Noch tobt der Krieg gegen die Ukraine mit voller Härte, jeden Tag sterben Hunderte von Menschen. Klar aber ist: Russland kann den Krieg nicht mehr gewinnen, die Niederlage Wladimir Putins ist nur noch eine Frage der Zeit. Deshalb muss die EU ihre Vorbereitungen für den Wiederaufbau der Ukraine schon jetzt massiv verstärken. Und dabei auch die Frage beantworten, was mit den eingefrorenen Geldern des Diktators auf europäischen Konten am Ende passieren soll.
Allein die eingefrorenen Guthaben der russischen Zentralbank in der EU liegen offenbar bei rund 200 Mrd. Euro, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg in der letzten Woche unter Berufung auf die Kommission in Brüssel meldete. In den übrigen G7-Ländern liegt noch mehr Geld, an das Putin nicht mehr herankommt. Das alles hört sich gewaltig an, deckt aber kaum ein Drittel der unmittelbaren Schäden in der Ukraine. Und bisher fehlt die finale juristische Klärung, wie man die Guthaben für den Wiederaufbau nutzen könnte – und ob sich die G7-Staaten am Ende überhaupt politisch darauf einigen können.
Völkerrechtlich kann kein Zweifel daran bestehen, dass Russland Reparationen zahlen muss. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen stimmte mit großer Mehrheit im vergangenen November für eine Resolution, die den Aggressor für alle Schäden in der Ukraine haftbar macht. In Den Haag entsteht auf Beschluss des Europarats gegenwärtig ein detailliertes Schadensregister. Noch aber gibt es viel Streit über die Frage, ob der Westen den Milliardenschatz Putins schon jetzt einfach beschlagnahmen kann oder nicht. Dabei spielen neben vielen juristischen Fragen auch wirtschaftliche Überlegungen eine Rolle: Was bedeutet es für den Euro und den Dollar, wenn sich die Zentralbanken von Drittländern künftig nicht mehr sicher sein können, was in Konfliktfällen mit ihren Devisenreserven passiert?
Abschreckung für künftige Aggressoren
Niemand kann heute sagen, ob der Krieg mit einem umfassenden Friedensvertrag endet oder nicht, der auch die Frage von Reparationen klärt. Möglicherweise zieht sich Russland irgendwann zurück und Putin kann sein Regime an der Macht halten. Auch in diesem Fall muss der Westen das Land für die Kriegsschäden haftbar machen – auch gegen den Willen der russischen Regierung. Es bliebe dann nur die Möglichkeit, die Auslandsguthaben Russlands einzuziehen und in einen Fonds für den Wiederaufbau einzuzahlen. Es wäre geradezu absurd, wenn die Ukraine und der Westen allein die finanziellen Lasten tragen müssten.
Es geht bei russischen Reparationen auch um einen Abschreckungseffekt gegen künftige Aggressionen – zum Beispiel einen chinesischen Angriff auf Taiwan. In erster Linie geht es natürlich darum, einem möglichen Aggressor die militärischen Kosten seines Vorgehens klarzumachen. Aber der Westen hat nach der Niederlage Putins auch die Chance, kriegslüsternen Staaten eine klare finanzielle Botschaft zu senden: Am Ende müsst Ihr für das Unheil, das ihr anrichtet, selbst zahlen. Bisher hat sich noch nach jedem großen Krieg das internationale Recht fortentwickelt – man denke nur an die Nürnberger Prozesse, die „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ als juristischen Begriff definierten. Ähnlich könnte es auch nach Putins Krieg kommen in Reparationsfragen.