Exklusiv Investoren rebellieren gegen Flugtaxi-Start-up Volocopter

Ein Blick in die Zukunft: Volocopter-Modell über Paris
Ein Blick in die Zukunft: Volocopter-Modell über Paris
© Cover-Images / IMAGO
Das Flugtaxi-Start-up Volocopter finanzierte sich einst über Crowdfunding. Nun, da die Firma über einen Spac an die Börse gehen könnte, fürchten die Kleinanleger der ersten Stunde, mit Kleckerbeträgen abserviert zu werden

Am 31. März kurz vor Mitternacht verschickt das Flugtaxi-Start-up Volocopter eine Nachricht, die das Fass zum Überlaufen bringt. „Wir freuen uns, gemeinsam mit Ihnen einen Teil der Luftfahrtpioniergeschichte geschrieben zu haben”, schreibt die Geschäftsführung an die 750 Kleinanleger, die die Anfänge der Firma einst per Crowdfunding finanziert hatten. „Geschrieben zu haben“ – das klingt nach einer abgeschlossenen Sache, nach Vergangenheit, nach Trennung.

Der Brief verstärkt damit bei vielen Crowdinvestoren einen Eindruck, den sie schon seit Monaten haben: Sie befürchten, dass Volocopter sie mit Kleckerbeträgen aus dem Unternehmen drängen will, noch bevor der große Exit ansteht. Bei Volocopter gibt es nämlich Pläne, zeitnah mit Hilfe eines Spac-Firmenmantels an die Börse zu gehen. Das berichtete Capital schon im März .

Seit dem Schreiben aus Bruchsal brodelt es hinter den Kulissen. 22 Crowdinvestoren haben einen Brandbrief an Management und Gründer verfasst, der Capital vorliegt. Die bisherige Kommunikation lasse befürchten, „dass Volocopter uns als Ballast abwirft, bevor kommerzielle Höhenflüge beginnen“, heißt es darin. Man fordere deswegen ein klares Bekenntnis zur weiteren Beteiligung der Kleinanleger. Sollte es hart auf hart kommen, erwägt ein Teil der Investorengruppe sogar eine Klage gegen das Start-up.

Der Schwarm finanziert die Anfänge

Volocopter hat seinen Crowdinvestoren viel zu verdanken. Als das Start-up vor mehr als acht Jahren nach einer ersten Finanzierung suchte, hielten viele die Lufttaxi-Idee noch für ein Hirngespinst. Die Chance auf einen Bankkredit seien entsprechend gering gewesen, gestanden die Gründer in einem Interview.

Im November 2013 startete Volocopter – damals noch unter dem Namen e-volo – deswegen eine Kampagne auf der deutschen Crowdfunding-Plattform Seedmatch. Mitgründer Stephan Wolf versprach: „Am Ende werden wir die Investoren gebührend belohnen.“ Die Aussicht, mit Volocopter Luftfahrtgeschichte zu schreiben und dabei noch eine üppige Rendite zu kassieren, überzeugte die Crowd. Innerhalb von drei Tagen erreichte das Startup sein Funding-Ziel von 1,2 Mio. Euro. Die insgesamt 750 Kleinanleger investierten dabei Beträge zwischen 250 und 10.000 Euro.

Dann aber wurde es still um die Crowdinvestoren – während das Start-up seine Lufttaxis zur Serienreife brachte und mehr als 322 Mio. Euro an Kapital von institutionellen Investoren einsammelte. Die Bewertung, die 2013 bei rund 7 Mio. Euro lag, dürfte nach Capital-Informationen auf knapp unter 1 Mrd. Euro gestiegen sein. Kein anderes deutsches Start-up mit Schwarmfinanzierung hat je diese Flughöhe erreicht.

Das Finanzierungsmodell über die „Crowd“ kam in Deutschland vor rund zehn Jahren auf. Hunderte, bisweilen Tausende Menschen finanzieren dabei gemeinsam eine Idee, ein Projekt oder ein Unternehmen. Auf diese Weise können auch jene Start-ups an große Summen kommen, die bei Banken oder Wagniskapitalgebern keine Chance hätten. Volocopter war mit seinen 1,2 Mio. Euro eines der ersten großen Crowdfunding-Projekte in Deutschland. Inzwischen fließen nach Angaben der Plattform Crowdfunding.de rund 300 bis 400 Mio. Euro pro Jahr in die Szene.

Möglicher Exit wirft Fragen auf

Seit März ist es vorbei mit der Ruhe unter den Volocopter-Kleinanlegern. Der Capital-Bericht über einen geplanten Spac-Börsengang machte unter den Anlegern die Runde, die sich nun fragen, wie es nun mit ihrer Beteiligung weitergeht. Denn theoretisch hat das Start-up das Recht, die Kleinanleger noch vor dem Exit loszuwerden: Laut den Seedmatch-Verträgen, die Capital einsehen konnte, kann Volocopter den Crowd-Investoren bis zum Stichtag 30. Juni einseitig kündigen, weil die Mindestlaufzeit ihrer Darlehensverträge abgelaufen ist.

Wie bei den meisten Crowdfunding-Projekten sind die Anleger bei Volocopter über sogenannte partiarische Darlehen beteiligt. Damit erhalten sie das Recht auf eine Erfolgsbeteiligung und werden zum Vertragsende ausbezahlt. Echte Gesellschafteranteile, wie sie professionelle Wagniskapitalgeber erhalten, bekommen sie hingegen nicht.

Das Problem im Fall von Volocopter: Auch nach mehr als acht Jahren erwirtschaftet das Flugtaxi-Startup keine Gewinne. Die Erfolgsbeteiligung in Höhe von 0,0036 Prozent pro Anteil läge dementsprechend bei null. Laut Vertrag stünde den Investoren im Falle eines Exits zudem noch ein Bonuszins zu. Ob die Investoren dann noch an Bord sind, ist aufgrund der Kündigungsfrist im Juni allerdings ungewiss.

Zu einer möglichen Kündigung äußerte sich Volocopter bisher nicht eindeutig. Das Start-up verwies für den Fall einer Kündigung lediglich auf die vertraglich vereinbarte Standardverzinsung von einem Prozent pro Jahr, die die Investoren in jedem Fall bekämen. Das sei immerhin „über dem durchschnittlichen Zinsniveau der letzten fünf Jahre“.

„Ein fatales Signal an alle Crowd-Investoren”

Im Gespräch mit Capital schildern mehrere Kleinanleger, wie Volocopter sie seit Monaten hinhalte. Einer davon ist Kai Thierhoff (53), Inhaber einer Kölner Start-up-Beratungsfirma. „Wir sind diejenigen, die den Erfolg von Volocopter mit unserer Anschubfinanzierung erst möglich gemacht haben“, betont Thierhoff. „Wenn das Unternehmen uns jetzt mit einem Prozent Rendite abspeist, wäre das ein Schlag gegen die Gründerszene in Deutschland und ein fatales Signal an alle Crowd-Investoren.“

Er ist mit seinem Unmut nicht allein. Auch im internen Investor-Relations-Bereich bei Seedmatch ist die Stimmung aufgeheizt. „Als Seedmatch-Investor ist man echt nur 'ne Melkkuh“, schimpft ein Kleinanleger. Ein anderer befürchtet: „Und ich Trottel habe hier noch 1.000 Euro von/für meinen Sohn angelegt. Damit bekommt er nicht mal einen Freiflug.“

Capital hat sowohl Volocopter als auch den Betreiber der Crowdfunding-Plattform Seedmatch, das Dresdner Fintech Onecrowd, mit den Vorwürfen konfrontiert. Ein Gespräch verweigerten beide Unternehmen. Zur möglichen Kündigung der Seedmatch-Verträge heißt es in einem gemeinsamen Statement lediglich, man arbeite „gemeinsam an einer attraktiven Lösung, um die Seedmatch-Investoren am weiteren Erfolg des Unternehmens teilhaben zu lassen“. Diese Lösung erfordere „die Zustimmung öffentlicher Stellen, die bereits beantragt“ sei – dem Vernehmen nach handelt es sich dabei um das lokal zuständige Finanzamt. „Sofern und sobald“ die Zustimmung vorliege, wolle man sich „mit einem sehr fairen Angebot an die Seedmatch-Investoren wenden“.

Für alle Beteiligten steht derzeit viel auf dem Spiel: Die Kleinanleger bangen um ihre Rendite. Volocopter droht ein Imageschaden. Und für Seedmatch könnte der Ausgang des Konflikts sogar geschäftsgefährdend werden. Die Plattform wirbt auf seiner Webseite mit einer „attraktiven Rendite von durchschnittlich 16 Prozent per annum” und bebildert das Versprechen mit einer Illustration einer Volocopter-Flotte über der Skyline von New York. Sollte sich ausgerechnet das Flugtaxi-Startup als Reinfall erweisen, verlöre Seedmatch sein Aushängeschild.

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