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Flugtaxis Volocopter bekommt grünes Licht für Testflüge zu Olympia

Der „Volocity“ bei einem Testflug über dem Pariser Geschäftsflughafen Le Bourget 2021
Der „Volocity“ bei einem Testflug über dem Pariser Geschäftsflughafen Le Bourget 2021
© ABACAPRESS / IMAGO
Das deutsche Flugtaxi-Start-up Volocopter darf während der Olympischen Spiele zu Testzwecken fliegen – das haben die Behörden nun entschieden. Es ist nicht die einzige gute Nachricht für das Unternehmen

Das kriselnde Flugtaxi-Start-up Volocopter kann sich über die zweite positive Nachricht innerhalb weniger Tage freuen: Nachdem vergangene Woche bekannt geworden war, dass bestehende Investoren die unmittelbare Finanznot des Unternehmens lindern würden, erlaubt nun der französische Verkehrsminister Patrice Vergriete den lange angekündigten Flugbetrieb während der Olympischen Sommerspiele in Paris. 

Weil die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA die notwendige Typenzulassung bisher nicht erteilt hat, steht schon seit dem Frühjahr fest, dass der eigentlich geplante kommerzielle Betrieb auf mehreren Routen in der Pariser Region nicht stattfinden kann. Zumindest Demonstrationsflüge für VIPs wollten Volocopter und sein Kooperationspartner vor Ort, der Flughafenbetreiber ADP, durchführen – doch dafür fehlte bis jetzt die Genehmigung durch das Verkehrsministerium.

Die hat die Behörde nun offenbar den zweisitzigen Riesendrohnen von Volocopter erteilt. „Wir werden mit dieser Weltneuheit während der Olympischen Spiele experimentieren“, erklärte Ressortchef Vergriete der Zeitung „Le Parisien“. Die Erlaubnis gelte allerdings nur für einen begrenzten Zeitraum und nicht für die breite Öffentlichkeit. „Während der Spiele wird es einige Testflüge geben“, so der Minister. „Wenn wir sehen, dass sie nicht effektiv sind und zu viel Lärm machen, werden wir unsere Konsequenzen ziehen.“ Seiner Ansicht nach seien Flugtaxis aber „ein technologischer Fortschritt, der von Nutzen sein könnte“. 

Die Plattform steht

Konkret bezieht sich die Erlaubnis auf eine der geplanten Flugverbindungen: zwischen dem bestehenden Hubschrauberlandeplatz Issy-les-Moulineaux im Südwesten der Stadt und einem zu einem „Vertiport“ umfunktionierten Lastkahn auf der Seine nahe dem Bahnhof Austerlitz im Südosten. 

Die Kritik daran war massiv: Gegen das Vorhaben hatten sich die staatliche Umweltbehörde, der Pariser Stadtrat sowie eine Reihe von Lokalpolitikern gewehrt; während einer Bürgerbeteiligung gingen mehr als 1700 Eingaben ein, die zu 87 Prozent ablehnend waren, sodass der zur Neutralität verpflichtete Untersuchungskommissar bilanzierte: „Ich bin der Ansicht, dass die potenziellen Gewinne durch das Projekt die zu ertragenden Unannehmlichkeiten nicht rechtfertigen.“

Die Plattform auf der Seine befindet sich inzwischen an ihrer endgültigen Position, die Bauarbeiten dauern noch an
Die Plattform auf der Seine befindet sich inzwischen an ihrer endgültigen Position, die Bauarbeiten dauern noch an
© MAXPPP | Paul Abran / Picture Alliance / dpa

Die Start- und Landeplattform auf der Seine wurde inzwischen an ihre endgültige Position vor dem Kulturzentrum Cité de la Mode et du Design gezogen. Die Kritik daran reißt derweil nicht ab: „Es ist Greenwashing in seiner reinsten Form, ein Transportmittel, das für die Ultrareichen geschaffen wurde, die es eilig haben, weil es nur Platz für einen Fahrgast gibt“, sagte Dan Lert, einer der stellvertretenden Bürgermeister von Paris, der Nachrichtenagentur AFP. Bemängelt wird von den Gegnern auch der Umstand, dass die Region Île-de-France Bau und Betrieb des Vertiports mit einem Millionenbetrag unterstützt – und dass die konservative Regionalpräsidentin Valérie Pécresse von Einwänden nichts wissen will.

Gegenüber der Zeitung „Le Monde“ verteidigte der Flughafenbetreiber ADP das Modellprojekt ebenfalls: „Ohne Experimente ist es schwierig, die legitimen Fragen im Zusammenhang mit dem Projekt zu beantworten“, so CEO Augustin de Romanet. Nur so könne „das technische und kommerzielle Potenzial“ der neuartigen Fluggeräte unter Beweis gestellt werden, ergänzte de Romanets Stellvertreter Edward Arkwright.

Klar ist: Spätestens Ende Dezember muss der Lastkahn wieder zurückgebaut werden, dann endet der Versuchszeitraum. Volocopter hofft bis dann auch die sehnlichst erwartete Typenzulassung von der EASA erhalten zu haben. Laut ADP-Vize Arkwright sei für „Ende September, Anfang Oktober“ die Erlaubnis für Volocopter zu erwarten, auch über bewohnte Gebiete fliegen zu dürfen. 

Überleben fürs erste gesichert

Bis dahin hat das hoch defizitäre Start-up aus dem badischen Bruchsal nun auch seine Finanzierung gesichert, wie vergangene Woche bekannt wurde. Dabei haben bestehende Anteilseigner – zu den Gesellschaftern zählen etwa Blackrock, Intel, Mercedes-Benz und Geely – noch einmal investiert, wie CEO Dirk Hoke gegenüber Capital bestätigte. Man sei daher auch anders als ursprünglich geplant nicht mehr auf der Suche nach einem neuen Mehrheitseigner, der mit einem größeren Betrag das langfristige Überleben hätte sichern können. Hoke hatte immer wieder betont, ohne baldiges Funding könnte Volocopter bald in die Insolvenz rutschen.

Der CEO hatte daher über Monate auch mit der Bundesregierung sowie den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg über eine staatliche Unterstützung verhandelt, allerdings letztlich ohne Erfolg. Laut Hoke war auch dabei eine zusätzliche Unterstützung „über 50 Mio. Euro von den existierenden Investoren zur Absicherung“ des staatlichen Engagements im Gespräch.

Der von Hoke im Capital-Interview in deutlichen Worten („Da darf man sich zumindest wundern“) kritisierte bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger drückte auf Anfrage sein Gefallen an der abgewendeten Pleite aus. „Ich freue mich, dass die privaten Investoren entschieden haben, Volocopter frisches Geld zur Verfügung stellen und damit dem Flugtaxipionier eine Zukunft geben“, so Aiwanger zu Capital. Er machte dabei noch einmal deutlich, dass er eine staatliche Unterstützung weiterhin nicht für eine sinnvolle Idee halte: „Private Investoren können ihre Risiken breiter streuen und sind daher die richtigen Partner für die Finanzierung von Hightech-Startups.“

Trotz der Finanzspritze gilt bei Volocopter derzeit offenbar ein Sparkurs. Man müsse jetzt jeden Euro zweimal umdrehen,  sagte Volocopters Chief Financial & Commercial Officer Christian Bauer dem SWR. Größere Entlassungsrunden seien aber nicht geplant.

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