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Sanktionen Wie realistisch sind Habecks Pläne für ein Ölpreis-Kartell?

Robert Habeck im Bundestag. Nicht nur hier bekommt der Wirtschaftsminister Druck, die Spritpreise zu senken 
Robert Habeck im Bundestag. Nicht nur hier bekommt der Wirtschaftsminister Druck, die Spritpreise zu senken 
Wirtschaftsminister Robert Habeck will mit einem globalen Nachfragekartell den Ölpreis deckeln und damit Russland treffen. Ökonomen und Branchenvertreter haben Zweifel an der Umsetzbarkeit 

Mit welchen Sanktionen lässt sich das kriegführende Russland treffen –  und wie halten wir gleichzeitig unsere Energieversorgung aufrecht? Es ist zuvorderst Grünen-Wirtschaftsminister Robert Habeck, der in der Bundesregierung Antworten auf diese Fragen finden muss. Und der dafür etwa wie vor nach zwei Monaten nach Katar reist, um Flüssiggas für deutsche Firmen und Haushalte klarzumachen.  

Nun hat der Wirtschaftsminister einen neuen Plan. Er will, dass die Preise an deutschen Tankstellen fallen. Gleichzeitig will er, dass die russischen Energieeinnahmen sinken. Möglich machen soll das eine Art Nachfragekartell – ein Gegengewicht zur mächtigen Opec, dem Zusammenschluss der erdölfördernden Staaten. Mit dieser Idee, die Habeck am Montag im Heute-Journal präsentierte, überraschte er viele. Branchenvertreter oder Ökonomen waren nicht eingeweiht. Tatsächlich soll die Idee erst kurz vorher in der EU-Kommission diskutiert worden sein. Von wem sie genau stammt, ist unklar. Habeck ist aber schon einmal vorgeprescht. 

Unternehmen bislang nicht involviert

Auch eine Antwort auf die Frage, wie genau das ganze funktionieren soll, bleibt der Wirtschaftsminister schuldig. Aus Habecks Ministerium hieß es am Dienstag, dass es sich um ein Vorhaben der Kommission handle. „Wir wissen nicht, was die Kommission endgültig macht oder ob sie überhaupt etwas in die Richtung macht“, sagte Sprecherin Susanne Ungrad. Nach Capital-Informationen soll zwar unter den Mitgliedsländern über die Idee gesprochen worden sein, eine Absprache aber existiert offenbar bisher nicht. Deswegen seien auch noch keine Unternehmen involviert gewesen. „Wir haben nur aus den Medien davon erfahren“, sagt Alexander von Gersdorff, Sprecher des Mineralölverbands en2x. 

Dabei wären klare Ansagen das, was die Unternehmen jetzt bräuchten. Wenn Habeck wirklich ein Preiskartell will, muss er die Mineralölkonzerne auf seine Seite ziehen. Ein solches Kartell bilden zwar die Mitgliedsstaaten selbst, aber die operativen Entscheidungen treffen die einzelnen Konzerne. Die wissen aktuell aber nicht einmal, ob der Wirtschaftsminister ein Kerosin- oder Heizölkartell fordert. Und solange die Idee derart unpräzise ist, sei auch keine Einordnung möglich, heißt es. 

Mit der Idee wird indes mehr als ein Ziel verfolgt. Dass die Preise in den Mitgliedsländern sinken, ist zwar gewünscht – dafür könnte man auch versuchen, den Wettbewerb zu fördern. Der Hintergrund ist eigentlich ein anderer: Bislang profitiert Russland nämlich von den Energiesanktionen. Da zahlreiche Länder ihre Lieferketten umstellen und Russland davon ausschließen, sinkt das globale Angebot. Das treibt die Preise weltweit nach oben. Hiervon profitieren wiederum auch russische Unternehmen, die mittlerweile neue Abnehmer in Asien gefunden haben – allen voran in Indien. Ein Barrel russisches Öl kostet inzwischen zwar 70 Dollar weniger als auf dem Weltmarkt. Russland verdient aber immer noch gut am Ölgeschäft, auch wenn das Land ein Viertel seiner Absatzmenge eingebüßt hat. 

Große praktische Probleme

Die Überlegung geht nun so: Wenn ein globales Nachfragekartell eine Preisobergrenze festlegen könnte, wären ärmere Länder nicht mehr auf Russland angewiesen. Unter Ökonomen gibt es durchaus Anhänger der grundsätzlichen Idee. „Der Ansatz: ,Wir haben die Menge reduziert, jetzt müssen wir über den Preis nachdenken‘, ist zunächst einmal richtig“, sagt Holger Görg, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) gegenüber Capital. „Dadurch, dass das Kartell die Preise festsetzt, könnte man die Erlöse für Russland reduzieren. Und das ohne weitere Preisanstiege bei uns.“  

So viel zu den theoretischen Vorteilen. Praktisch ist die Idee aber kaum umzusetzen, meint Görg. Um tatsächlich ein Nachfragekartell zu bilden, müssten de facto alle großen erdölimportierenden Länder dabei sein. Ansonsten ginge das Öl an den Meistbietenden. „Ich glaube kaum, dass Länder wie China oder Indien in einem solchen Kartell mitmachen würden“, sagt Görg. Wenn aber nur einige wenige Länder fehlen, verkaufen Länder wie Venezuela ihr Öl an die Länder, die ihnen am meisten bieten – zum Beispiel China. Das globale Angebot für Mitgliedsunternehmen würde sinken und die Preise steigen. Die Idee würde zum Bumerang. Es bräuchte also mehr als nur Zustimmung aus der EU und den USA, wo die Idee bislang unterstützt wird. „Ich halte so ein Kartell daher insgesamt für unrealistisch“, sagt Görg.  

Anders könnte es zum Beispiel bei Gas aussehen. Erdgas fließt in der Regel durch lange Pipelines und die Substitution ist deutlich komplizierter als bei Erdöl. Selbst wenn ein Gaslieferant die Preise senkt, trifft er nicht automatisch auf mehr Nachfrager. Die Rahmenbedingungen, dazu zählen etwa Pipelines, Schiffe oder Infrastruktur, müssen im jeweiligen Land passen. Bevor Gas fließt, vergehen in der Regel Monate bis Jahre. Das spricht aber interessanterweise für ein Nachfragekartell, weil es glaubwürdig langfristige Verträge abschließen kann. Da kein Mitgliedsland kurzfristig seine Abnehmer wechseln kann, gibt es auch weniger Anreiz aus dem Kartell auszutreten. 

Angebot zu niedrig

Eine andere Idee wäre eine Schwächung der Opec-Staaten – also jenem Kartell aus 13 Staaten, das weitgehend über die globale Ölfördermenge bestimmt. „Wenn da ein Unbundling gelingt und die Opec-Staaten tatsächlich konkurrieren müssten, würde das auch den Preis senken“, sagt Görg. Realistisch sei aber auch das nicht.  

Letztlich sei das Problem einfach, so Görg: Auf der Welt gebe es zu wenig Ölangebot, deshalb seien die Preise hoch. Steige das Angebot, fielen auch die Preise. Ärmere Länder könnten sich dann ebenso gut am Weltmarkt bedienen und russisches Öl substituieren. Das Problem sei die Ölproduktion, die nicht auf Knopfdruck hochgefahren werden könne. Aber: Viele Opec-Mitgliedsländer hätten bereits Investitionen angekündigt. Bis sich das aber an einer deutschen Tankstelle niederschlägt, dürfte es noch einige Monate dauern. 

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