Die Restaurantkette L’Osteria kennt man vor allem dank seiner übergroßen Pizzen. Gegründet wurde L'Osteria 1999 in Nürnberg, seither ist das Unternehmen stetig gewachsen: Heute ist es in acht europäischen Märkten vertreten und hat die Zahl seiner Restaurants in den letzten zehn Jahren fast verachtfacht. Im Gegensatz etwa zum direkten Konkurrenten Vapiano, der 2020 Insolvenz anmelden musste, wuchs L’Osteria auch während der Corona-Krise weiter. Nun steigt der Gastro-Investor McWin als Mehrheitseigner bei dem Unternehmen ein – ein Deal, bei dem L’Osteria mit 400 Mio. Euro bewertet wurde.
Capital: Herr Silz, L’Osteria ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen, nun steigt mit McWin ein Investor ein. Schaffen Sie es nicht aus eigener Kraft weiter zu wachsen?
MIRKO SILZ: Doch, aus finanzieller Sicht wären wir durchaus in der Lage, stabil weiter zu wachsen. Aber die Gesellschafter haben schon lange Ausschau nach einem Investor gehalten, der gut zu unserer Marke passt und der zusätzliches Know-how einbringen kann. McWin ist gerade bei der internationalen Expansion und Entwicklung von Marken ein erfahrener Partner und verfügt über ein sehr starkes Netzwerk. Dazu sind sie engagiert bei Digitalisierung und Food-Tech. Damit passen sie perfekt zu unseren Zukunftsplänen.
McWin hat mit zwei Dritteln die Mehrheit der Anteile übernommen. Die Gründer Friedemann Findeis und Klaus Rader bleiben nur Minderheitsgesellschafter. Warum geben sie gleich die Mehrheit ab?
Diese Frage müssen Sie an die Gesellschafter richten, die im Übrigen im Unternehmen aktiv bleiben werden. Aus meiner Perspektive kann ich nur sagen, dass McWin an dem Paket, wie es geschnürt worden ist, Interesse gezeigt hat und die Gründer sich nach Abwägung aller Vor- und Nachteile zu diesem Schritt entschieden haben.
Was gehört außer den Mehrheitsanteilen denn noch zum „Paket“?
Bei so einem Kaufvertrag muss man sich neben den Finanzen immer auch über die zukünftige Ausrichtung verständigen. Wichtig ist, dass sich am Ende alle Beteiligten darüber einig sind, wie die Marke und das Konzept in den nächsten Jahren weiterentwickelt werden sollen. Das Ziel ist, die Anzahl unserer Restaurants bis Ende 2026 zu verdoppeln. Das unterstützt McWin zu hundert Prozent und auf dieser Basis haben sie gekauft.
Hinter dem größten Geldgeber von McWin steht der Staatsfonds des Emirats Abu Dhabi. Inwiefern haben politisch-moralische Fragen bei der Übernahme für Sie eine Rolle gespielt?
Die Struktur ist so wie sie ist. Ich sehe keinen aktuellen Anlass, mich dazu zu äußern.
Dann lassen Sie uns über Ihre Expansionspläne sprechen. Diesen Sommer soll L’Osteria in den polnischen Markt eintreten. McWin hat hier schon die Expansion von Burger King und Popeyes vorangetrieben. Wurden ihre Ambitionen dort schon von McWin initiiert?
Nein, das war eine unabhängige Entscheidung und schon länger geplant. Osteuropa ist eine spannende Region. Die Weiterentwicklung dort wird ein Baustein unserer Expansion sein. Wir sind auch schon in Tschechien vertreten. Dort haben wir dieses Jahr zwei Neueröffnungen geplant, wollen uns jetzt aber vor allem auf Polen konzentrieren.
Wie viele Restaurants wollen Sie in Polen eröffnen?
Mittelfristig wollen wir bis zu zehn Restaurants eröffnen, sehen aber Potenzial für bis zu 50. Natürlich müssen wir schauen, welche möglichen Anpassungen der Marke und der Produkte dort notwendig sind, um dann zu entscheiden, ob wir das Wachstum verstärken.
Der Großteil Ihrer Restaurants befindet sich gerade in Deutschland. Soll sich das auf lange Sicht ändern?
Im Rahmen unserer aktuellen Strategie wird Deutschland bis Ende 2026 der Hauptmarkt bleiben. Bestehende Märkte, also der deutsche und momentan sieben weitere europäische Märkte, sollen weiter verdichtet werden. Trotzdem ist die Internationalisierung unser Fokus. Vor allem in Frankreich und Großbritannien, im Großraum London, haben wir vor uns stärker zu positionieren. Eine Expansion auf andere Kontinente ist zum aktuellen Zeitpunkt nicht geplant.
Aktuell gehört L’Osteria ein Drittel der Restaurants selbst, ein Drittel Franchise-Nehmern und bei einem weiteren Drittel sind Sie mit mindestens 50 Prozent in Joint-Ventures beteiligt. Soll sich dieses Verhältnis in Zukunft ändern?
Diese drei Säulen waren bisher unsere Erfolgsstrategie und das wollen wir so fortsetzen.
Sie haben Ihr Ziel angesprochen, bis 2026 die Anzahl der L’Osteria-Restaurants verdoppeln zu wollen. Konkret bedeutet das, dass Sie in den kommenden Jahren rund 150 neue Restaurants eröffnen müssen. Wie kapitalintensiv ist das?
Ein neuer Standort kostet ungefähr 1,8 Mio. Euro. Für das Drittel, das wir ohne Partner aufbauen, liegen die Kosten damit im mittleren bis oberen zweistelligen Millionenbereich. Wir finanzieren aus Fremd- und Eigenmitteln, die in einem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zueinanderstehen.
Das Ziel haben Sie 2021 ausgegebenen. Wo stehen Sie im Moment?
Das ist eine statistische Größe. Wir betreiben gerade 157 Restaurants, da kommen dieses Jahr 20 bis 25 dazu. In den Jahren 2024 bis 2026 müssten dann noch um die 40 Standorte pro Jahr hinzukommen und das halten wir für sehr realistisch.
Auch trotz anhaltender Lieferschwierigkeiten und gestiegener Baukosten?
Die Kostenthematik ist eine Herausforderung, die es am Markt immer gegeben hat. Die aktuellen Entwicklungen im Immobilienbereich sehen wir für uns sogar eher positiv, weil wir aufgrund der Konsolidierung am deutschen Markt Grundstücke angeboten bekommen. Bisher waren die höheren Energiepreise für uns der größte Faktor. Die haben wir teils sehr moderat an die Gäste weitergereicht.
Merken Sie an den Umsätzen, dass die Menschen sparen müssen?
Überhaupt nicht. Auf bestehenden vergleichbaren Flächen in Deutschland haben wir im Januar über 36 Prozent mehr Umsatz gemacht als im Januar 2019. Selbst wenn man Preiserhöhungen und Steuern herausrechnet, spricht diese Zahl Bände. Dennoch sind wir weiterhin auf die Unterstützung der Politik angewiesen.
Die Gastronomie hatte es in den vergangenen Jahren insgesamt nicht leicht. L’Osteria ist sogar während der Pandemie gewachsen. Wie haben Sie das Unternehmen durch die Krise gebracht?
Wir haben in Szenarien gedacht. Damals hatten wir von einer Sekunde auf die andere null Umsatz und keine Ahnung, was noch passieren würde. Wir haben dann sehr schnell einen eigenen Lieferservice aufgebaut und innerhalb von drei Monaten 80 Prozent der Restaurants in Deutschland an das Netz angeschlossen. Damit konnten wir Mitarbeitende und Franchisepartnerinnen und -partner in unserer Organisation aktiv halten. Das war alles sehr anstrengend, auch emotional. Mitarbeitende mussten teilweise andere Tätigkeiten machen, wie Essen ausliefern. Aber wir haben immer transparent kommuniziert und vor allem alle zusammengehalten.
Wie haben Sie die Situation finanziell gestemmt?
Wir waren nah an der Politik und haben mit allen demokratischen Parteien einen sehr guten Austausch gepflegt. Dadurch wussten wir, dass z.B. die finanzielle Unterstützung eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen würde, und konnten uns darauf vorbereiten. Bei der ersten Welle brauchten wir auch Kfw-Mittel. Mit diesen und weiteren staatlichen Hilfen plus der Absenkung der Mehrwertsteuer konnten wir unsere Liquidität sicherstellen. Unnötige Projekte haben wir nicht umgesetzt. Jetzt sind wir was den Verschuldungsgrad und das Eigenkapital angeht, bestens aufgestellt und haben heute bessere Kennzahlen als am Anfang der Krise.
Was waren das für unnötige Projekte?
Ein konkretes Beispiel habe ich nicht. Wir wollen unsere Finanzmittel für Wachstum einsetzen und für die Pflege unserer Bestandsrestaurants. Gerade auf Verwaltungsseite gibt es viele Projekte, die dafür nicht wirklich zielführend waren.
Woher kam das Wachstum in den Pandemiejahren? Der Umsatz des Lieferservice-Geschäfts wird das nicht hergegeben haben.
Während der Pandemie haben wir rund 35 Prozent des normalen Umsatzes im Außengeschäft gemacht. Das ist mit den Wiederöffnungen zurückgegangen, aktuell liegen wir bei um die 16 Prozent. Der Hauptwachstumstreiber in den letzten Jahren war eindeutig die Neueröffnung von Restaurants.
Trotz Ihrer Wachstums-Ambitionen machen Sie in der McWin-Gruppe, zu der 1.500 Restaurants gehören, einen vergleichsweise kleinen Anteil aus. Sie sollen aber die stärkste Marke in Europa werden.
Mit dieser Aussage von McWin gehen wir voll und ganz mit und glauben an unser Potenzial. McWin ist mit Ketten wie Burger King, Popeyes oder Dean & David bisher stark im Quick-Service-Geschäft engagiert. Wir bieten italienische Full-Service-Gastronomie, das ist ein neuer Schritt.
L’Osteria hat einen höheren Qualitätsanspruch als die Quick-Service-Ketten. Wie wollen Sie den behaupten?
Es ist extrem wichtig, dass wir unser Level halten. Unser Konzept funktioniert seit 24 Jahren so gut, weil das Gesamtpaket stimmt mit einem guten Preis-Leistungsverhältnis und unserem Markenversprechen. McWin hat sich in dieser Höhe an L’Osteria beteiligt, weil sie der Überzeugung sind, dass wir einen guten Job machen und dass wir diesen Job weiter fortsetzen sollen.
Wie schafft man es heute in der Systemgastronomie eine Marke wie L’Osteria zu entwickeln?
Am wichtigsten ist, alles dem Markenversprechen unterzuordnen und sich darüber klar zu sein, dass Restaurant-Business People-Business ist. Die Gastronomie lebt von den Menschen. Mein persönlicher Leitsatz lautet: Wertschöpfung durch Wertschätzung. Nur zufriedene Mitarbeitende sorgen dafür, dass Gäste ein qualitativ hochwertiges Produkt und sehr guten Service in einer angenehmen Atmosphäre bekommen. Das schafft letztlich auch die Grundlage für Umsätze und Profitabilität.
Bei Ihnen sehen sich alle als eine große Familie, „La Famiglia“ nennen Sie das Konzept.
Genau, das ist die Unternehmenskultur, die unsere Gründer geschaffen haben und die uns einzigartig macht. Am Ende des Tages sind es unsere Franchise-Partnerinnen und -partner sowie unsere Mitarbeitenden vor Ort, die das im Tagesgeschäft mit Leben füllen und für das Markenerlebnis vor Ort sorgen.
Befürchten Sie, dass das Markenerlebnis unter der Expansion leiden wird?
Das ist ein wichtiger Punkt. Denn egal, was wir von zentraler Stelle aus vorgeben, braucht es vor Ort Menschen, die unsere Marken-DNA leben und mit Begeisterung Gastgeber und Gastgeberin sind. Grundlegend ist, dass wir dieselben Werte und Leitsätze teilen. Trotzdem kann die jede und jeder für sich individuell umsetzen und interpretieren.
Sie bieten seit Kurzem sogar eigene Produkte im Lebensmitteleinzelhandel an, im Sommer soll eine App rauskommen. Was haben Sie noch vor?
Eine Menge. Die Digitalisierung ist ein großes Thema, damit unsere Gäste L’Osteria zukünftig über alle Touchpoints erleben können. Außerdem wollen wir mit unserer neuen Aktion „Create your own Product”, also Pizza, Pasta oder Salat, noch individueller werden. In der neuen App sollen die verschiedenen Tools, die wir schon haben, zusammengeführt werden - also reservieren, bestellen, bezahlen und ein Loyality-Programm.
Setzen Sie auf Synergie-Effekte mit anderen McWin-Ketten? Gibt es konkrete Pläne, sich auszutauschen oder zusammenzuarbeiten?
Aktuell gibt es dazu noch keine Gespräche. Aber wenn es Synergien gibt, die für L‘Osteria hilfreich sein können, werden wir einen Verbund prüfen.
Sie haben auch Interesse an Food-Tech geäußert. Wollen Sie mit eigenen Produkten in diesen Bereich einsteigen?
Nein, aktuell nicht. Aber es gehört definitiv auf die Agenda. Wir wollen uns generell auf die wechselnden Ernährungsweisen unserer Gäste einstellen und haben dieses Jahr zum Beispiel wieder am „Veganuary“ teilgenommen.
Könnte hier die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen der McWin-Gruppe interessant sein?
Im „Veganuary“ haben wir mit tollen jungen Unternehmen zusammengearbeitet. Ob wir das fortsetzen oder uns im McWin-Netzwerk umschauen, wird man sehen. Auf jeden Fall wollen wir diesen Bereich weiter ausbauen.