Es sind keine besonders einfachen Monate für das Bruchsaler Flugtaxi-Start-up Volocopter: Im Frühjahr ging das Geld zur Neige, fast drohte die Insolvenz; der lange geplante und groß angekündigte Flugbetrieb zu den Olympischen Spielen platzte; zuletzt wurde bekannt, dass CEO Dirk Hoke schon nach zwei Jahren den Rückzug antreten wird – Nachfolge offen.
Zumindest an juristischer Front kann das gebeutelte Unternehmen aber nun einen Erfolg verbuchen. Im Streit mit einer Gruppe von Kleinanlegern, die 2013 über Crowdinvesting das Start-up finanziert hatten und 2021 mit einer aus ihrer Sicht mickrigen Verzinsung abgefunden worden waren, hat das Landgericht Karlsruhe alle zehn anhängigen Verfahren im Sinne Volocopters entschieden. Das Unternehmen habe „sämtliche vertraglichen Zahlungsansprüche des Klägers erfüllt“, heißt es in einem der Urteile. „Weitere Ansprüche bestehen nicht.“
Die Investoren haben allerdings vor dem Oberlandesgericht Berufung eingelegt – und würden, so ein Klägervertreter zu Capital, notfalls bis zum Bundesgerichtshof zu ziehen. Volocopter wollte sich auf Anfrage nicht zu den laufenden Verfahren äußern.
Die Berufung begründen die Klägeranwälte damit, dass die Richter die zugrunde liegenden Standardverträge der Plattform Seedmatch nicht ausreichend geprüft hätten. Darin war vereinbart, dass Volocopter die gewährten Darlehen von 2020 an kündigen und mit einer jährlichen Verzinsung von einem Prozent zurückzahlen durfte, sollte die Firma bis dahin weder profitabel sein noch gewinnbringend verkauft oder an die Börse gegangen.
Eine Milliarde wert – oder nicht?
Die Anleger sehen in der Regelung ein Missverhältnis zwischen dem von ihnen eingegangenen Risiko und dem mageren Ertrag – sie hatten auf eine 40-fache Rendite gehofft, als Volocopter 2021 den Börsengang über eine Special-Purpose Acquisition Company (Spac) plante, der letztlich platzte.
Hoffnung machte den Crowd-Investoren im letzten Jahr auch ein ähnlich gelagerter Fall eines ebenfalls über Seedmatch finanzierten Start-ups. Das Landgericht Dresden hatte dabei einem Kleinanleger Recht gegeben – es hielt eine wesentliche Klausel der Crowdinvesting-Verträge für unwirksam.
Im Zentrum steht bei Volocopter auch die Frage, wie gesund und wie hoch bewertet das Unternehmen damals war und heute ist. Nach Darlegung der Investoren rechnete Volocopter schon 2020 intern mit einer Unternehmensbewertung von knapp 1 Mrd. Euro – dem widersprechen die Volocopter-Anwälte: Man habe die Summe „stets als unzutreffend bestritten“. Allerdings kommunizierte Volocopter 2022 selbst öffentlich eine Bewertung über 1,7 Mrd. Dollar.
Zertifizierung erneut verschoben
In ihrer Berufungserwiderung beschreiben die Anwälte der Bruchsaler Firma Volocopter stattdessen als wirtschaftlich angeschlagene Unternehmung: So sei „im Mai 2024 kurzfristig eine Nachfinanzierung des nach wie vor defizitären Unternehmens durch die Bestandsgesellschafter zur Vermeidung einer Insolvenz notwendig“ gewesen. Zwar hatte der bisherige CEO Hoke auch immer wieder von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit gewarnt, derart drastisch war die Lage aber bislang öffentlich nicht beschrieben worden.
Mit der im Frühjahr beschlossenen Nachfinanzierung – laut „Süddeutscher Zeitung“ wird die Summe über mehrere Tranchen bis ins vierte Quartal gestreckt – will Volocopter nun endlich die Zertifizierung seines Flugtaximodells durch die europäischer Flugsicherheitsagentur EASA schaffen. Laut einer Unternehmenssprecherin rechne man damit nun für Anfang 2025.
Die jüngsten Verzögerungen, so heißt es, hätten auch an der „Finanzierungslücke Mitte des Jahres“ gelegen – daher habe man „nicht wie geplant in der Technologieentwicklung vorangehen“ können. Daraus hätte sich zudem eine „Unsicherheit seitens einiger Zulieferer“ ergeben, die wiederum Zeit gekostet habe – auch wenn sich das „inzwischen stabilisiert“ habe. Und nicht zuletzt forderte die EASA das Start-up offenbar auf, „Komponenten nachzubessern (Motor)“. Auch dies sei „auf den Weg gebracht, allerdings kam es hier zu Verzögerungen“.