Capital: Herr Kremser, Hasso Plattner hat nun seinen Rückzug für 2024 angekündigt. Kommt die Entscheidung zu spät oder noch rechtzeitig für Sie?
ARMIN KREMSER: Die Kritik von Aktionärsseite stand ja bereits 2021 im Raum, dass Hasso Plattner als Aufsichtsratschef zu lange im Amt und ein Generationswechsel überfällig sei. Dazu muss man sagen, dass sich SAP damals in einer – aus unternehmensstrategischer Sicht – noch kritischeren Phase als aktuell befand und in der Zeit davor ein umfangreiches Stühlerücken im Vorstand stattgefunden hat. Hätte man damals aufgrund des Altersarguments „auf Teufel komm raus“ einen Hasso Plattner-Nachfolger installiert, wäre man ein unnötiges Risiko eingegangen. Insofern war es gerade in dieser Umbruchphase enorm wichtig, mit ihm noch einen erfahrenen Anker zu behalten. Jetzt sieht man allmählich die ersten Erfolge der neuen Strategie, so dass sich Hasso Plattner aus einer Position der Stärke geordnet zurückziehen kann. Der Zeitpunkt der Staffelstab-Übergabe ist damit aus unserer Sicht keinesfalls zu spät gewählt.
Hasso Plattner war ein Konzernmythos. Verliert SAP dadurch seine DNA oder ist das aus Ihrer Sicht gar nicht mehr so wichtig angesichts der globalen Herausforderungen?
Irgendwann findet in jedem Bereich eine Zäsur statt, das ist nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Politik oder im Sport so. Nehmen Sie folgendes Beispiel: Uli Hoeneß hat für Bayern München eine ähnlich herausragende Bedeutung wie Hasso Plattner für SAP. Er ist quasi die Personifikation des Clubs. Doch auch nach dessen Rückzug aus allen offiziellen Ämtern ist der Verein weiter erfolgreich, weil er entsprechend fähige Leute an die wichtigen Schaltstellen gesetzt hat.
Natürlich hinterlässt Hasso Plattner riesige Fußstapfen: Er hat SAP zum Global Player gemacht, ist die graue Eminenz des Konzerns und der letzte verbliebene Gründer mit offizieller Funktion. Doch weil heutzutage derjenige gewinnt, der mit dem immer rascheren Wandel und fortwährenden Innovationsdruck am besten zurechtkommt, sind die Sorgen um einen mit Hasso Plattners Weggang verbundenen möglichen Verlust einer tief verankerten Unternehmens-DNA aus unserer Sicht übertrieben. Außerdem ist da noch CEO Christian Klein. Er ist ein Eigengewächs von SAP, der das Unternehmen von der Pike auf kennt und dessen Mentor Hasso Plattner war. Dadurch bleibt ein Teil der DNA ja durchaus erhalten.
Die Nachfolge als Aufsichtsratsvorsitzender soll Punit Renjen übernehmen. Wie bewerten Sie die Entscheidung?
Die Entscheidung ist wahrscheinlich nicht die 1A-Lösung gewesen, da man zunächst eine interne Option favorisiert hatte. Dennoch könnte man nun aus der Not eine Tugend gemacht haben, da man mit Punit Renjen einen international erfahrenen und top vernetzten Manager holt, der einem Konzern vorstand, der deutlich größer als SAP und bereits seit geraumer Zeit ein wichtiger Partner ist und wahrscheinlich auch mit CEO Christian Klein gut harmonieren dürfte.
Viel anders machen dürfte Punit Renjen allerdings zunächst nicht. Er wird die Transformationsstrategie, die sowieso unumkehrbar ist, voll mittragen. Und darüber hinaus die Zukunftsthemen wie Metaverse, Blockchain und KI weiter ausbauen.
Die Herausforderungen für SAP sind riesig. Wo liegen diese aus Ihrer Sicht und was erhoffen Sie sich hier für Impulse vom neuen Aufsichtsrat?
Die größten Herausforderungen für den Konzern liegen darin, bei den Kunden Akzeptanz für die neuen Angebote zu schaffen, gute Talente langfristig an sich zu binden, um sie nicht an die Konkurrenz zu verlieren, und die Portfoliostruktur weiter zu straffen.
SAP hat ein Sparprogramm angekündigt und will 3.000 Mitarbeitende entlassen. Gehen Ihnen diese Maßnahmen weit genug?
Das Sparprogramm ist vor allem aufgrund des makroökonomischen Gegenwinds notwendig geworden. Die Kostensituation ist aufgrund der hohen Inflation als unbefriedigend zu bezeichnen, die natürlich gerade in Zeiten eines transformationsbedingt ohnehin verschlechterten Rentabilitätsprofils an irgendeiner Stelle aufgefangen werden muss. Personal ist meist der erste Posten, bei dem gespart wird. Mit dem geplanten Abbau von 2,5 Prozent der Belegschaft reiht sich SAP in die Riege vieler Tech-Unternehmen ein, die derzeit dasselbe tun. Je nachdem, wieviel Druck aus der Makro-Ecke noch kommt, sollten die geplanten Einsparungen von 300-350 Mio. Euro pro Jahr ab 2024 aber ausreichend sein.