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Bernd Ziesemer Wenn der Rubel nicht mehr rollt

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Putins Exporteinnahmen sinken massiv, seine Kriegskasse leidet schwer. Auch die Chinesen können oder wollen nicht helfen

Wladimir Putin macht alles, was in seiner Macht steht, um die Preise für Erdöl und Erdgas nach oben zu treiben. In der letzten Woche verkündete Russland eine weitere Kürzung seiner Erdölexporte um 500.000 Barrel pro Tag – zusätzlich zur gleichen Menge, die seit März nicht mehr auf den globalen Markt kommt. Obwohl die Saudis ebenfalls ihr Angebot verringern, reagierte der Erdölpreis nur mit einem winzigen Plus von 1,6 Prozent auf die Ankündigungen der beiden wichtigsten Förderländer der Welt. Schlimmer noch für Putin: Es gelingt den Russen nicht, die Preislücke zwischen ihrer Sorte Urals und dem Nordseeöl Brent zu schließen. Auf den Märkten zahlten die Abnehmer im Juni durchschnittlich rund 55 Dollar pro Barrel, mehr als 20 Dollar weniger als für die Sorte Brent und rund 30 Dollar weniger als vor einem Jahr.

Noch düsterer sieht es für Putin beim Erdgas aus: In den ersten sechs Monaten dieses Jahres lagen die Exporteinnahmen in diesem Bereich um fast die Hälfte niedriger. Seit das russische Erdgas nur noch in äußerst geringen Mengen Richtung Westeuropa fließt, sucht Putin verzweifelt neue Absatzkanäle. Doch eine Lösung ist nicht in Sicht. Sein wichtigstes Pipeline-Projekt mit dem Namen Power of Siberia 2 kommt nicht voran. Der Kreml-Herrscher möchte das Erdgas aus den Feldern auf der Halbinsel Jamal, das bis zum Überfall auf die Ukraine Westeuropa versorgte, nach China umlenken. Doch Putins wichtigster globaler Verbündeter zögert den Bau des Milliardensystems durch eine hinhaltende Verhandlungstaktik immer weiter hinaus. Experten gehen davon aus, dass es dabei nicht nur die Frage geht, wer die Pipelines am Ende bezahlt. Offenbar zögern die Chinesen auch, sich bei Energielieferungen in die einseitige Abhängigkeit von einem Land zu begeben, das machtpolitisch alles andere als stabil ist.

Die sinkenden Einnahmen aus dem Export von Erdöl und Erdgas drücken schwer auf den russischen Staatshaushalt und die gesamte Volkswirtschaft. Die Folgen sind bereits zu beobachten: Der Rubel-Kurs fällt und die Inflation steigt. Die russische Währung gibt seit September letzten Jahres immer weiter nach. Inzwischen müssen die Russen 100 Rubel für einen Euro auf den Tisch legen. Als die Erdöl- und Erdgaseinnahmen noch sprudelten, waren es weniger als 80 Rubel. Nach einem gewaltigen Inflationsschub direkt nach dem Überfall auf die Ukraine lag die Geldentwertung im Inneren Russlands zuletzt sehr niedrig. Die Zentralbank hielt die Geldwertstabilität mit hohen Zinsen stabil. Doch jetzt mehren sich die Zeichen, dass die Inflation wieder stark anzieht.

Unzufriedenheit wächst

In Russland herrscht Kriegswirtschaft. Die Bedürfnisse der Front gehen immer vor. Doch bisher blieben die Belastungen der Bürger trotzdem relativ gering. Das könnte sich nun ändern. Schon jetzt beobachten die Russen genau, in welche Richtung ihr Rubel rollt. Putins Propaganda nutzte den relativ starken Rubel nach Kriegsbeginn, um den Russen das Bild einer „völlig normalen“ wirtschaftlichen Entwicklung vorzugaukeln und das Scheitern westlicher Sanktionen zu behaupten. Nun funktioniert das nicht mehr. Die Unzufriedenheit wächst. Und das zu einer Zeit, in der Putins Regime deutliche Risse zeigt und sein Widersacher Jewgeni Prigoschin durchs Land reist, als ob nichts geschehen wäre.   

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