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Truss-Rücktritt Eine kurze, katastrophale Amtszeit

Liz Truss bei der Verkündung ihres Rücktritts
Liz Truss bei der Verkündung ihres Rücktritts
© IMAGO / ZUMA Wire
Liz Truss wird in die britische Geschichte eingehen, als Premierministerin mit der kürzesten Amtszeit. Der Grund: Sie hatte einige einfache Wahrheiten ignoriert, kommentiert die „Financial Times“

Die kurze, katastrophale Amtszeit von Liz Truss ist nach nur 44 Tagen zu Ende gegangen – und damit rund 20 Tage zu spät. Sie wird als Großbritanniens Premierministerin mit der kürzesten Amtszeit in die Geschichte eingehen. Nicht einmal diejenigen, die vorausgesagt haben, dass ihre Amtszeit schief gehen würde, hätten sich erträumen lassen, dass sie so schnell und katastrophal scheitern würde.

Die letzten Tage haben gezeigt, dass Truss einfach nicht in der Lage war, die Kontrolle über ihre Regierung wiederzuerlangen, nachdem der ideologiegetriebene „Mini“-Haushalt, der die Märkte erschüttert und die Renditen der Staatsanleihen in die Höhe getrieben hatte, als Scherbenhaufen endete. Den Preis für diese Fehler werden die britischen Bürger zahlen, von denen viele am Ende schlechter dastehen werden als vor ihrem Steuersenkungshaushalt. Auch die politische Stabilität hat Schaden genommen. Großbritannien wird bald drei Premierminister innerhalb von zwei Monaten gehabt haben.

Wie geht es weiter? Das Einzige, was man mit ziemlicher Sicherheit sagen kann, ist, dass es keine Parlamentswahlen geben wird. Es gibt gute moralische Argumente für Neuwahlen – doch die Furcht davor ist unter den Konservativen, die in den Umfragen bei etwa 20 Prozent liegen, der derzeit vermutlich einzige einigende Faktor. Neutrale Beobachter könnten sich berechtigterweise fragen, warum man den Leuten, die Truss gewählt haben, zutraut, ihren Nachfolger zu wählen – aber sie werden es trotzdem tun. Spätestens am kommenden Freitag wird es einen neuen konservativen Premierminister geben.

Kann irgendjemand die Tories führen?

Es stellt sich auch die Frage, ob irgendein Kandidat die dringend benötigte politische Stabilität liefern kann. Es ist fraglich, ob irgendjemand in der Lage ist, die Tories zu führen – eine Partei voller Streit und Intrigen, deren nächster Vorsitzender eine Reihe unpopulärer Maßnahmen wird durchsetzen müssen.

Die Abgeordneten hofften, dass sich ein gemeinsamer Kandidat herausschälen würde, aber es ist schwer vorstellbar, dass dies ohne eine parteiinterne Vorwahl funktionieren könnte. Offiziell werden die Mitglieder das letzte Wort in einer Abstimmung haben, vermutlich online. Viele Abgeordnete hoffen jedoch, dass der Verlierer der vorgelagerten Fraktionsbefragung von alleine aufgeben und so eine Krönung des Siegers ermöglichen würde ohne die Parteimitglieder aufzumischen.

Die logische Wahl ist Rishi Sunak, der ehemalige Finanzminister und Zweitplatzierte im Rennen mit Truss. Er hatte vor den Gefahren ihrer ungedeckten Steuersenkungen gewarnt und kann sich glücklich schätzen, dass er in Rekordzeit Recht behalten sollte. Eine erste Meinungsumfrage unter den Mitgliedern deutet darauf hin, dass sie die Größe haben könnten, ihren Fehler anzuerkennen und nun korrigieren zu wollen.

Doch Sunak ist bei der Parteirechten und vor allem bei denjenigen, die noch eine gewisse Loyalität zu Boris Johnson hegen und Sunak zu Unrecht die Schuld am Sturz ihres früheren Parteichefs geben, nach wie vor weithin unbeliebt. Wie die letzte Wahl gezeigt hat, hat er seine eigenen politischen Schwächen, aber wenn die erste Aufgabe darin besteht, den Märkten und der Welt zu versichern, dass das Vereinigte Königreich wieder ernst genommen werden will, wäre er die logische Option.

Der Joker ist Boris Johnson

Von den anderen etablierten Kandidaten besteht Jeremy Hunt darauf, dass er Schatzkanzler bleiben möchte, um die neue Finanzstrategie leiten zu können. Er hat bereits für eine gewisse Stabilität in der Wirtschaft gesorgt, und die Abgeordneten und die Märkte werden hoffen, dass sich alle Kandidaten dafür einsetzen, dass er im Amt bleibt. Penny Mordaunt, die Präsidentin des Unterhauses und drittplatzierte Kandidatin beim letzten Mal, bemüht sich nach Kräften, die Kandidatin der Einheit zu werden. Sie ist eine Brexit-Befürworterin und persönlich in der Partei beliebt, aber viele Tories bezweifeln, dass sie die nötige Ernsthaftigkeit für die Situation hat, in der sich das Land befindet. Eine weitere Kandidatin könnte Suella Braverman sein, die gestern als Innenministerin zurücktrat, weil sie eine strenge Begrenzung der Einwanderung forderte. Sie wird sich als Kandidatin der Rechten und der reinen Brexit-Befürworter positionieren.

Der eigentliche Joker ist jedoch Johnson. Er hat zumindest das Verdienst, dass er einst gewählt worden war – und dass er mutmaßlich die einzige Person sein könnte, die eine erfolgreiche Wählerkoalition zusammenbringen könnte. Es gibt genügend Tory-Abgeordnete, die seine Rückkehr in Erwägung ziehen. Nicht zu vergessen, dass Johnson seinen letzten Auftritt im Unterhaus mit den Worten „Hasta la vista“ beendete.

Vieles wird von den Nominierungsschwellen abhängen, die die Hinterbänkler im 1922 Committee festlegen werden. Schon jetzt werden sie gedrängt, diese so hoch anzusetzen, dass nicht mehr als zwei oder drei Kandidaten kandidieren können. In diesem Fall werden diejenigen, die entschlossen sind, Sunak zu stoppen, gezwungen sein, sich um einen brauchbaren Konkurrenten zu scharen, sehr wahrscheinlich Mordaunt.

Die Wirtschaft gewinnt immer – das vergaß Truss

Truss ist gescheitert, weil sie drei grundlegende Lektionen vergessen hatte. Erstens: Die Wirtschaft gewinnt am Ende immer. Man kann der finanziellen Schwerkraft eine Zeit lang trotzen, aber man kann sie nicht abschaffen. Sie gelangte an die Parteiführung, indem sie so tat, als würden die Regeln nicht gelten. Seit dem Brexit sind viele Konservative davon überzeugt, dass sie es besser wissen als die Experten. Truss hat dies in hohem Maße geglaubt. Das Finanzministerium, die Bank von England, die Märkte – sie alle hätten von einer Führungspersönlichkeit, die nur den nötigen Mut dazu mitbringen würde, herausgefordert werden können. Die Partei und das Land wurden auf schmerzhafte Weise daran erinnert, dass dies nicht der Fall war.

Zweitens: Ideologie ist wertlos im Vakuum. Was auch immer der theoretische Wert einer bestimmten Idee sein mag, sie ist ohne Nutzen und oft gefährlich, wenn sie nicht mit den Umständen in Einklang gebracht wird. Es gab durchaus respektable Argumente für Truss' Wachstums- und Steuersenkungsprogramm, aber nicht in diesem Moment.

Drittens: Jeder Premierminister muss für seine Partei einstehen. Sie hat sich unnötigerweise Feinde gemacht, indem sie alle hochrangigen Kollegen, die Sunak unterstützt hatten, ausschloss, selbst diejenigen, die sie unterstützt hätten, wenn sie sie in ihr Lager gelassen hätte. Die Folge: Sobald sie in Schwierigkeiten geriet, sah sie sich einer parteiinternen Opposition gegenüber.

Es gibt noch einen letzten Punkt. Johnson, Truss und ihre Verbündeten auf der rechten Tory-Seite haben Kritiker routinemäßig als Pessimisten und Untergangspropheten denunziert, die das Vereinigte Königreich schlechtreden wollten. In Wirklichkeit sind sie es, die die Wirtschaft des Landes heruntergewirtschaftet und dem Ruf Großbritanniens geschadet haben.

Copyright The Financial Times Limited 2022

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