Das Flugtaxi-Start-up Volocopter hat im vergangenen Jahr fast 150 Mio. Euro Verlust gemacht. Laut dem Jahresabschluss 2023, der Capital vorliegt, belief sich der Jahresfehlbetrag des Bruchsaler Unternehmens auf 146,2 Mio. Euro; 2022 lag der Bilanzverlust mit 136,8 Mio. Euro nur ungleich niedriger. Beide Zahlen waren bislang nicht bekannt. 2021 hatte der Jahresfehlbetrag noch bei 118,6 Mio. Euro gelegen.
Die Summen verdeutlichen, wie groß der Finanzierungsbedarf für das Unternehmen ist, das sich in den vergangenen Monaten erfolglos um eine Unterstützung von Bund oder Ländern bemüht hat. Am Ende halfen bestehende Geldgeber aus – die Summe, die dabei geflossen ist, will Volocopter bislang nicht verraten. Im Capital-Interview hatte CEO Dirk Hoke aber Anfang Mai davon gesprochen, dass „weniger als 75 Mio. Euro reichen“ würden, um das Flugtaxi-Start-up bis zur Musterzulassung der Volocity-Passagierdrohne durch die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA und der Aufnahme eines kommerziellen Flugbetriebs zu finanzieren.
Eine Sprecherin betonte gegenüber Capital, das Funding sei im Rahmen einer Finanzierungsrunde erfolgt, die voraussichtlich bis zum vierten Quartal 2024 andauern werde und die Volocopter „über die EASA-Typenzertifizierung des Volocity hinaus tragen“ werde. Bis zum letzten Funding im Frühjahr hatten Geldgeber Geldgeber wie Blackrock, Intel, Mercedes-Benz und Geely insgesamt etwa 725 Mio. Euro in das Unternehmen gesteckt.
Zu den Geschäftszahlen der Jahre 2022 und 2023 sowie der aktuellen Finanzplanung wollte sich das Unternehmen nicht äußern.
Nur marginale Umsätze
Laut dem vorliegenden Jahresabschluss konnte das Start-up bislang nur marginale Umsätze verzeichnen: 2023 wurden 2,1 Mio. Euro „im Wesentlichen durch den Verkauf einer Drohne zu Testzwecken und Konzernumlagen“ vereinnahmt, 2022 und 2021 waren es jeweils nur etwa 600.000 Euro.
Klar ist: Die Entwicklung eines neuartigen Luftfahrzeugs verschlingt viel Geld, bevor jemals mit relevanten Einnahmen zu rechnen ist. Hoke hat immer wieder betont, dass Volocopter im Vergleich zu anderen Start-ups der Branche sogar vergleichsweise wenig Kapital verbrenne. In der Diskussion um Finanzhilfen von Bund und Ländern warnte der CEO dennoch mehrfach vor einer möglichen Insolvenz.
Zahlen zur Liquidität Volocopters aus dem Geschäftsbericht verdeutlichen die prekäre Lage: Während der Finanzmittelbestand 2022 von 28,9 Mio. Euro auf 178,1 Mio. Euro stieg (in dem Jahr gab es ein Funding aus der Serie-E-Finanzierungsrunde), nahm der Bestand an Finanzmitteln im Folgejahr rapide ab, von 178,1 Mio. Euro auf 63,9 Mio. Euro. Wie hoch die aktuelle „Burn Rate“ – also die Geschwindigkeit, mit der das Unternehmen sein Kapital verbraucht –, ist, wollte Volocopter nicht verraten. Allerdings schaue man wie jedes Start-up „immer auf die Kosten und darauf, in welchen Bereichen eine Konsolidierung sinnvoll“ sei.
Paris-Projekt mit Hindernissen
Ein Sparkurs, der etwa eine Reduktion der Mitarbeiterzahl von aktuell 650 Angestellten umfasst, kündigt sich jedenfalls nicht an: Volocopter habe aktuell 50 Positionen ausgeschrieben. „Wir gehen aktuell durch eine sehr ambitionierte Unternehmensphase in Hinblick auf die operative Validierungsphase im Sommer in Paris und die danach erfolgende Musterzulassung“, heißt es. „Dazu braucht es ein gut aufgestelltes Team.“
Für den lang geplanten Flugbetrieb während der Ende Juli beginnenden Olympischen Spiele in Paris hatte es im Juni endlich grünes Licht vonseiten des französischen Verkehrsministeriums gegeben – vor wenigen Tagen wurde der Beschluss, der sich konkret auf die Inbetriebnahme eines zu einem „Vertiport“ umfunktionierten Lastkahns auf der Seine nahe dem Bahnhof Austerlitz bezieht, im Amtsblatt der Regierung veröffentlicht. Doch nun kündigte die Stadt Paris an – deren Rat schon im November beinahe einstimmig gegen das Vorhaben gestimmt hatte – vor Gericht eine einstweilige Verfügung gegen das Projekt zu beantragen.
Volocopter gibt sich angesichts des erneut aufkommenden Gegenwinds aber unbeirrt: „Unsere Ziele für die kommenden Wochen und Monate sind unverändert: die Zertifizierung und der Flug im Sommer in Paris“, so die Sprecherin. „Wir stehen dazu in regelmäßigem Austausch mit all unseren Partnern. Gleichzeitig spielen eine Vielzahl von Faktoren eine Rolle, nicht alle liegen allein in unserer Hand.“