Fast ein Jahrzehnt lang stand Felix Jahn, 42, an der Spitze des Makler-Start-ups McMakler. Diese Woche war Schluss: Die Zeit sei reif um weiterzuziehen und „dem Unternehmen die Freiheit zu geben die nächste Phase zu beginnen“, schrieb er auf Linkedin. Jahn gibt den Geschäftsführerposten ab und verlegt sich mehr aufs Investieren.
Er ist damit nicht allein: In den letzten Monaten hat eine ganze Reihe von Gründern aus Jahns Generation die Leitung ihrer Start-ups abgegeben. Die meisten von ihnen sind jetzt um die 40 Jahre alt, sie haben in der Regel einst in den 2010er-Jahren gegründet und wollen sich nun dem nächsten Kapitel ihrer Karriere zuwenden.
Warum? Häufig sind die Gründe individuell oder haben mit der persönlichen Lebensplanung zu tun, ein paar Muster zeigen sich dennoch: Viele Gründer sehen sich selbst nicht als Manager, werden ihre Start-ups zu Unternehmen mit dreistelligen Mitarbeiterzahlen und etablierten Prozessen und Strukturen, fühlen sie sich nicht mehr wohl, ihnen fehlt die Aufbauarbeit. Bei anderen hat es nach einem knappen Jahrzehnt zum Exit gereicht: Das heißt, dass die beteiligten Risikokapitalinvestoren planvoll ihre Anteile veräußern konnten (für deren Beteiligungen sind in der Theorie Zeiträume von fünf bis acht Jahren vorgesehen), weil eine Übernahme oder ein Börsengang des Start-ups gelungen ist – was auch bedeutet, dass die Gründer auscashen können.
In einigen Fällen zeigt sich aber auch die düstere Großwetterlage der Start-up-Welt: Seit der Zinswende fließt kaum noch Venture Capital, die Bewertungen wachsen nicht mehr in den Himmel (im Gegenteil), viele Unternehmen kämpfen mit schwacher Nachfrage und müssen mit Entlassungen reagieren. Den Job als Krisenmanager wollen nicht alle Gründer übernehmen – bisweilen trauen auch die Anteilseigner ihnen die Aufgabe nicht zu.
Gründer-Abgänge: Eine Generation tritt ab
Der Powerpoint-Herausforderer Pitch, 2018 gegründet, gab Anfang 2024 den Rückzug von Gründer Christian Reber bekannt. Wenig später machte der 1986 geborene Unternehmer gegenüber Capital eine Burn-out-Erkrankung öffentlich – es war der Grund für seinen Rücktritt als CEO.
Im März räumte Wefox-Gründer Julian Teicke den Chefposten bei dem Start-up, lange Zeit Deutschlands größter Hoffnung im Bereich digitaler Versicherungen. Doch der Insurtech-Highflyer kriselte schon länger, Berichte über fragwürdige Geschäftspraktiken machten die Runde. Inzwischen liefert sich Teicke mit dem neuen CEO einen erbitterten Machtkampf über einen möglichen Verkauf von Wefox. Teicke, geboren 1986, gründete das Start-up vor genau zehn Jahren.
Nach neun Jahren an der Spitze des Frankfurter Insurtechs Clark war es für Christopher Oster (rechts) Zeit zu gehen: Er schaue stolz zurück auf den Weg von einem „kleinen fünfköpfigen Team, das Tag und Nacht arbeitete“ hin zu einer „fast 1000 Leute starken Organisation, die über fünf Länder verteilt ist und mehr als zwei Millionen Kunden hat“, so der 41-Jährige auf Linkedin. Sein Nachfolger ist der ehemalige Generali-Vertriebschef Benedikt Kalteier (links).
Mit dem Rückenwind des Ende der 2010er-Jahre beginnenden E-Roller-Booms und dem in den Folgejahren fast endlos fließenden Risikokapital wuchs das 2018 von Lawrence Leuschner gegründete Start-up Tier zu einem relevanten Mobilitätsplayer heran. Am Ende verhob sich das Unternehmen mit zahlreichen Übernahmen und einem allzu aggressivem Expansionskurs. Tier musste mit dem Wettbewerber Dott zusammengehen. „Es hätte ja auch alles aufgehen können“, sinnierte Leuschner im Capital-Interview. Der 1987 geborene Gründer wechselte in den Aufsichtsrat des neuen Unternehmens.
Die Wärmewende spielt dem Berliner Start-up Thermondo aktuell in die Hände – trotzdem entschied sich Gründer Philipp Pausder im Mai, nach mehr als elf Jahren den CEO-Posten abzugeben. 2021 war Thermondo bereits mehrheitlich von einem kanadischen Private-Equity-Fonds übernommen worden. Nach dem Exit war der Abschied des 48-jährigen Gründers erwartet worden.
Erst vor wenigen Tagen kündigte Felix Jahn an, seinen Chefposten bei McMakler, einem der größten deutschen Immobilien-Start-ups, niederzulegen. Dem Schritt seien „lange und intensive Vorbereitungen“ vorausgegangen, wie der Gründungsinvestor des Proptechs auf dem Karrierenetzwerk Linkedin mitteilte. Jahn, Jahrgang 1982, verlässt das Start-up nach neun Jahren.
Ihre Tonieboxen stehen in unzähligen Kinderzimmern: Zum Jahreswechsel traten die beiden Tonies-Gründer Marcus Stahl (rechts) und Patric Faßbender aus dem Vorstand der börsennotierten Firma zurück. Gestartet hatten sie das Unternehmen 2013 – heute sind beide schon über 50.
Schon Mitte 2023 gab Lucas von Cranach, 46, die Führung bei der Fußball-App Onefootball ab. Das 2008 gegründete Unternehmen steckte in Schwierigkeiten, bis heute hat es offenbar nie Gewinne gemacht. Das will der neue Chef nun ändern.
Auch beim Elektronikverleiher Grover, 2015 von Michael Cassau gegründet, lief es zuletzt nicht immer nach Plan. Es gab Entlassungen, gleichzeitig plant das Start-up immer noch mit einem Börsengang. Im November verkündete der 39-jährige Cassau seinen Rückzug.
2016 sorgten Laurin Hahn (links) und Jona Christians, heute beide um die 30, mit ihren Solarauto-Plänen für Aufsehen. Auf dem Weg zur Serienproduktion sollten Kleinanleger bei der Finanzierung helfen, doch genug Geld kam nicht zusammen – am Ende rutschte Sono Motors in die Insolvenz. Im November war klar: Eine mögliche Rettung wird ohne die beiden Gründer versucht.