Kennst du das Gefühl, wenn im Job eigentlich alles passt, du aber trotzdem spürst, dass irgendetwas fehlt? Genau so ging es mir vor einigen Jahren. Ich war Senior Vice President Human Resources bei Bertelsmann, hatte ein großartiges Team und einen super Chef. Und trotzdem: Eine innere Unruhe ließ mich nicht los. Ich stellte mir immer öfter die Frage: Verbringe ich meine Arbeitszeit eigentlich mit den Themen, die mich wirklich begeistern?
Anstatt zu kündigen und das Unternehmen zu verlassen, tat sich für mich ein anderer Weg auf. Einer, den viele übersehen: den des Intrapreneurs. Ich wurde also quasi zum Gründer eines – wie man es heute nennen würde: Corporate Start-ups –, ohne das Unternehmen zu verlassen.
Was als Idee in meinem Kopf begann, ist heute Realität: Ich darf mich täglich mit den Themen der Arbeitswelt beschäftigen und leite als CEO von Embrace eine stetig wachsende Markenfamilie im Bereich HR-Tech mit mehr als 550 Mitarbeitenden. Doch der Weg dorthin war alles andere als vorgezeichnet.
Der Wendepunkt: Kündigung oder Neuanfang?
Damals, Ende 2010, saß ich bereits mit meinem Kündigungsschreiben vor meinem Chef. Ich hatte das Gefühl, den größten Teil meiner Arbeitszeit mit Themen zu verbringen, die mich nicht wirklich begeisterten. Mein Job war inhaltlich nicht schlechter geworden, aber ich hatte mich verändert – und das bemerkte zuerst meine Frau. Sie brachte es auf den Punkt: „Du bist gelangweilt und brauchst dringend etwas Neues.“ Dieser Satz ließ mich nicht mehr los.
Als ich meinen Vorgesetzten über meine Kündigungsabsicht informierte, überraschte er mich mit einer unerwarteten Frage: „Was würdest du dir denn für deine Entwicklung wünschen?“. Meine Antwort: eine Employer-Branding-Agentur gründen und gleichzeitig ein Plattformgeschäft für junge Zielgruppen aufbauen.
Daraufhin schlug er mir vor, genau dies doch zu tun – und zwar bei und mit Bertelsmann als erstem Kunden. Das hat dazu geführt, dass ich damals im Konzern geblieben bin und das ist die Embrace Foundingstory aus 2011.
Was ist Intrapreneurship – und warum ist es wichtig?
Der Begriff „Intrapreneurship“ wurde bereits in den 1970er-Jahren von Gifford Pinchot III geprägt. Er beschreibt Mitarbeitende, die innerhalb eines Unternehmens eigene Geschäftsmodelle entwickeln und Innovationen vorantreiben – mit der unternehmerischen Freiheit eines Gründers bzw. einer Gründerin, aber ohne das volle finanzielle Risiko einer Selbstständigkeit.
Heute, in Zeiten von Fachkräftemangel und rasantem Wandel, ist dieser Karriereweg aktueller denn je. Unternehmen brauchen kreative Köpfe, die neue Geschäftsfelder erschließen. Gleichzeitig gibt es viele Talente, die sich weiterentwickeln wollen, ohne gleich ihre Festanstellung aufzugeben. Intrapreneurship bietet eine spannende Lösung für beide Seiten.
Fünf entscheidende Learnings für angehende Intrapreneure
Intrapreneurship klingt attraktiv, doch es braucht mehr als eine gute Idee. Hier sind fünf zentrale Lektionen aus meiner eigenen Erfahrung:
- Finde heraus, was dich wirklich antreibt. Intrapreneure arbeiten oft abseits etablierter Pfade – da braucht es mehr als reine Fleißarbeit. Nur wer für ein Thema brennt, kann andere mitreißen und auch in schwierigen Phasen motiviert bleiben.
- Baue dir ein starkes Netzwerk auf. Manchmal ist es entscheidend, Verbündete zu haben. Eine Mentorin oder ein Sparringspartner kann dir helfen, interne Dynamiken besser zu verstehen, Perspektivwechsel zuzulassen und deine Idee weiter zu schärfen.
- Bereite dich auf Widerstände vor. Intrapreneurship bedeutet oft, bestehende Strukturen herauszufordern. Nicht jeder wird sofort begeistert sein. Umso wichtiger ist es, dein Vorhaben mit klaren Zielen, belastbaren Zahlen und einem überzeugenden Business Case zu vertreten.
- Denke und handle wie ein Unternehmer – auch im Unternehmen. Entwickle eine klare Vision, setze messbare Meilensteine und sei bereit, Verantwortung zu übernehmen. Intrapreneure schaffen Mehrwert – und müssen ihn auch sichtbar machen.
- Intrapreneurship braucht einen langen Atem. Strukturen zu verändern, Entscheidungen herbeizuführen und Vertrauen aufzubauen, braucht Zeit. Der Weg ist selten linear – umso wichtiger ist es, dranzubleiben, flexibel zu bleiben und den eigenen Antrieb nicht zu verlieren.
Intrapreneurship als Karriere-Booster
Rückblickend war der Schritt ins Intrapreneurship bislang die beste Entscheidung meiner Karriere. Er hat mir nicht nur ermöglicht, meine Ideen umzusetzen, sondern auch gezeigt, wie viel Gestaltungsspielraum potenziell in Unternehmen stecken kann. Dass dieser Weg überhaupt möglich war, liegt auch daran, dass Unternehmertum (neben Kreativität) einer der beiden zentralen Werte im Bertelsmann-Konzern ist. Ich konnte diesen Wert damals selbst erleben – und er prägt auch meine Haltung und mein Handeln als CEO von Embrace. Mitarbeitende, die unternehmerisch denken und gestalten wollen, finden bei uns Unterstützung, Ermutigung und Gestaltungsspielraum – genau so, wie ich ihn damals selbst erfahren habe.
Für Unternehmen ist es eine riesige Chance, Talente zu halten, Innovation zu fördern und sich langfristig erfolgreich aufzustellen. Und für alle, die spüren, dass sie mehr wollen, aber nicht direkt gründen möchten, kann Intrapreneurship genau der richtige Weg sein.
Mein Rat: Wer das Gefühl hat, dass da noch viel mehr geht – sollte dem nachgehen. Dieser Mitarbeiter sollte mit seiner Führungskraft sprechen und herausfinden, wie er oder sie unternehmerische Energie innerhalb des Unternehmens einsetzen kann.
Transparenzhinweis: Capital gehört wie Embrace zum Bertelsmann-Konzern.