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Brexit Wie Corbyn und Johnson im Wahlkampf flunkern

Einer wird gewinnen: Premier Boris Johnson oder Labour-Chef Jeremy Corbyn
Einer wird gewinnen: Premier Boris Johnson oder Labour-Chef Jeremy Corbyn
© dpa
Heute wird in Großbritannien gewählt. Im Wahlkampf um das britische Unterhaus kämpften die Spitzenkandidaten Johnson und Corbyn mit allen Mitteln um Stimmen

Am heutigen Donnerstag wählt Großbritannien in den vorgezogenen Unterhauswahlen ein neues Parlament. Zwischen den Spitzenkandidaten Boris Johnson und Jeremy Corbyn entwickelt sich der Wahlkampf dabei immer weiter zur Schlammschlacht.

Als jüngstes Beispiel gilt das TV-Duell zwischen Johnson und Corbyn am Freitag vor der Wahl, als beide einander Führungsversagen vorwarfen: Johnson führte dafür an, dass Corbyn den Antisemitismus in seiner Partei noch immer nicht ausgeräumt habe. Corbyn verwies dagegen auf Johnsons rassistische Bemerkungen.

Auch der Brexit dient immer wieder als Anlass für einen Schlagabtausch. Johnson profitiert dabei von Corbyns neutraler Haltung rund um den EU-Austritt. Anstatt eines Austritts um jeden Preis, will der Labour-Chef den Brexit weiter hinauszögern und erwägt ein Referendum über ein künftig ausgehandeltes Austrittsabkommen. Während sich Johnson mit seiner Kampagne „Get Brexit done“ dem geplanten Austritt verschreibt , würde Corbyn die Brexit-Anhänger unter seinen Wählern mit dieser Strategie „betrügen“ , so der britische Premierminister.

Corbyn will Johnsons Lügen durch Leaks enttarnt haben

Corbyn setzt in seinem Wahlkampf dagegen auf Johnsons Unehrlichkeit des Premierministers. Kurz vor dem TV-Duell am 6. Dezember stellte der Labour-Chef ein angeblich offizielles Regierungsdokument vor. Es solle beweisen, dass Johnson über den Brexit-Deal lüge und die tatsächlichen wirtschaftlichen Folgen verschweige. Anders als von Johnson angekündigt, spreche das Dokument nämlich sehr wohl von Kontrollen und Zöllen an der Grenze zwischen Großbritannien und Nordirland nach dem Brexit.

Schon zuvor hatte Corbyn sich auf geheime Dokumente berufen, die Johnson Glaubwürdigkeit infrage stellen sollten. Ende November hatte der Labour-Chef von geheimen Handelsdokumenten gesprochen, die online durchgesickert waren. Diese zeigte, dass Johnson versuche den nationalen Gesundheitsdienst NHS in einem möglichen Handelsabkommens mit den USA zum Verkauf anzubieten. Medienberichten zufolge ähneln die Dokumente einer früheren russischen Desinformationskampagne. Johnson und die Tories wiesen Corbyns Anschuldigungen bei beiden Dokumenten unmittelbar zurück. Der stellvertretende Parteichef der Tories, James Cleverly, warf Corbyn dagegen „wilde Verschwörungstheorien“ vor.

Der Vorwurf von Lügen und Unehrlichkeit zieht sich seitdem wie ein roter Faden durch den Wahlkampf – und auch durch die TV-Duelle. Auch die Debatte am vergangenen Freitag diente Spitzenkandidaten für ihre Vorwürfe. Für Anlass bei Streitigkeiten sorgte dabei vor allem der NHS, der schon seit dem Referendum eng mit dem Brexit verknüpft ist.

Vorwürfe und Übetreibungen im TV-Duell

2016 hatten Johnson und einige Brexit-Anhänger behauptet, Großbritannien würde jede Woche 350 Mio. britische Pfund an die EU zahlen. Stattdessen solle man das Geld lieber in den maroden NHS investieren, der durch die Sparpolitik der Konservativen unter Cameron in Mitleidenschaft gezogen worden war. Getreu dieser Forderung versprach Johnson am Freitag bis 2024 34 Mrd. britische Pfund für den NHS. Ihm zufolge sei das die „größte Finanzspritze“ seit der Jahrtausendwende. Laut der britischen Fact-Checking-Plattform Fullfact beläuft sich die Inflations-bereinigte Summe allerdings nur noch auf 20,5 Mrd. britische Pfund und ist damit kleiner als die Finanzspritzen vor 19 und vor 15 Jahren.

Corbyn warf den Konservativen schließlich vor, den Bau von 40 Krankenhäusern versprochen zu haben, dagegen würden nun aber lediglich sechs bestehende Krankenhäuser ausgebaut. Fullfact betont dagegen , dass aktuell zwar nur sechs Krankenhäuser Geld für Bauarbeiten bekämen. Allerdings sollen zwischen 2025 und 2030 Bauarbeiten in 38 weiteren Krankenhäusern stattfinden.

Johnson holte schließlich zum Gegenschlag aus und warf der Labour-Partei vor, sie würde Ausgaben von 1,2 Bio. britischer Pfund planen. Für den Steuerzahler würde das Steuerbelastungen von 2400 britische Pfund pro Kopf bedeuten. Problematisch ist diese Zahl gleich in vielfacher Hinsicht, kritisiert Fullfact . Einerseits sei die Summe nicht auf ein Jahr, sondern auf eine Legislaturperiode von fünf Jahren zu rechnen. Zudem sieht das Labour-Wahlprogramm keine Steuererhöhungen zur Gegenfinanzierung vor. Zuletzt entsprächen die 2400 britischen Pfund dem Fall, in dem alle Steuerzahler ungeachtet ihres Einkommens den gleichen Steuerbetrag zahlen.

Noch während des TV-Duells deutete Moderator Nick Robinson an, die Wähler stünden vor der Wahl zwischen zwei unpopulären und unglaubwürdigen Parteichefs. Diese Einschätzung spiegelt sich auch in den Umfragewerten: Zwar entschied Johnson die TV-Debatte laut Meinungsforschungsinstitut YouGov mit 52 Prozent knapp für sich. Der Ausgang der Wahl gilt jedoch weiterhin als unsicher – trotz des Vorsprungs der Tories in bisherigen Umfragen.

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