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Nahostkonflikt Warum die Huthi-Angriffe im Roten Meer den Welthandel bedrohen

Das Foto zeigt einen Hubschrauber der Huthi-Rebellen, der sich dem Frachtschiff „Galaxy Leader“ nähert
Das Foto zeigt einen Hubschrauber der Huthi-Rebellen, der sich dem Frachtschiff „Galaxy Leader“ nähert. Kurze Zeit später entern die jemenitischen Rebellen das Schiff
© Houthi Media Center via AP / Picture Alliance
Rebellen greifen zunehmend Schiffe auf wichtigen Seewegen im Nahen Osten an. Reeder fordern mehr militärischen Schutz. Die USA haben inzwischen Sanktionen gegen Geldgeber der Huthis verhängt und arbeiten an einer Task Force

Reeder fordern einen stärkeren militärischen Schutz der Seewege im Nahen Osten, nachdem Angriffe von durch den Iran unterstützten Rebellen im Roten Meer Befürchtungen über neue Störungen des Welthandels, einschließlich der Energieversorgung, ausgelöst haben. Vor gut einer Woche teilte das Pentagon mit, dass ein US-Kriegsschiff und drei Handelsschiffe vor der jemenitischen Küste angegriffen worden seien. Im vergangenen Monat hatten Huthi-Rebellen bereits israelische Schiffe ins Visier genommen. Daher weckten die Angriffe Anfang Dezember Bedenken, dass die Huthi-Rebellen und ihre Unterstützer im Iran ihren Feldzug ausweiten  – als Reaktion auf den Krieg im Gazastreifen. 

Die Angriffe zeigten, dass „größere militärische Ressourcen“ eingesetzt werden müssten, sagt Jakob Larsen, Leiter der Sicherheitsabteilung der Bimco, die weltweit tätige Reeder vertritt. „Wenn drei Schiffe [am selben Tag] in demselben geografischen Gebiet angegriffen werden, bedeutet das, dass wir nicht genügend Ressourcen haben“, sagt er.

Der nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, bezeichnete die Angriffe als „völlig inakzeptabel“. Die USA seien in Gesprächen mit anderen Ländern über die Einrichtung einer maritimen Task Force, um die „sichere Durchfahrt von Schiffen im Roten Meer“ zu gewährleisten.

Es ist eine neue Bedrohung für die Schifffahrt – dabei hatten erst vor nicht allzu langer Zeit die Coronapandemie und die  russische Invasion in der Ukraine die Lieferketten ins Wanken gebracht, was die Inflation anheizte und die Weltwirtschaft abkühlte. Die neue Bedrohung könnte sich nun auf den Handel mit Rohöl bis hin zu Kraftfahrzeugen auswirken. 

Großteil der Öl- und Flüssiggaslieferungen muss durch die betroffenen Wasserstraßen

Analysten zufolge unterschätzen die Händler jetzt die Gefahr weiterer Störungen. „Der Ölmarkt ist zu selbstgefällig geworden, was das Risiko angeht, dass sich der Gaza-Konflikt regional ausweitet und die Öl- und Gasinfrastruktur sowie die Schifffahrt im Roten Meer und im Golf bedroht“, sagte Bob McNally, Gründer von Rapidan Energy und früherer Berater des Weißen Hauses zurzeit der Präsidentschaft von George W. Bush.

Seit 2019 haben die Huthis und andere  iranische Verbündete mehrere Schiffe im Nahen Osten angegriffen, Öltanker gekapert und Anschläge mit Haftminen an Schiffsrümpfen verübt. Die jüngsten Angriffe verstärken auch die Sorge über die Bedrohung der Straße von Hormuz durch den Iran. 

Die jüngsten Angriffe verstärken auch die Sorgen über die von Teheran ausgehende Bedrohung der Straße von Hormus - der Meerenge, die den Iran von den Golfstaaten trennt und einen Nadelöhr für Öl- und Gasexporte darstellt. McNally beziffert die Wahrscheinlichkeit einer „wesentlichen Unterbrechung der regionalen Energieströme“ auf 30 Prozent. „Auch wenn weder Teheran noch Washington einen direkten Konflikt anstreben, werden sie womöglich nicht in der Lage sein, unbeabsichtigte Zusammenstöße zu vermeiden oder die steigende Spirale der gegenseitigen Angriffe aufzuhalten.“

Etwa 40 Prozent des auf dem Seeweg gehandelten Öls werden täglich durch die Straße von Hormus transportiert ebenso wie Flüssiggaslieferungen aus Katar, die eine wichtige Rolle als Ersatz von russischem Gas spielen. Allein über die Rotes-Meer-Route wird laut der US-amerikanischen Energy Information Administration (EIA) fast ein Zehntel des auf dem Seeweg gehandelten Öls transportiert. Auch Waren aus Asien werdend über diese Route befördert. 

Noch schmaler und anfälliger für Angriffe ist die Straße von Bab el-Mandeb, die den Golf von Aden vom Roten Meer trennt. „Die Route über das Rote Meer ist wichtig“, sagt Henning Gloystein von der Beratung Eurasia Group. „Für die Europäer ist sie sogar noch wichtiger, weil sie ihr gesamtes Öl und Flüssiggas aus dem Nahen Osten über das Rote Meer beziehen.“

Bei einem Angriff auf einen israelischen Autotransporter im November enterten Huthi-Rebellen das Schiff per Hubschrauber – eine Taktik, die laut Gabrielle Reid von der Sicherheitsberatungsfirma S-RM „viel häufiger von Iran angewendet wird“. „Dies deutet darauf hin, dass die Handelsschifffahrt in der Region stärker gestört werden kann“, fügte sie hinzu. 

Alternativrouten sind länger und teurer

Reeder suchen nun nach sichereren, aber kostspieligere Alternativrouten und fordern mehr Schutz in Gewässern in Nahost. Die an der New Yorker Börse notierte Frachtreederei Zim aus Israel teilte mit, dass sie einige ihrer Schiffe umleitet und warnte Kunden vor längeren Transitzeiten. Die Alternativroute sieht vor, das Kap der Guten Hoffnung in der Nähe von Kapstadt zu umfahren und dann durch Westafrika – eine weitaus längere und teurere Route.

Und bereits jetzt müssen Schiffseigner mehr für Versicherungen bezahlen, Schiffe umleiten und in zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen investieren. In der Woche vor den Anschlägen Anfang Dezember im Roten Meer hätten schon einige Versicherer ihre Tarife erhöht, sagt Marcus Baker, Leiter des Bereichs Schifffahrt beim Versicherungsmakler Marsh – in einem Fall sogar um 300 Prozent. Der Markt müsse auf die jüngsten Vorfälle „reagieren“. Er sagte aber auch, den Reedern bleibe kaum eine andere Wahl als an der bestehenden Route festzuhalten. „Wenn man versucht, [bestimmte] Güter um die Welt zu transportieren, muss man fast zwangsläufig durch die Region des Roten Meeres fahren.“ 

Der Chief Operating Officer von Seagull Maritime, Dimitris Maniatis, berichtet, dass sein Unternehmen „immer mehr“ Anfragen von Reedern aus der ganzen Welt nach bewaffnetem Wachpersonal erhalte. Um der Bedrohung durch somalische Piraten entgegenzutreten, wurden viele private Sicherheitsgruppen gegründet. Allerdings könnten diese gegen staatlich unterstützte Drohnen- und Raketenangriffe „sehr wenig“ ausrichten, sagte Maniatis. 

„Das Risiko von Kollateralschäden hat zugenommen“, sagte auch der Sicherheitschef eines in Singapur ansässigen Tankschiffeigners. Mindestens eines der am ersten Dezembersonntag angegriffenen Handelsschiffe soll keine eindeutigen Verbindungen zu Israel gehabt haben. „Bei Angriffen von außen sind wir leichte Beute. Niemand ist in der Lage, einer solchen Bedrohung etwas entgegenzusetzen – es sei denn, es handelt sich um eine militärische Intervention.“

Copyright The Financial Times Ltd. 2023

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