Anzeige

Milliardenschwerer Investor Wie Saudi-Arabien die Kontrolle über das Profitennis gewinnen will

Rafael Nadal
Der spanische Tennisstar Rafael Nadal hat bereits einen Werbevertrag mit Saudi-Arabien abgeschlossen
© AAP / IMAGO
Mit zwei Milliarden Dollar könnte ein saudi-arabischer Staatsfonds künftig das Sagen im Profitennis haben. Viele Tennis-Stars werben schon für den Wüstenstaat, der damit versucht, international salonfähig zu werden

Schon seit Jahren versucht Saudi-Arabien mit Milliarden-Investitionen in den internationalen Profisport von seinen dramatischen Menschenrechtsverletzungen abzulenken. Erst Anfang des Monats wurde bekannt, dass der Golfstaat hunderte Millionen Euro Startkapital für ein neues Geschäftsmodell im Radsport bereitstellen will. Nun folgt das nächste aggressive Angebot der Saudis, diesmal an den Tennissport.

Wie die britische Zeitung „The Telegraph“ berichtete, will das Königreich über seinen Öffentlichen Investmentfonds PIF ganze zwei Mrd. US-Dollar für den Tennissport ausgeben und dafür die Turniere der ATP- und der WTA-Tour, also von Männern und Frauen, zusammenlegen. Außerdem will Saudi-Arabien ein eigenes Masters-Turnier in der ersten Saisonwoche austragen, wo aktuell noch der United Cup in Australien stattfindet. 

Dieses Angebot gelte für die nächsten 90 Tage und laufe dann aus, teilte ATP-Chef Andrea Gaudenzi den Organisatoren der Masters-Turniere am Samstag mit. Sollten ATP und WTA das Angebot annehmen, würde Saudi-Arabien nicht nur im Tennissport enorm an Einfluss gewinnen. Es wäre auch der nächste große Schritt in Richtung Zentrum des Weltsports und der Welt insgesamt.

Investitionen sind Teil eines „ausgeklügelten Konzepts“

Denn wenn es nach dem saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman geht, wird der Golfstaat mal eine internationale Großmacht sein. Auch Deutschland hat sich im vergangenen Jahr für engere Wirtschaftsbeziehungen mit dem Land ausgesprochen – zugleich aber betont, dass diese nicht losgelöst von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten betrachtet werden könnten. Die Menschenrechtslage in der absoluten Monarchie ist weiterhin äußerst kritisch. Der Kronprinz selbst soll den Befehl zur Ermordnung des regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi gegeben haben, auch die Todesstrafe gibt es noch. Freier Diskurs hingegen ist unmöglich, Medien werden staatlich kontrolliert und Kritiker sanktioniert.

Das Reformprogramm „Vision 2030“ ist ein Versuch der Regierung, gesellschaftlichen und sozialen Wandel zu bringen und vor allem die wirtschaftliche Abhängigkeit des Landes vom Öl zu verringern. Der PIF-Fonds ist dabei ein zentrales Instrument, denn er ist schier unerschöpflich. Nach eigenen Angaben verwaltet er fast eine Billion Dollar und investierte laut „Bloomberg“ zuletzt so viel wie kein anderer aktiver eigenständiger Investor weltweit. Für Macht und Einflussnahme scheint den Saudis kein Preis zu hoch.

So sind sie seit rund einem Jahr einer der Player im internationalen Fußballgeschäft, auch wenn der erste Hype langsam vorbei zu sein scheint. Mit dem PIF hält der Staat bei mehreren Klubs die Mehrheit der Anteile und konnte mit viel Geld auch große Namen aus den europäischen Ligen locken, zum Beispiel Karim Benzema, Cristiano Ronaldo und Neymar. Letzterer soll 160 Mio. Euro Jahresgehalt bekommen. Dass zudem die WM 2034 in Saudi-Arabien ausgetragen wird, gilt als sicher.

Christoph Breuer, Sportökonom von der Deutschen Sporthochschule Köln, erklärte Capital bereits nach der Verpflichtung der Fußballstars im vergangenen Jahr, dass hinter Saudi-Arabiens Sportinvestments ein „ausgeklügeltes Konzept“ stecke. „Damit will man eben auch die saudische Politik vermarkten und globale Aufmerksamkeit generieren“, sagte Breuer. „Eines der zentralen Ziele.“ Dabei gehe es auch darum, die mediale Attraktivität zu steigern.

Top-Stars stehen bereits hinter Saudi-Arabien

Auch in den Box-, Golf- und Motorsport hat der Wüstenstaat bereits Unsummen gesteckt. Berechnungen des britischen Magazins „MotorSport“ zufolge erhält die Formel 1 für den Grand Prix in Jeddah fast 50 Mio. Euro Antrittsgeld, so viel wie von keinem anderen Gastgeber. Dazu hat die Formel 1 vor vier Jahren eine Werbepartnerschaft mit dem weltgrößten Ölkonzern Saudi Aramco abgeschlossen über angeblich rund 440 Mio. Euro für zehn Jahre.

Die ATP und ihre Spieler scheinen solchen Angeboten ebenfalls nicht abgeneigt zu sein. Der 22-fache Grand-Slam-Sieger Rafael Nadal aus Spanien ist seit diesem Jahr etwa Botschafter des saudi-arabischen Tennisverbands. Kritik daran wehrte er bisher unter anderem mit dem Argument ab, dass sich das Land in einem Transformationsprozess befände hin zu einer Verbesserung der Menschenrechtslage. „Ich möchte dazu beitragen, dieses Land zu einer größeren Sportnation zu machen, sodass Männer und Frauen in absoluter Gleichheit Tennis spielen können und diese Vision teilen sie mit mir“, sagte Nadal beim spanischen Radiosender Cope. „Ich glaube nicht, dass sie mich verpflichten, um ihr Image zu pflegen.“ 

Sechs andere Top-Stars, darunter die akutelle Nummer eins der Welt, Novak Djokovic, und der Australian-Open-Sieger Jannik Sinner wollen im Oktober ein Show-Turnier im Wüstenstaat austragen – und profitieren offenbar ebenfalls gerne von den Ambitionen der Saudis im Tennissport.

Die ATP selbst verkündete Ende Februar eine „mehrjährige strategische Partnerschaft“. Der PIF wird damit bereits offizieller Partner der ATP-Rangliste sowie der Turniere in Indian Wells, Miami, Madrid, Peking, der ATP-Finals zum Saisonende in Turin und der Next Gen ATP-Finals im saudi-arabischen Jeddah. Zwar gibt es bei den Turnieren bereits Millionen-Preisgelder und viele Profis verdienen gut an lukrativen Werbeverträgen, doch die von den Saudis gebotenen zwei Mrd. Dollar würden wohl selbst den Tennissport mit Geld fluten. 

Annahme des Angebots steht aus

Dass das Angebot angenommen wird, ist jedoch längst nicht klar. Die WTA teilte laut Sportinformationsdienst SID mit, dass es innerhalb des Sports noch keinen Konsens über ein bevorzugtes Ergebnis gebe. Man würde das Angebot und Vorschläge der Grand-Slam-Veranstalter zur Zukunftsgestaltung prüfen.

Kritik an der Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien kam bereits im Januar vom Tennis-Australia-Chef Craig Tiley. „Ich habe das PIF-Interesse nie negativ gesehen. Ich habe es immer positiv gesehen“, wird Tiley vom SID zitiert. „Aber als Sport sollten wir nicht etwas tun, das einen langjährigen Partner im Sport negativ beeinflusst“. Denn ein Masters-Turnier in der ersten Saison-Woche, wie es Saudi-Arabien planen will, könnte den United Cup in Australien von dieser Position im Turnierkalender verdrängen. „Die Diskussion, die wir führen wollen, lautet: Wo ist die Chance, bei der wir alle nebeneinander existieren können", sagte Tiley.

Ein Blick auf das bisherige Engagement der Saudis zeigt: Ein Nebeneinander dürfte ihnen zu wenig sein.

Mehr zum Thema

Neueste Artikel

VG-Wort Pixel