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Kolumne Was 3D-Druck mit Entwicklungspolitik zu tun hat

Benedikt Herles
Benedikt Herles
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Technologien wie der 3D-Druck krempeln die Wirtschaft um. Für Schwellen- und Entwicklungsländer wird das zum Problem. Benedikt Herles über die Folgen des sogenannten Reshoring

Der Name lässt es erahnen. Das Start-up Desktop Metal hat sich dem 3D-Druck von metallischen Teilen verschrieben. Dafür konnte das im Großraum Boston beheimatete Unternehmen bereits 277 Mio. Dollar Risikokapital einsammeln – unter anderem von Ford und GV, dem Investmentarm der Google-Mutter Alphabet. 2015 von Pionieren der Branche gegründet, hat Desktop Metal eine Verfahrenstechnologie entwickelt, die nach eigenen Angaben bis zu hundertmal schneller und zwanzigmal günstiger als bestehende Systeme arbeitet. Letztere verwenden meist Laser. In den Automaten von Desktop Metal wird dagegen Metallstaub gezielt gebunden und anschließend in einer Art Ofen gebacken. So wird der Druck skalierbar und effizient. Investor Ford kann davon träumen, auf diese Weise bald schon ganze Autokarosserien zu fabrizieren.

Firmen wie Desktop Metal zeigen: Der 3D-Druck wird die Industrie von morgen maßgeblich prägen. Gepaart mit immer smarteren Maschinen und anderen Prozessinnovationen wird er extrem produktive und voll automatisierte Fabriken hervorbringen – wenngleich nur in wohlhabenden Nationen.

Zu Ende gedacht...

Diese Woche trifft man sich beim World Economic Forum in Davos unter dem Motto: „Globalization 4.0: Shaping a New Architecture in the Age of the Fourth Industrial Revolution“. Eine weise gewählte Überschrift. Denn es könnte sein, dass die Epoche der physischen Globalisierung, der weltumspannenden Wertschöpfungs- und Logistikketten eine kurze Episode der Geschichte bleibt.

Benedikt Herles Buch "Zukunftsblick" ist im Droemer Verlag erschienen
Benedikt Herles Buch "Zukunftsblind" ist im Droemer Verlag erschienen

Berücksichtigt man Faktoren wie Transportkosten oder Liefersicherheit, verlieren in der schönen neuen Fertigungswelt viele Billiglohnländer massiv an Attraktivität. Das Resultat wird eine Welle der industriellen Heimkehr sein. Ökonomen sprechen vom sogenannten Reshoring. Es ist das Gegenteil des in den letzten Jahrzehnten viel diskutierten „Offshoring“, also der Auslagerung von betrieblichen Tätigkeiten ins Ausland. Die Logistikindustrie sollte sich besser schnell etwas einfallen lassen. Technologische Revolutionen machen viele Containerschiffe und Cargo-Flugzeuge obsolet.

Reshoring schont Umwelt und Ressourcen. Es ist natürlich vernünftig, Güter dort zu produzieren, wo sie gekauft oder weiterverarbeitet werden. Aber aus Sicht der Schwellen- und Entwicklungsländer ist das Phänomen anders zu beurteilen. Denn Technologie ersetzt günstige Offshore-Arbeit und könnte hunderte Millionen Familien die Existenzgrundlage kosten.

Der technologische Wandel ist zu großen Teilen mitverantwortlich für ein unheilvolles Phänomen, das der Harvard-Professor Dani Rodrik als sogenannte Premature Deindustrialization bezeichnet. Prozesse der Deindustrialisierung sind eigentlich Ausdruck höherer ökonomischer Reife. Sie fanden lange nur in entwickelten Volkswirtschaften statt. Auf dem Weg zu einer service- und wissensbasierten Ökonomie werden dabei Arbeitsplätze in der Fertigung zugunsten anderer Sektoren abgebaut. So erreichte der Anteil der Produktion an der gesamten Beschäftigung in den USA 1953 seinen Höhepunkt, in Großbritannien im Jahr 1961. Seither nimmt er kontinuierlich ab.

Zunehmende Industrialisierung war dagegen ein Zeichen von Fortschritt in unterentwickelten Ökonomien. Im letzten Jahrhundert fanden genau jene Nationen Anschluss an die westliche Welt, die es schafften, eine industrielle Fertigung aufzubauen. Umgekehrt gilt jedoch: Ohne Geburt einer eigenen Industrie ist kein Land je der Armut entflohen. Ausnahmen bilden lediglich Staaten mit signifikanten Rohstoffvorkommen.

Seit einiger Zeit lässt sich in vielen Entwicklungsländern eine verfrühte Deindustrialisierung beobachten. Das heißt: Der Beschäftigungsanteil des produzierenden Gewerbes sinkt bereits wieder, bevor das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf auf ein Niveau von etablierten Industrienationen steigen kann. Indien erreichte schon im Jahr 2001 seinen industriellen Klimax, Indonesien im Jahr 2002, und das bei erschreckend niedriger Wirtschaftsleistung pro Einwohner.

Der industrielle Zug der Hoffnung scheint für viele Regionen der Welt bereits abgefahren zu sein, bevor er jemals eintreffen konnte. Manch armes Land wird es schwer haben, überhaupt jemals ein nennenswertes produzierendes Gewerbe und damit Wohlstand aufzubauen. Gefragt wären also völlig neue volkswirtschaftliche Wachstumsmodelle. Die Entwicklungspolitik sollte sich in Zeiten der Industrie 4.0 etwas einfallen lassen. Das World Economic Forum könnte einen Anfang machen. Action required!

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