Wirtschaftlich geht es Deutschland schlecht. Der Internationale Währungsfonds rechnet für dieses Jahr mit einer Rezession, die Bundesregierung kassiert ihre bisherige Prognose. Und die Attacken der Hamas auf Israel, die einen massiven Gegenschlag provozieren, können alles noch schlimmer machen.
Das liegt nicht etwa daran, dass Israel ein wichtiger Handelspartner der Bundesrepublik wäre. Dem Wirtschaftsforschungsinstitut IfW zufolge gehen nur 0,4 Prozent der deutschen Exporte dorthin. Der Anteil der Importe ist sogar nur halb so groß. Allerdings könnten die Kämpfe zwischen der islamistischen Hamas und der israelischen Armee die globale Öl-Versorgung erschüttern.
Zwar sind weder Israel noch der Gazastreifen für die Ölproduktion von Bedeutung - aber die Region ist es. Saudi-Arabien ist mit Abstand der weltweit wichtigste Ö-Exporteur. Auch der Irak, die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait spielen eine große Rolle. Im Fokus steht jedoch ein anderes Land: der Iran. Das Mullah-Regime unterstützt sowohl die Terror-Organisation Hamas im Gazastreifen als auch die israel-feindliche Hisbollah-Miliz im Libanon.
Wegen westlicher Sanktionen sind die Öl-Exporte des Iran zwar stark eingeschränkt. Doch das Mullah-Regime findet ganz offenbar Mittel und Wege, trotzdem Öl zu verkaufen – vor allem nach China. Der US-Statistikbehörde Energy Information Administration zufolge war der Iran im vergangenen Jahr der weltweit achtgrößte Ölproduzent.
Straße von Hormus im Fokus
Entscheidend für die Entwicklung der Ölpreise wird sein, ob die USA – der mit Abstand wichtigste Partner Israels – versuchen wird, die Öl-Exporte des Iran einzuschränken und so die Preise wegen des geringeren Angebots steigen. Das könnte der Fall sein, wenn eine direkte Unterstützung des Iran für die jüngsten Hamas-Angriffe nachgewiesen wird oder die Hisbollah Israel vom Norden angreift und in einen Zweifrontenkrieg zwingt.
Jede Vergeltungsmaßnahme gegen den Iran birgt ein besonderes Risiko: Das Regime könnte die Durchfahrt von Tankern durch die Straße von Hormus verhindern. Durch die Meerenge wird ein Großteil des weltweiten Rohöls transportiert. Katar nutzt den Weg, um sein Flüssiggas zu exportieren. Wird die Durchfahrt blockiert, dürften die Ölpreise durch die Decke gehen. Dass explodierende Energiepreise Gift für die deutsche Wirtschaft sind und die Inflation befeuern, hat der russische Angriffskrieg in der Ukraine eindrucksvoll gezeigt.
Nach den Hamas-Attacken in Israel waren die Ölpreise zunächst deutlich gestiegen, mittlerweile sind sie wieder etwas gefallen. Der Ölpreis hat zwar mit einem kurzfristigen Anstieg reagiert, das Ausmaß ist aber bislang nicht dramatisch. „Die hohen Niveaus, die er Ende September verzeichnete, wurden bislang noch nicht wieder erreicht“, so die IfW-Wirtschaftsforscher.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine und die westlichen Sanktionen haben die weltweite Erdölversorgung bereits erschüttert. Diese Preise waren in letzter Zeit zwar leicht gesunken. Aber viele Analysten gehen davon aus, dass sie bald wieder steigen.
„Heikle Lage“
Ein wichtiger Faktor dabei: Saudi-Arabien. Bisher hatte die Führungsmacht des Öl-Kartells OPEC versucht, die Ölpreise hochzuhalten. Forderungen der USA nach einer Ausweitung der Produktion, um so die Preise zu senken, wurden ignoriert.
Doch nur wenige Tage vor den Angriffen hatte sich das Königreich offenbar bereit erklärt, mehr Öl zu fördern. Das berichtet das „Wall Street Journal“. Der Schritt ziele darauf ab, die Zustimmung des US-Kongresses für ein Abkommen zu gewinnen. Darin würde Saudi-Arabien Israel diplomatisch anerkennen und im Gegenzug einen Verteidigungspakt mit Washington schließen. Doch diese Annäherung dürfte jetzt auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt werden - ebenso wie eine Ausweitung der Fördermenge.
Nach Coronapandemie und russischem Überfall auf die Ukraine droht die nächste Krise mit spürbaren wirtschaftlichen Konsequenzen. Oder wie es Ajay Banga, der Chef der Weltbank, im Gespräch mit der „New York Times“ formulierte: „Die Volkswirtschaften befinden sich in einer heiklen Lage. Ein Krieg ist nicht wirklich hilfreich.“
Der Beitrag ist zuerst bei ntv.de erschienen