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Kommentar Trump und der Brexit zehren vom gleichen Zorn

Die Kampagne von Trump gleicht der des Brexit-Lagers. Was wir davon lernen können. Von Gideon Rachman
Trump-Befürworter
Trump-Befürworter
© Getty Images

Gideon Rachman ist Kolumnist der Financial Times. Er schreibt über Wirtschaft und Politik 

Beim Parteitag der Demokraten letzte Woche ereilte mich ein unangenehmes Déjà-vu. Die Arena war geschmückt mit der Parole der Clinton-Kampagne – „Stronger together“. Es war eine deprimierende Erinnerung an „Stronger In“, den Slogan der unterlegenen „Remain“-Kampagne im britischen EU-Referendum.

Die Ähnlichkeit ist mehr als ein unglücklicher Zufall. Ich sehe drei Parallelen zwischen dem Brexit und dem Trump-Phänomen, die der Clinton-Kampagne zu denken geben sollten. Die erste ist das Potential von Zuwanderung als Streitthema. Die zweite ist die Art, wie die Kampagnen von Trump und Brexit zum Protestinstrument gegen wirtschaftliche Unsicherheit geworden sind. Und die dritte ist die Kluft zwischen der Meinung der Elite und die der weißen Arbeiterklasse.

Sowohl die Kampagne von Trump, als auch die für den Brexit haben das Versprechen, die Einwanderung zu regeln zu ihrem Hauptthema gemacht. Hinter der Forderung des Brexit-Lagers in Großbritannien, „die Kontrolle zurückzugewinnen“, versteckte sich zuallererst das Versprechen, den Zuwanderungsstrom aus Europa zu stoppen. Trumps bekanntestes Versprechen ist es, „eine Mauer zu bauen“ und die illegale Einwanderung von Mexiko in die USA zu stoppen.

Kluft zwischen Eliten und Arbeiterklasse

Sowohl in Großbritannien als auch in den USA ist Einwanderung zum stärksten Symbol des mutmaßlichen Willens der Elite geworden, die Lebensstandards der Arbeiterklasse zu untergraben, indem sie billige Arbeitskräfte aus dem Ausland holt. Die Kampagnen von Brexit und Trump haben außerdem die Angst vor Einwanderung mit der vor Terrorismus miteinander verschmolzen. Trump hat bereits angekündigt, keine Muslime mehr in die USA einreisen zu lassen. Die Brexit-Kampagne zeigte die Flüchtlingskrise in der EU auf Plakaten, um Angst vor einem Zustrom an muslimischen Flüchtlingen aus dem Nahen Osten zu schüren.

Die Kampagne für den Verbleib in der EU hat in Großbritannien nie einen Weg gefunden, mit der Angst der Bevölkerung vor Einwanderung umzugehen, und die Demokraten tappen gerade in dieselbe Falle. Auf dem Parteitag letzte Woche hat Clintons Erklärung, „keine Mauern zu bauen“ ihr viel Applaus eingebracht. Aber die britische Erfahrung zeigt, dass Erklärungen dieser Art schlicht als Verweigerung wahrgenommen werden, die öffentliche Sorge über die Einwanderung ernst zu nehmen. Trump hingegen punktet, wenn er bei Twitter schreibt, dass „Hillarys Vision eine Welt ohne Grenzen ist, wo die arbeitenden Leute keine Macht, keine Jobs und keine Sicherheit haben.“

Auch Trumps Versprechen, für die Armen und diejenigen mit unsicheren Jobs zu kämpfen ist politisch wirksam. Etwas Ähnliches hat in Großbritannien funktioniert, wo die Kampagne für den Verbleib in der EU nicht verstanden hat, dass es bei der Abstimmung auch um Jobs und Lebensstandards gehen wird. In Großbritannien hat die Bevölkerung seit der Finanzkrise von 2008 keine Erhöhung der Reallöhne erlebt, viele Regionen leiden seit Jahrzehnten an wirtschaftlichem Stillstand.

Nach dem Referendum beobachtete der Journalist John Lanchester folgendes: “In vielen Orten Großbritanniens wächst man von klein auf in einer unumkehrbaren Misere auf – man hat wenige Möglichkeiten, einen schlechten Zugang zu Bildung und Macht, und eine niedrige Lebenserwartung.“ Das kann man auch über viele Regionen der USA sagen, wo die Durchschnittslöhne in den letzten Jahrzehnten gesunken sind. Auch die Lebenserwartung weißer US-Amerikaner ohne College-Abschluss ist seit 2000 gesunken, laut New York Times das Resultat einer „Epidemie von Selbstmorden und Krankheiten als Folge von Drogenmissbrauch.“ Eine letztes Jahr veröffentlichte Harris Studie zeigt, dass 85 Prozent der US-Amerikaner glauben, dass die Regierung sich nicht für sie interessiert. 81 Prozent der Befragten denken, dass die Reichen reicher und die Armen ärmer werden.

Elite und Medien machen Trump zum Außenseiter-Kandidat

Das Problem für Hillary Clinton – und es ist ein sehr großes – ist, dass sie das politische Establishment repräsentiert, das eine große Mehrheit der US-Amerikaner zu verachten scheint. Die Demokraten argumentieren mit der offensichtlichen Tatsache, dass Donald Trumps Leben sich gar nicht mehr von dem eines gewöhnlichen Bürgers unterscheiden könnte. Aber je mehr die US-amerikanische Elite und die „Mainstream Medien“ sich gegen Trump vereinen, desto mehr unterstreichen sie seinen Status als Außenseiter-Kandidat.

Manche argumentieren, dass Trumps Basis in der weißen Arbeiterklasse zu klein ist, um ihn im November zum Sieg zu verhelfen. Aber dieses Problem könnte irrelevant werden, wenn es die Republikaner schaffen, die Wahlbeteiligung signifikant zu erhöhen. Einmal mehr ist die britische Erfahrung ausschlaggebend. Der Sieg des Brexit-Lagers wurde von vielen Arbeiter-Wählern gesichert, die bei den letzten Parlamentswahlen ihre Stimme nicht abgegeben hatten.

In Großbritannien hat das Abkoppeln der politischen Elite von der Meinung der Arbeiterklasse die meisten Kommentatoren dazu verleitet, die vielen Umfragen abzutun, die andeuteten, dass die Bevölkerung für den Brexit stimmen wird. In den USA bin ich letzte Woche auf eine ähnliche Skepsis unter amerikanischen Experten gestoßen. Ihr Entsetzen über Trump macht es für sie fast undenkbar, die Möglichkeit zu tolerieren, dass er ihr nächster Präsident werden könnte.

Es gibt auch Unterschiede

Die Ähnlichkeiten zwischen den Kampagnen von Brexit und Trump sind erstaunlich, aber es gibt auch wichtige Unterschiede. Am offensichtlichsten ist, dass die Töne, welche die Brexit-Kampagne anschlug, um rassistische Stimmung zu schüren noch relativ leise waren. Trump hingegen nimmt kein Blatt vor den Mund.

Die bekanntesten Brexit Befürworter, Boris Johnson und Michael Gove, waren bemüht, während der Kampagne nach außen freundlich zu erscheinen. Trump hat seine launenhafte und beleidigende Art zu seiner Spezialität gemacht.

Es ist möglich, dass Trumps Verhalten genug Wähler abschreckt, um Hillary Clinton im November den Sieg zu bescheren. Nach den Erfahrungen mit dem Brexit würde ich darauf nicht zählen.

Copyright The Financial Times Limited 2016

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