Tesla hat erst kürzlich in Grünheide die Giga-Factory eröffnet und auch sonst ist Elektromobilität in aller Munde. Auch Sie setzen auf ein E-Auto – allerdings ein solarbetriebenes. Warum das?
Laurin Hahn: Wir haben uns angesichts der Klimakrise gefragt, was wir tun können, um sie aufzuhalten. Klar ist: Wir müssen aufhören, fossile Brennstoffe zu verbrennen. Das ist der Haupttreiber des Klimawandels. Und so haben wir uns dem Thema Elektromobilität zugewandt. Wir haben in unserer Garage per Hand ein erstes solarbetriebenes Elektroauto entwickelt und gesehen: Das funktioniert. Dann haben wir daraus eine Firma gegründet – und hier sind wir sechs Jahre später. Ein unglaubliches Gefühl!
Und wo genau stehen Sie heute, sechs Jahre später?
Laurin Hahn: Die Entwicklung ist inzwischen weit fortgeschritten. Wir hatten bereits mehrere Generationen von Versuchsträgern und befinden uns jetzt in der sogenannten Serien-Validierungsphase, machen also in Kürze zum Beispiel Crashtests und testen die Autos im Sommer und im Winter. Später folgt der Start der Serienproduktion, die für die zweite Jahreshälfte 2023 geplant ist.

Was waren bisher die größten Hürden?
Laurin Hahn: Die Entwicklung eines Fahrzeuges ist per se schon sehr herausfordernd. Wir haben Solarzellen in die gesamte Karosserie integriert – und das ist komplett neu. Und wenn etwas komplett neu ist, muss man eben viele Schleifen drehen und immer wieder nachjustieren. Immerhin soll das Auto am Ende viele Jahre auf der Straße stehen, Hitze- und Kältewellen, Salz und Hagel aushalten.
Lars Löhle: Ein normales Elektrofahrzeug zu bauen, ist heute nicht mehr so besonders. Die Herausforderung für uns war vielmehr die elektrische Integration unseres Alleinstellungsmerkmals: Wie kommunizieren die Solarpaneele mit dem Auto, wie wird die Energie in die Batterie gespeist? Außerdem nutzen wir teilweise Materialien, die bisher noch nicht im klassischen Autobau verwendet wurden. Da mussten neue Normen definiert werden und wir leisten so Pionierarbeit.
Das Marktumfeld ist derzeit nicht einfach und mit Tesla gibt es einen besonders starken Konkurrenten. Was machen Sie denn besser als die anderen?
Laurin Hahn: Die Branche ist sich im Grunde einig: Verbrenner sind Vergangenheit, E-Autos sind die Gegenwart. Und wir sind überzeugt, dass Solar-Elektroautos wie der Sion die Zukunft sind und die nächste große Welle in der Mobilität auslösen können. Auch unser Auto hat eine Batterie an Bord, man kann es also normal laden und auch bei Nacht und über lange Strecken fahren. Mit der Batterie des Autos soll man 305 Kilometer weit fahren können – mit der vom Auto erzeugten Solarenergie kommen durchschnittlich 112 Kilometer pro Woche Reichweite dazu. Der Pluspunkt, den wir anderen voraus haben, ist im Grunde: Die Sonne lädt das Auto zusätzlich auf – und zwar kostenlos.
Im ersten Quartal dieses Jahr hat Sono Motors noch 25,5 Mio. Euro Verlust gemacht, auch die Aktie hat seit dem Börsengang deutlich verloren. Wie will Sono Motors da herauskommen? Wie blicken Sie vor diesem Hintergrund in die Zukunft?
Laurin Hahn: Grundsätzlich blicken wir sehr positiv in die Zukunft. Wir erhalten viele Reservierungen für den Sion und auch in unserem Solar-Geschäft schließen wir immer mehr Partnerschaften ab. Der Umsatz steigt und das Interesse aus der Industrie ist riesig. Aber es ist nun einmal so, dass wir auch viel investieren müssen. Es gibt große Unternehmen, die heute Weltmarktführer sind, die aber über Jahre hinweg keine Gewinne gemacht haben. Das ist also nicht unüblich. Wir haben eine klare Strategie für die nächsten Jahre, die wir auch mit unseren Investoren geteilt haben – und wir sind optimistisch, dass wir unsere Ziele auch erreichen können.
In der Vergangenheit haben Sie durchaus ungewöhnliche Wege gewählt, um an Geld zu kommen und haben viele Millionen mit Crowdfunding eingesammelt. Warum haben Sie sich für diesen Weg entschieden und nicht nur auf Großinvestoren gesetzt?
Laurin Hahn: In Deutschland ist die Finanzierung in der Frühphase eines Start-ups für ein Hardware-Produkt schwierig. Deswegen sind wir früh einen anderen Weg gegangen und haben direkt mit Crowdfunding gestartet. Das ist auch der Grund, warum wir heute noch hier sind: Weil viele Tausend Menschen in einer frühen Phase an uns geglaubt haben. Zudem haben wir Anfang 2020 mit mehr als 50 Mio. Euro in Zahlungszusagen eine der größten Crowdfunding-Finanzierungsrunden europaweit, wenn nicht sogar weltweit, abgeschlossen. Das hat uns einen großen Schub gegeben, denn es zeigte auch anderen Investoren in einer späteren Phase, dass eine Community an dieses Produkt glaubt. Wir sind eng mit unserer Community verbunden und heute an der – aber der Weg war nicht einfach.
Warum haben Sie sich trotz aller Schwierigkeiten entschieden, das solargetriebene Auto in Eigenregie zu entwickeln und nicht unter dem Dach eines großen Autobauers?
Laurin Hahn: Wir haben früh in der Konzeptphase gemerkt, dass die Technologie, an der wir arbeiten, einzigartig ist. Und wir haben gespürt, dass wir da mehr rausholen können. Neben unserem Auto, dem Sion, gibt es zudem einen riesigen Markt für Logistik und Transporte – ein Sektor, der auch dringend klimafreundlichere Lösungen braucht und den wir bedienen wollen.

Lars Löhle: Dass wir das nicht mit einem Autobauer gemacht haben, ist ehrlicherweise auch aus der Not heraus geboren. Wir waren damals einfach ein bisschen früh dran mit der Idee, Solar auf jedem Fahrzeug zu integrieren.
Sie haben Logistik und Transporte angesprochen. Dort entwickelt Sono Motors Solarpaneele zum Aufmontieren. Welche Rolle spielt dieser Geschäftsbereich?
Lars Löhle: Wir haben zum Beispiel für den ÖPNV ein skalierbares System entwickelt, bei dem Solarpaneele auf das Dach von Bussen montiert werden können und mit der so erzeugten Energie etwa die Klimaanlage teilweise mit erneuerbarer Energie betrieben werden kann. Das spart Kraftstoff, CO2 und auch Kosten. In anderen Bereichen arbeiten wir noch an Prototypen, testen, validieren und gehen dann idealerweise Entwicklungspartnerschaften ein, um so langfristig Teil der Wertschöpfungskette zu werden.
Die Auslieferung des Sion soll im kommenden Jahr beginnen. Was sind darüber hinaus die nächsten Meilensteine, die Sie anpeilen?
Lars Löhle: Ein wichtiges Event ist für uns die IAA Transportation im September, dort werden wir neue maßgeschneiderte Solarlösungen für verschiedene Fahrzeugarchitekturen vorstellen.
Laurin Hahn: Ein Meilenstein beim Sion ist die Serien-Validierung der Fahrzeuge, die erwähnten Tests, die bereits anlaufen. Dann geht’s anschließend in die Vorserienphase, in der wir erste Autos mit unserem Partner in Finnland produzieren werden. Dann starten wir die Serienproduktion im zweiten Halbjahr 2023 und liefern unser Auto aus.