Es ist nicht ganz ungewöhnlich, dass Unternehmer der wirtschaftsnahen FDP Geld spenden – die 500.000 Euro, die Anfang Juli von einer zehnköpfigen Gruppe an Gründern der Partei zugingen, waren aber dann doch besonders. Öffentlichkeitswirksam via „Bild“-Zeitung und Twitter verkündete „Höhle der Löwen“-Investor Frank Thelen, der die Spender zusammengetrommelt hatte, er wolle damit eine rot-rot-grüne Regierung verhindern – denn die würde „verheerende Folgen für Deutschland“ haben .
Wie das die anderen aus der Spendergruppe sehen und ob sie die Furcht vor einer linksgrünen Koalition teilen, das war bislang nicht bekannt – denn bis auf Thelen und die beiden Gründer Julian Teicke (Wefox) und Tao Tao (Get Your Guide) wollte keiner der Geldgeber öffentlich genannt werden. Nun äußert sich Tao, COO und Mitgründer des Berliner Travel-Tech-Unternehmens Get Your Guide, gegenüber Capital erstmals zur Spendenaktion – und rückt dabei von Frank Thelen ab.
Capital: Herr Tao, wie hat sich die Gruppe eigentlich zusammengefunden?
TAO TAO: Es wird viel darüber gesprochen, wie es um Partei A gegen Partei B geht – Inhalte kommen dabei immer zu kurz. Wichtiger war mir: Was gibt es für interessante Themen? Wer hat spannende Wahlprogramme? Das von der FDP fand ich in puncto Entbürokratisierung, Digitalisierung und weiterer Punkte besonders spannend. Mit gleichgesinnten Unternehmerinnen und Unternehmern haben wir dann überlegt, wie wir solche Ideen im Wahlkampf in den Vordergrund stellen können. Und dann wollten wir den Worten Taten folgen lassen – und haben gespendet.
Und für mächtig Wirbel gesorgt.
Wir hoffen auf einen Wettkampf der Ideen. Deswegen fand ich gut, dass die Debatte auf Twitter eine gewisse Kante hatte und etwas dadurch an Popularität gewonnen hat. Aber jetzt glaube ich, ist es umso wichtiger, dass wir auch die Inhalte nach vorne stellen.
Das wäre wahrscheinlich besser gelungen, wenn Sie alle mit Ihrem Namen zu der Spende gestanden hätten. Warum sind die meisten in der Gruppe anonym geblieben?
Wir wollen die Gründer und Gründerinnen bewusst von ihren Unternehmen trennen. Frank Thelen, Julian Teicke und ich waren bereit, das öffentlich zu machen. Die Gruppe ist aber sehr divers, wir sind Deutsche und Nicht-Deutsche jeglicher politischer Ausrichtung. Nicht alle aus unserer Gruppe sind einer Partei zugewiesen. Viele von uns unterstützen auch noch andere Parteien und haben Mitarbeiter, die andere politische Präferenzen haben. Leider ist die Trennung zwischen dem Unternehmer als Privatperson und als Vertreter seines Unternehmens nicht immer ganz einfach.
Aber Sie können als Trio für die Gruppe sprechen, was die inhaltlichen Ziele angeht?
Wir sehen uns eher als eine Gruppe Gleichgesinnter. Jeder von uns findet gewisse Inhalte der FDP gut. Ich habe zum Beispiel einen ganz anderen Schwerpunkt als Frank Thelen. Für mich sind Themen wie Einwanderung, Digitalisierung oder Bildung wichtig. Frank hat das Thema Klimawandel und Technologieführerschaft angesprochen.
Sehen Sie keinen Widerspruch darin, durch die Spende in der Öffentlichkeit Themen platzieren zu wollen, während ein Großteil der Gruppe anonym bleibt?
Wir wollen uns nicht als Unternehmer nach vorne stellen. Am liebsten wäre uns, alle Leute würden sich die Wahlprogramme durchlesen und auf dieser Grundlage ihre Wahlentscheidung treffen. Das ist aber unrealistisch. Deswegen haben wir gesagt, wir möchten mit dieser Spende ein Augenmerk auf das Wahlprogramm der FDP legen. Punktuell können wir dann ein paar Inhalte aufgreifen und pushen. Gut wäre, wenn alle Parteien unsere Ideen aufgreifen würden. Persönlich stehe ich vor allem für Entbürokratisierung, Digitalisierung, Bildung, Forschung und Immigration. Punkte, die eben dezidiert im Wahlprogramm der FDP stehen.
Schaut man sich die Debatte der vergangenen Wochen an, könnte man meinen, neun Gründer haben Frank Thelen 500.000 Euro dafür gegeben, dass er eine Bühne bekommt, um zu behaupten, eine grün-rot-rote Regierung habe „verheerende Folgen für den Standort Deutschland“. Teilen alle aus der Gruppe diese Aussage?
Für mich geht es nicht darum, gegen eine konkrete Partei zu sein, sondern für etwas, also in erster Linie um Inhalte. Frank ist ein leidenschaftlicher Mensch, der auch eine sehr klare Kante zeigt. Jeder macht das, was er für richtig hält. Und dass Frank durch seine Aussagen sehr viel Reichweite erreicht hat, ist eine Frage der Perspektive. Meine Eltern haben davon beispielsweise nichts mitbekommen. Deshalb glaube ich: Es war ein guter Anstoß zum Spiel. Aber jetzt muss man über Inhalte sprechen.
Glauben Sie, damit die gesamte Startup-Szene zu repräsentieren? Laut einer aktuellen Umfrage des Startup-Monitors setzen die meisten Gründer auf die Grünen.
Wir haben den Luxus, in einem Land zu leben, in dem viele Parteien gute Absichten verfolgen. Der Unterschied liegt in der Priorisierung und im Lösungsansatz. Mich hat überzeugt, dass im FDP-Wahlprogramm Digitalisierung, Entbürokratisierung an vorderster Stelle steht. Das spricht meine persönliche Geschichte an. Da ich aus China komme, bin ich häufig dort. Und wenn ich davon erzähle, dass ich ein Startup in Europa habe, dann wundern die sich, dass es in Europa Startups gibt. Das gleiche sagen sie auch in den USA. Meistens lache ich mit und weine innerlich. Ich bin mit sechs nach Deutschland gekommen und habe die Werte, dem Fußball und das Bier in diesem Land zu lieben gelernt. Deutschland ist mein zuhause. Deswegen mache ich mir auch wirklich Sorgen um unseren zukünftigen Wohlstand. Also, wie sichern wir unsere Wettbewerbsfähigkeit? Wer heute unter 30 ist, wird in Zukunft vor massiven Lasten bei Rentenansprüchen stehen.
Und das wollen Sie mit einer Spende an die FDP lösen?
Wir müssen das Pro-Kopf-Einkommen erhöhen – oder mehr Köpfe ins Land bringen. Deshalb habe ich explizit nach drei Themen in den Parteiprogrammen gesucht: Entbürokratisierung und Digitalisierung, Forschung und Bildung und qualifizierte Zuwanderung. Bei Immigration zum Beispiel geht es vor allem darum, uns selbst zu helfen. Meine Mutter ist vor 35 Jahren hergekommen, um ihre Promotion in Physik zu machen. Und damals hatte sie die Wahl zwischen USA, Deutschland, England, Frankreich und Russland. Sie hat dann an der Freien Universität Berlin ihren Physik-Doktor gemacht. Jetzt stelle ich mir die Frage: Würde meine Mutter sich heutzutage immer noch für Deutschland entscheiden? Wir brauchen die qualifizierte Zuwanderung mehr, als dass die qualifizierten Zuwanderer Deutschland brauchen. Der Ansatz der FDP spricht mich hier am stärksten an.
Sagen Sie das als Gründer Tao Tao oder als Privatmensch Tao Tao?
Im Unternehmen denken wir von Monat zu Monat, Woche zu Woche. In der Politik geht es um Jahre und Jahrzehnte. Wo Deutschland heute steht, positiv und negativ, sind Entscheidungen, die vor zehn bis zwanzig Jahren getroffen worden sind. Wie die Bundestagswahl im September ausgeht, das wird sich auf unser Unternehmen nicht kurzfristig auswirken, vielmehr aber auf unser gesellschaftliches Leben in einem Jahrzehnt. Das sage ich als Privatperson.
Frank Thelen hat das Thema Klimaschutz in den Vordergrund gerückt. Ist das für Sie ein Faktor?
Man muss allen Parteien zugutehalten, dass sie dafür inzwischen ein Konzept haben. Jetzt geht es um die Frage: Was sind die besten Ansätze und Methoden? Als Ökonom befürworte ich eher, die richtigen Rahmenbedingungen und Anreize zu schaffen und Technologien entwickeln. Wir müssen in Deutschland die besten Technologien entwickeln, damit Länder wie China uns nachahmen. Ein Experte in dem Thema bin ich aber nicht.
Das Thema ist Thelen offenbar wichtig. Welches FDP-Thema ist Ihnen denn wichtig, um dafür 50.000 Euro auszugeben?
Die FDP setzt darauf, auch ohne ein Arbeitsplatzangebot Arbeitssuchenden nach Kriterien wie Sprache, Bildungsgrad, Alter und so weiter eine Chance zu geben. Meine Mutter war damals 30, konnte kein Deutsch und hatte keinen Job, sondern nur die Promotionsstelle an der Universität. Jetzt ist sie hier seit 35 Jahren. Das sind die Menschen, die es gilt, nach Deutschland zu holen. Außerdem glaube ich an den wirtschaftlichen Ansatz, Zuwanderung wie Recruiting zu sehen. In der aktuellen Debatte wird Zuwanderung entweder als Hilfemaßnahme oder als Duldung gesehen. Klar, Fluchtsuchende sind ein ganz anderes Thema, denen muss man natürlich Zuflucht gewähren. Für Menschen, die eine freie Wahl haben, müssen wir die Zuwanderung attraktiv gestalten. Als Unternehmer habe ich eine aktive Strategie, in welchen Feldern ich Kompetenz aufbauen muss. In den vergangenen hundert Jahren waren das in Deutschland Felder wie Maschinenbau oder Chemiebranche. Aber das wird in Zukunft anders sein. Da müssen wir uns jetzt überlegen: Wen brauchen wir heute, der in zehn bis zwanzig Jahren zum Wohlstand beiträgt? Wir müssen qualifizierte Zuwanderung als Notwendigkeit für unseren zukünftigen Wohlstand sehen.
Wie sehen die Ideen denn nun konkret aus?
Sogar die Kommunistische Partei China, die gerade 100 Jahre alt wurde, hat verstanden, dass man das Potential jedes einzelnen entfesseln muss, um Wohlstand zu generieren. In Deutschland soll das WLAN in der Deutschen Bahn bis 2026 stehen – wenn man das in China erzählt, dann nennen die uns ein schönes Land, um Urlaub zu verbringen, aber sehen uns nicht als ernsthaften Wettbewerber.
Digitalisierung hin oder her, chinesische Verhältnisse können jetzt nicht das Vorbild für uns als Demokratie sein.
Mir geht es nicht um das politische System Chinas. Das will ich deutlich sagen: Es geht mir hier nicht um die autokratischen Elemente der chinesischen Staatsführung, sondern darum, wie China von westlichen Methoden in Wirtschaftsfragen gelernt hat, weil sie gemerkt haben, dass Planwirtschaft nicht funktioniert. Wir müssen uns wieder auf unsere eigenen Werte zurückbesinnen und mit Digitalisierung und Entbürokratisierung unser volles Potential abrufen. Wir müssen wieder anfangen, unsere Zukunft zu gestalten statt nur die Gegenwart zu verwalten.

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