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Konjunktur Was Ökonomen für die Wirtschaft 2021 vorhersagen

Ein großer Teil des Umsatzes, der im stationären Einzelhandel fehlt, dürfte in den Onlinehandel abwandern.
Ein großer Teil des Umsatzes, der im stationären Einzelhandel fehlt, dürfte in den Onlinehandel abwandern.
© IMAGO / Future Image
Die zweite Welle der Corona-Pandemie hat die deutsche Wirtschaft fest im Griff. Welche wirtschaftlichen Folgen erwarten uns im kommenden Jahr und wie schnell wird sich die Wirtschaft erholen?

Die Ökonomen sind sich einig: Der wohl wichtigste Faktor für die konjunkturelle Entwicklung 2021 ist der weitere Verlauf der Corona-Pandemie. „Das ist die zentrale Unbekannte für das kommende Jahr“, sagt Timo Wollmershäuser, Leiter der Konjunkturforschung und -prognosen am ifo Institut. Natürlich stehe der Brexit an und es komme ein neuer US-Präsident, der die Weltwirtschaft maßgeblich beeinflussen könne. „Aber diese Dinge stehen hinten an“, so Wollmershäuser.

Der wichtigste Einflussfaktor sei das Infektionsgeschehen, sagt auch Oliver Holtemöller, stellvertretender Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Davon hänge letztendlich ab, wie sich die Konjunktur im kommenden Jahr entwickle: „Solange die Epidemie vorherrscht und neue Lockdowns immer eine Möglichkeit sind, die man miteinkalkulieren muss, wird die wirtschaftliche Erholung gebremst und keine Rückkehr zur vorherigen Normalität möglich sein“, sagt er. Mit flächendeckenden Impfungen dürfe sich die Lage dann allmählich entspannen.

„Der Impfstoff ist der Gamechanger“, sagt Stefan Kooths, Direktor des Forschungszentrums Konjunktur und Wachstum am Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW). In seiner Prognose gehe das IfW davon aus, dass die besonders anfälligen Gruppen bis etwa April geimpft werden und dann die Impfung des Rests der Bevölkerung beginne. „Wenn sich das alles als undurchführbar herausstellen sollte, dann müssen wir noch länger mit den Beschränkungen rechnen und die Erholung würde sich noch weiter hinausziehen“, sagt er.

Verstolperter Start, aber schnelle Erholung

Die wirtschaftlichen Folgen der zweiten Welle dürften deutlich ins kommende Jahr hinein wirken. „Wenn wir das gegenüber dem Herbst sehen, haben wir einen verstolperten Start ins neue Jahr, dadurch, dass wir über das Winterhalbjahr noch einmal einen d eutlichen Dämpfer bekommen durch die zweite Welle und die Maßnahmen “, sagt Kooths. Das betreffe im Wesentlichen die Dienstleistungsbereiche. „Für die ist das zwar hart, aber sie können wieder durchstarten, sobald die Maßnahmen gelockert werden.“ Die Industrie zeige sich derweil robust.

„Wir starten zwar erst einmal mit einem schwachen Jahresauftakt, erwarten aber, dass die Expansion im weiteren Jahresverlauf kräftig ausfallen wird“, sagt Kooths. Das IfW geht für 2021 insgesamt von einer Zunahme des Bruttoinlandsproduktes von 3,1 Prozent aus. Durch die zweite Welle werde die Erholung um ein halbes Jahr unterbrochen, heißt es in der Prognose.

Auch IWH-Ökonom Holtemöller geht davon aus, dass die wirtschaftliche Erholung zügig einsetzt: „Wenn die deutsche Bevölkerung hinreichend geimpft ist, die Menschen individuell keine Befürchtungen mehr haben müssen und keine offiziellen Beschränkungen mehr vorliegen, dann wird es schnell gehen“, sagt er. Er ist sicher: Sobald es wieder erlaubt sei, in Restaurants und Bars zu gehen, würden die Leute diese Möglichkeit auch wieder wahrnehmen. „Dann kann die Erholung relativ zügig stattfinden.“

In privaten Haushalten habe sich ein finanzieller Puffer angesammelt, da weniger Geld ausgegeben wurde, so Holtemöller. „Wenn der konsumwirksam wird, könnte das einen recht deutlichen Aufschwung geben.“ Aber auch das stehe alles unter dem Vorbehalt des Infektionsgeschehens. Das IWH rechnet im kommenden Jahr mit einem Wachstum des BIP um 4,4 Prozent.

Drittes Quartal macht Hoffnung

Der Blick auf das dritte Quartal 2020 zeigt einen positiven Trend: „Die gute Nachricht ist: Die Erholung war deutlich schneller als wir gedacht haben“, sagt ifo-Konjunkturchef Wollmershäuser. Diese Erholung sei vor allem aus den Bereichen gekommen, die „ausgeknipst wurden“. „Als sie wieder angeknipst wurden, ging es für sie genauso schnell wieder hoch wie es runtergegangen ist“, sagt er. Das gelte zum Beispiel für Dienstleister, die plötzlich wieder öffnen und Umsatz machen konnten. Hier habe auch die Kurzarbeit geholfen.

„Sobald der Shutdown zuende ist und sobald wir die Gastronomie und andere Bereiche wieder öffnen, wird es schnell wieder hoch gehen“, sagt Wollmershäuser. Für 2021 prognostiziert das ifo Institut ein Wachstum des BIP um 4,4 Prozent. Dem liegt die Annahme zu Grunde, dass der Lockdown Light bis Ende März 2021 in Kraft bleibt. Zudem wird davon ausgegangen, dass im Januar mit Impfungen begonnen wird und die Schutzmaßnahmen ab April gelockert werden können. Die verschärften Maßnahmen des harten Lockdowns sind noch nicht in die Prognose eingeflossen.

Nachholbedarf bei Insolvenzen

Bei den Insolvenzen werde es sicherlich Nachholbedarf geben, sagt Holtemöller. In diesem Jahr habe es sehr viel weniger Insolvenzen gegeben als angesichts des Konjunkturverlaufs zu erwarten gewesen sei. Das liege zum einen an der Fristaussetzung, aber auch an den Hilfen. „Die Hilfen unterstützen Unternehmen dabei, in der schwierigen Situation über Wasser zu bleiben. Insofern werden nicht alle Insolvenzen nachgeholt werden müssen“, so Holtemöller. In der Gastronomie könne es sein, dass eine Reihe an Betrieben in die Insolvenz gehen. Doch in diesem Bereich dürften auch schnell wieder neue Unternehmen gegründet werden, sagt Holtemöller: „Wenn die Nachfrage wieder vorhanden ist, wird sich das Angebot wieder darauf einstellen“.

Die Insolvenzen seien eine der großen Unbekannten im kommenden Jahr, sagt Timo Wollmershäuser. Jede Rezession bringe Insolvenzen mit sich, aber der Staat greife den Unternehmen unter die Arme. „Die Liquiditätshilfen fließen, aber die Hilfe kommt nicht überall und nicht überall rechtzeitig an, auch wenn der Staat schnell ist“, sagt Wollmershäuser.

Auch die indirekten Folgen der Corona-Pandemie könnten laut Wollmershäuser zu Insolvenzen führen. „Wenn von dieser Krise etwas bleibt, dann ist es sicher, dass sie den Strukturwandel beschleunigt hat“, sagt er. Das heiße immer, dass es Gewinner und Verlierer gebe. „Durch den beschleunigten Wandel wird es auch Insolvenzen geben, die gar nicht direkt damit zu tun haben, dass die Unternehmen keine Umsätze mehr machen können, sondern damit, dass sich deutlicher als vorher zeigt, dass das Geschäftsmodell dieser Unternehmen vielleicht nicht das Geschäftsmodell der Zukunft ist“, sagt Wollmershäuser.

Shutdown-Beschlüsse schlagen durch

Man rechne damit, dass die November- und Dezember-Shutdown-Beschlüsse zusammen 40 bis 50 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung im Winterhalbjahr kosten, sagt Kooths. „Das schlägt deutlich auf die Jahresrate von 2021 durch“, sagt er. Wegen dieses schwachen Jahresauftaktes habe das IfW auch die Prognose von 4,8 auf 3,1 Prozent gesenkt. Das sage aber nichts über die konjunkturelle Dynamik im kommenden Jahr aus. „Ab dem Frühjahr sehen wir eine ähnliche konjunkturelle Dynamik wie wir sie schon im Herbst für diesen Zeitraum erwartet haben“, sagt Kooths. Es gebe dann eben mehr aufzuholen. „Das dritte Quartal hat uns gezeigt, wie schnell ökonomische Aktivität wieder zurückkommen kann, sobald die Bremsklötze weg sind“, sagt er.

Das ifo Institut gehe davon aus, dass der Lockdown Light, sollte er bis Ende März andauern, 36 bis 37 Milliarden Euro kosten werde, so Wollmershäuser. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Schließung bis zum 10. Januar seien überschaubar. Man schätze, dass noch einmal zwei Milliarden Euro an Wertschöpfung durch die Verschärfung des harten Lockdowns bis zum 10. Januar zusätzlich ausfallen. Die Schließung betreffe nur den stationären Nicht-Lebensmittel-Einzelhandel. Ein kräftiger Teil dieses Umsatzes wandere in den Onlinehandel. „Wir haben das auf die Hälfte der Umsätze geschätzt“, sagt Wollmershäuser. Natürlich erhöhe aber jeder Tag, jede Woche, die die Schließungen länger andauern, die Kosten. Eigentlich sollte es im ersten Quartal bereits wieder aufwärts gehen, so Wollmershäuser. „Wenn jetzt die Schließung des Einzelhandels dazukommt – und zwar nicht nur bis zum 10. Januar, sondern vielleicht bis Ende Januar oder Ende Februar, dann wird aus dem Plus ganz schnell ein Minus“, sagt er.

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