten Sie von Investitionen in Künstliche Intelligenz? 
Tja, ChatGPT hat natürlich einen Hype ausgelöst. Welche Geschäftsmodelle daraus jetzt aber resultieren, ist völlig unklar. Fakt ist: Diese Modelle haben einen enormen Schritt nach vorne gemacht. Auch ich bin von ChatGPT beeindruckt, aber den Google-Killer daraus zu lesen, halte ich für völlig verfrüht – dafür erzählt mir ChatGPT noch zu viele Unwahrheiten. Das Produkt ist aus meiner Sicht nicht marktreif – und zwar bei weitem noch nicht. Ich bin gespannt, wann die breite Öffentlichkeit das auch merkt. Als Investor bin ich beim Thema Künstliche Intelligenz sowieso extrem vorsichtig. Es gibt Firmen wie C3.ai, die sich zuletzt fast verdoppelt haben. Das ist eindeutig ein Hype – und der geht für Anleger normalerweise nach hinten los. 

Ist KI überhaupt ein Geschäftsmodell, wenn eine Abfrage mit der Google-KI „Bard“ knapp fünfmal so viel kostet wie eine normale Suchabfrage über Google? 
Ja, das ist tatsächlich ein Problem, das viele vergessen – und auch einer der Gründe, warum Google das bislang nicht zur Marktreife gebracht hat. Als Investor muss ich mich daher fragen, wer die Schaufelhersteller in diesem „Goldrausch” sind – also, wer die Infrastruktur für KI stellt, wenn wir bald das Dreifache an Bandbreite brauchen. Da ist Arista Networks für mich sehr gut aufgestellt zum Beispiel. Es gibt aber auch noch ein paar mehr und ich glaube, da lohnt es sich hinzugucken. 

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