Mit seiner Neuerwerbung Monsanto hat Bayer-Chef Werner Baumann vorerst nichts als Ärger. Sowohl vor als auch auf der Hauptversammlung des Leverkusener Konzerns am letzten Freitag musste sich der Manager viel Kritik an der geplanten Übernahme des US-Saatgutriesen anhören. Die Ablehnungsfront reicht von Bauern und Umweltschützern über die Grünen im Bundestag bis zu konservativen Aktionären.
Viel Lob kassierte Baumann dagegen für einen Geschäftsbereich, der schon bald gar nicht mehr zu seinem Konzern gehören soll: die Chemietochter Covestro, an der Bayer noch gut 53 Prozent hält. Im vergangenen Geschäftsjahr lieferte das Chemiegeschäft einen Betriebsgewinn vor Steuern (Ebit) von 1,3 Mrd. Euro ab – glatte 105 Prozent mehr als 2015. Als Ertragssäule liegt Covestro gegenwärtig deutlich vor dem Geschäft mit nicht-verschreibungspflichtigen Medikamenten, das Bayer behalten will. Nur die Sparten Pharma und Pflanzenschutz brachten zuletzt mehr Geld für den Konzern als das ungeliebte Chemiegeschäft.
Freiheit außerhalb des Bayer-Konzerns
Die Geschichte wiederholt sich: 2004 spaltete die Bayer AG den ersten großen Teil ihres Chemiegeschäfts ab, das inzwischen unter dem Namen Lanxess firmiert. 2015 ging dann der restliche Teil unter dem Namen Covestro an die Börse. Lanxess durchlief einige Höhen und Tiefen, entwickelt sich gegenwärtig aber genauso prächtig wie Covestro. Zusammen kommen die beiden neuen Konzerne inzwischen auf eine stolze Marktkapitalisierung von über 20 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Bayer selbst liegt bei knapp 100 Mrd. Euro (einschließlich des verbliebenen Anteils an Covestro).
Man kann die These wagen: Ohne Bayer stehen die beiden Chemieunternehmen besser da. Dafür gibt es mehrere Gründe: Die beiden Unternehmenschefs Patrick Thomas (Covestro) und Matthias Zachert (Lanxess) sind hervorragende Manager, die ihre Freiheit außerhalb des Bayer-Konzerns voll nutzen. Beide haben die Kosten in ihren Unternehmen so massiv gedrückt, wie es innerhalb des großen Verbunds kaum möglich gewesen wäre. Lanxess operiert mittlerweile mit ganz anderen Strukturen als früher bei Bayer.
Der Wert unternehmerischer Selbstständigkeit
Zachert hat den früheren Kern seines kleinen Konzerns, das Kautschukgeschäft, inzwischen in ein Joint-Venture mit einem saudi-arabischen Partner eingebracht und mit den Einnahmen aus dem Verkauf gerade die größte Übernahme in der Lanxess-Geschichte erfolgreich über die Ziellinie gebracht. Auch von Thomas kann man bei Covestro erwarten, dass er in den nächsten Jahren große Investitionen angehen wird. Gegenwärtig operiert Covestro bei einigen Produkten an der Kapazitätsgrenze – ein Zeichen für unterlassene Erweiterungen in der Zeit des Bayer-Verbunds.
Viele große Konzerne reden gern davon, ihre Geschäftsbereiche würden wie „Unternehmen im Unternehmen“ geführt. Aber das Beispiel Bayer zeigt: Es geht doch nichts über wirkliche unternehmerische Selbstständigkeit.
Bernd Ziesemer ist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint jeden Montag auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.
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