Vorstandschef Matthias Müller, der den Konzern in der schlimmsten Krise seiner Geschichte übernommen hatte, muss allem Anschein nach gehen. Man erwäge eine "Weiterentwicklung der Führungsstruktur für den Konzern", hieß es in einer Mitteilung . "Dazu könnte auch eine Veränderung im Amt des Vorstandsvorsitzenden gehören.“ Berichten von Nachrichtenagenturen zufolge soll VW-Markenchef Herbert Diess die Konzernführung übernehmen. Der Umbau des Vorstand dürfte damit beileibe nicht abgeschlossen sein. Es dürfte noch in einigen zentralen Funktionen zu Neubesetzungen kommen. Capital beantwortet die wichtigsten Fragen zum größten deutschen Auto-Konzern:
Vor zwei Jahren wurde VW doch nach dem Dieselskandal noch für tot erklärt, kürzlich wurden dann die besten Zahlen seit langem präsentiert. Wie hat der Konzern so ein Comeback geschafft?
Zunächst einmal: Schon damals war es verfrüht, Volkswagen für tot zu erklären. Natürlich hatte – und hat – der Konzern mit den Folgen des Diesel-Betrugsskandals ein gewaltiges rechtliches Problem am Hals. Das ändert aber nichts daran, dass Volkswagen beim Absatz nach wie vor ein sehr erfolgreiches Unternehmen ist. Die Mitte März verkündeten Zahlen haben das noch einmal deutlich gemacht. Mit 10,7 Millionen Kunden weltweit war 2017 ein Rekordjahr. Mit hohen Wachstumsraten in Europa, China und sogar in Nordamerika – wo der Diesel-Skandal ja seinen Ausgang genommen hatte. Hinzu kommt, dass es VW-Markenchef Herbert Diess gelungen ist, ein zentrales Problem der Kernmarke anzugehen. Lange lag deren Rendite zu niedrig, was vor allem an hohen Kosten lag. Diess drückte auf die Ausgaben. Die operative Rendite der Marke Volkswagen lag 2017 dann schon bei 4,1 Prozent, das ist fast doppelt so hoch wie noch im Vorjahr.
Ist in der Diesel-Affäre bei VW jetzt alles aufgeklärt, aufgeräumt und bereinigt, alle Strafen bezahlt?
Die kurze Antwort lautet: Nein. Allerdings sieht die Lage lokal betrachtet sehr unterschiedlich aus. Auf dem nordamerikanischen Markt hat Volkswagen allem Anschein nach das Gröbste hinter sich. etwa 25 Mrd. Euro haben Vergleiche, Rückkäufe und andere Maßnahmen den Konzern dort gekostet. Nicht alle Geschädigten haben sich an den Sammelklagen beteiligt, so dass in den kommenden Monaten noch weitere Zahlungen hinzu kommen können. Das gilt aber als überschaubar. Etwas anders ist die Lage in Europa, wo die rechtliche Aufarbeitung noch nicht sehr weit fortgeschritten ist. Es gibt dort bisher kaum Möglichkeiten zur Sammelklage. Das bewahrt Volkswagen einerseits vor gewaltigen Kompensationszahlungen auf einen Schlag, wie es sie in den USA gegeben hat. Andererseits aber lässt sich auch schwerer absehen, wie viele Risiken in Form einzelner Klagen noch auf das Unternehmen zukommen. Zudem gibt es auch Anlegergemeinschaften, die wegen der Kursverluste der VW-Aktie gegen den Konzern vorgehen wollen.
Kann man in Zukunft noch Diesel-Modelle von VW kaufen oder verabschieden man sich komplett davon?
Der offenbar scheidende Konzernchef Matthias Müller hat immer wieder gesagt, dass der Diesel für das Unternehmen weiterhin eine wichtige Zukunftstechnologie ist. Ähnlich übrigens wie auch bei den anderen deutschen Herstellern. Das ist insofern konsequent, weil die Autokonzerne die Klimavorgaben der Europäischen Union wohl nur dann erreichen können, wenn sie die vergleichsweise sparsamen Diesel-Autos weiter in ihren Flotten haben. Ein großer Schub beim Verkauf von Elektroautos ist bisher ja nicht zu erkennen. Ein Problem könnten aber die drohenden Diesel-Fahrverbote in deutschen Innenstädten werden. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig, wonach solche Fahrverbote prinzipiell zulässig sind, hatte auf dem Markt für Angstreaktionen gesorgt. Die Diesel-Verkäufe gehen spürbar zurück. Spannend wird sein, wie nachhaltig diese Reaktionen sind – und ob die Kunden nicht nach einer Weile doch zu ihrem alten Kaufverhalten zurückkehren. Was Volkswagen selbst angeht, gilt auf jeden Fall: der Diesel bleibt im Programm.
Wie steht VW im Vergleich zu den anderen großen deutschen Autoherstellern da?
Für alle deutschen Hersteller gilt: Sie sind auf etwaige Marktentwicklungen mittlerweile ziemlich gut vorbereitet. Kommt der große Elektroboom (der bisher nicht zu sehen ist), dann haben Volkswagen, Daimler und BMW spätestens ab 2019 viele eigene Modelle im Programm. Kommt er nicht, dann können auf den gleichen Plattformen problemlos weiterhin Diesel und Benziner produziert werden. Alle haben zudem in Vernetzung und Digitalisierung investiert und arbeiten dabei zum Teil auch zusammen – wie bei dem Navigationsdienst Here. Man kann sagen, dass Volkswagen hier den größten Rückstand von allen hatte. Zum Beispiel hat der Konzern kein eigenes Carsharing-Programm im Angebot, und auch das Software-Umfeld in den Autos war nicht wirklich innovativ. In beiden Bereichen aber hat Volkswagen seit 2015 sehr viel investiert. Und kann mit der schieren Masse seiner verkauften Fahrzeuge hier natürlich auch schnell an Größe gewinnen.