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Solarauto-Firma Neuer Notkredit – Sono Motors‘ Spiel gegen die Zeit

Der Sono Sion von Sono Motors im Jahr 2018
Der Sono Sion von Sono Motors im Jahr 2018
© AP Images / Uncredited / Picture Alliance
Das Solarauto-Start-up Sono Motors will sich mithilfe des US-Hedgefonds Yorkville aus der Insolvenz retten. Doch Dokumente zeigen: Der Deal bietet nur eine kurze Rettungsleine

Es war eine Meldung, die Optimismus verbreiten sollte: Das Münchner Solarauto-Start-up Sono Motos befreit sich mit frischem Investorengeld aus der Insolvenz. Der Deal sei ein wahrer „Durchbruch“, frohlockte das Unternehmen vergangenen Mittwoch in einer Pressemitteilung. Andere Medien schrieben gar von der „Rettung“ des angeschlagenen Solarhelden. 

Doch ist das chronisch unterfinanzierte Start-up damit wirklich über den Berg? Capital hat die jüngst veröffentlichte Jahresbilanz sowie dutzende Seiten an Verträgen ausgewertet. Die Dokumente zeigen: 

Der Deal mit dem US-Hedgefonds Yorkville erweist sich bei näherer Betrachtung als kurze Rettungsleine. Die Selbsteinschätzung des Start-ups weckt zudem erhebliche Zweifel, ob ein Turnaround bis Ende des Jahres überhaupt realistisch ist. Wie ist es also wirklich um Sono Motors bestellt? Eine Analyse in vier Akten:

Die Vorgeschichte

Das Münchner Start-up Sono Motors war 2016 angetreten, um ein günstiges Solarauto für den Massenmarkt zu bauen: den Sion. Die beiden Mitgründer Laurin Hahn und Jona Christians – zwei Abiturienten von der Waldorfschule ohne Studium, dafür mit großen Ambitionen – bastelten den ersten Sion-Prototypen damals noch in der elterlichen Garage. 

Mit ihrem Versprechen vom klimafreundlichen Auto und geschicktem Youtube-Marketing gelang es ihnen, eine treue Fangemeinde um sich zu scharen, die Sono Motors schließlich bis zum Börsengang trug. Auf dem Höhepunkt des Hypes war das Unternehmen mehr als 2 Mrd. US-Dollar wert und hatte mehr als 44 Mio. Euro Anzahlungen von rund 21.000 interessierten Käufern kassiert. 

Und das alles, obwohl es noch gar kein serienreifes Solarauto vorzuweisen hatte. Immer wieder verschob Sono Motors den Produktionsstart des Sion, schlitterte zweimal fast in die Pleite. Laut dem jüngsten Jahresbericht arbeitete das Start-up dabei hoch defizitär: Unterm Strich stand 2022 ein Verlust von 184 Mio. Euro, bei Einnahmen von rund 230.000 Euro.

Im Februar 2023 kündigte die Firma schließlich das Aus für das Solarauto-Projekt an, nachdem ein erneuter Rettungsversuch durch die Fangemeinde gescheitert war. Drei Monate später meldete die Firma Insolvenz an. 

Der Deal

Nach mehreren Monaten Funkstille überraschte Sono Motors vergangene Woche mit einer vermeintlichen Erfolgsmeldung: Das Unternehmen habe einen Investorendeal mit dem US-Hedgefonds Yorkville eingetütet, zudem habe das Insolvenzgericht den Sanierungsplan abgenickt. Schon Ende des Monats könne man voraussichtlich raus aus der Insolvenz, als Solartechnik-Zulieferer soll es weitergehen. Das perfekte Comeback also?

Die Details des Yorkville-Deals teilte Sono Motors in seiner offiziellen Pressemeldung nicht mit. Laut mehreren Einreichungen bei der US-Börsenaufsicht SEC, die Capital ausgewertet hat, handelt es sich um ein Wandeldarlehen in Höhe von bis zu 9 Mio. US-Dollar. Ein Kredit, den das Start-up bis Juli 2025 entweder zurückzahlen oder in Anteile wandeln muss.

Der Notkredit kommt mit harten Konditionen, mit denen die Sono-Motors-Gründer Hahn und Christians faktisch aus dem Unternehmen gedrängt werden: 

Laut den „Yorkville Vereinbarungen“ müssen die beiden alle Superstimmaktien abgeben, mit denen sie zuletzt noch eine Mehrheit von rund 62 Prozent hielten. Dafür sollen sie insgesamt rund 100.000 Euro erhalten. Rein rechnerisch sinkt damit die Unternehmensbewertung vom einstigen Milliardenwert auf rund 161 Mio. Euro. Zudem verlangt Yorkville den Austausch der kompletten Führungsriege.

Auf der Außerordentlichen Hauptversammlung am 31. Januar stimmten 99 Prozent der anwesenden Aktionäre für die Bedingungen. Gleichzeitigt trat der gesamte Aufsichtsrat sowie die Führungsriege um die Gründer, Finanzchef Torsten Kiedel und Technikchef Markus Volmer zurück. Als neuen CEO und CFO setzte Yorkville den Amerikaner George O‘Leary ein.

Der Investor

Yorkville hat bereits eine Vorgeschichte mit Sono Motors: Die Investmentfirma aus New Jersey, die mit ihrem Fonds auf den Cayman Inseln registriert ist, hatte dem Start-up bereits Ende 2022 einen ersten Notkredit gewährt. Mit offenen Forderungen von rund 21 Mio. Euro ist sie laut SEC-Unterlagen somit einer der größten Gläubiger von Sono Motors. 

Auf einen noblen Retter mit Herz für Solar sollte man jedoch nicht hoffen, denn die Investmentstrategie von Yorkville folgt einem klaren Ziel: Der Hedgefonds kauft sich in der Regel bei strauchelnden Firmen ein, deren Aktien bereits auf Schrottniveau abgesunken sind, und wettet auf einen Kursanstieg. Zuletzt hatte Yorkville diese Investmentstrategie auch bei anderen kriselnden E-Autobauern versucht, etwa bei Lordstown, Vinfast, Faraday Future und Canoo. 

Kurzum: Yorkville ist kein strategischer Partner mit langfristigem Interesse, sondern wird vermutlich alles daransetzen, bis zum Ablauf des Wandeldarlehens im Juli 2025 seine Rendite zu kassieren.

In Finanzkreisen genießt die Firma einen eher zweifelhaften Ruf, weil die Börsenaufsicht SEC vor mehr als zehn Jahren wegen Betrugs ermittelte – die Vorwürfe wurden von einem Gericht jedoch abgewiesen. Laut einem Bericht der „New York Times“ ist Yorkville 2022 auch als Investor bei Trump Media eingestiegen.

Die Aussichten

Mit dem frischen Kapital will Sono Motors nach eigener Aussage die Serienreife seiner Solar-Nachrüstpakete für Busse („Solar Bus Kits“) finanzieren. Die hauseigene Solarverkleidung für Autodächer war ein Überbleibsel des gescheiterten Sion-Projekts. In der Technologie sehe man weiterhin großes Potenzial, hieß es in der Pressemitteilung.

Die endgültige Rettung aus der Insolvenz ist damit jedoch fraglich: Laut dem Jahresbericht für 2022, den Sono Motors kürzlich nachgereicht hat, soll die Notfinanzierung nur den Betrieb bis Ende des Jahres sicherstellen. Das Start-up hat nun also knapp zehn Monate Zeit, um mit seinem Solarprodukt profitabel zu werden – andernfalls muss ein neues Investment her.

Während sich die neue Sono-Führung um Jan Schiermeister und Denis Azhar öffentlich optimistisch gibt und von einem „florierenden Geschäft für die kommenden Jahre“ träumt, klingt die Prognose im jüngsten Jahresbericht jedoch deutlich nüchterner: „Unsere Technologie ist noch nicht in der industriellen Produktion getestet worden“, gibt das Start-up dort zu. Entsprechende Maschinen müssten erst noch entwickelt werden. Auch die Tauglichkeit für den täglichen Einsatz der Solarpanels im großen Maßstab sei „weitgehend unerprobt“. Demnach ist Sono Motors offenbar noch weit von der Serienproduktion seiner Solar-Nachrüstprodukte entfernt. 

Auch die Absatzprognose klingt im Jahresbericht deutlich verhaltener: „Bisher haben wir noch keine verbindlichen Serienverträge für unseren Solar-Bus-Bausatz abgeschlossen“, heißt es dort. Öffentlich sprach Sono Motors zuletzt von rund 28 Kunden. Dabei scheint es sich allerdings nur um Absichtserklärungen und Verträge über Prototypen zu handeln.

Der Yorkville-Deal ist daher vor allem eins: ein Spiel gegen die Zeit. Falls Sono Motors seine ambitionierten Ziele bis Dezember 2024 nicht erreicht, droht die nächste Beinahe-Pleite. Beim aktuellen Rettungsversuch sind die Voraussetzungen jedoch deutlich schlechter als in der Vergangenheit: Die antreibenden Gründer sind weg, ein Großteil der Belegschaft ist gefeuert, die Verbliebenen verunsichert. Somit stellt sich die Frage, wer die Wende überhaupt noch stemmen soll.

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