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Kraftstoffmangel In manchen Regionen Russlands geht der Sprit aus

Zapfsäule an einer russischen Tankstelle
Zapfsäule an einer russischen Tankstelle
© picture alliance / Russian Look | Maksim Konstantinov
Russische Regionen melden Kraftstoffmangel. Vor allem in der Nähe der Ukraine stehen Autofahrer, Landwirte und Spediteure auf dem Trockenen

Russland ist ein Rohstoff-Powerhouse. Seit Kriegsbeginn hat das Land von Staatschef Wladimir Putin trotz Sanktionen 410 Milliarden Euro mit Öl- und Gasexporten verdient, berechnete jetzt das Zentrum zur Erforschung von Energie und sauberer Luft (CREA) in Finnland.

Doch während China, Indien und die Türkei noch immer beherzt auf dem russischen Rohstoffbasar zugreifen, wird an den heimischen Zapfsäulen SOS gefunkt: „In mehreren Regionen wird an Tankstellen ein Kraftstoffmangel gemeldet“, titelte die russische Tageszeitung „Iswestija“ vor wenigen Tagen. An mehreren Tankstellen sei das Benzin verschwunden, heißt es in dem Bericht.

Knappe Treibstoffe seit Juli

Erstaunlich ist, wo die Probleme akut sind: Dem Bericht zufolge streiken die Zapfsäulen derzeit besonders oft in südlichen Regionen wie der annektierten Krim und der benachbarten Oblast Krasnodar - und zwar seit einer ganzen Weile: Im Juli gab es laut der „Iswestija“ in den betroffenen Regionen an vielen Tankstellen kein Benzin mehr mit 95 Oktan. Inzwischen sollen Benzin mit 92 Oktan und Diesel knapp sein.

Ungewöhnlich für ein Land, das praktisch nie etwas anderes gemacht hat, als seine fossilen Rohstoffe auszubeuten. Erst recht, wenn man die Erklärungen liest: Branchenvertreter machen in dem Bericht deutlich verlängerte Transportzeiten auf der Schiene für die Mangelversorgung verantwortlich. Demnach sind Güterzüge, die im rohstoffreichen Zentralrussland mit Ölprodukten beladen werden, oftmals mehrere Wochen länger als üblich unterwegs, um die betroffenen Regionen im Süden des Landes zu erreichen.

Die „Iswestija“ kann die Angaben konkretisieren: Im Vergleich mit dem Vorjahr hat sich die Transportdauer demnach inzwischen verdoppelt. Ein Drittel des gesamten kommerziellen Benzins für Tankstellen soll derzeit auf der Schiene feststecken.

Wer den russischen Angriff auf die Ukraine in den vergangenen Wochen verfolgt hat, ahnt, was Kern des Problems sein könnte: Die ukrainische Armee nimmt seit einigen Wochen gezielt russische Munitionslager und wichtige Verkehrsanbindungen in Richtung Front ins Visier, um die russischen Truppen von lebenswichtigen Nachschublieferungen anzuschneiden.

Doch weit gefehlt, kaputte Brücken und zerstörte Gleise in und um die besetzten Gebiete werden in der „Iswestija“ keineswegs für die Treibstoffknappheit verantwortlich gemacht. Tatsächlich werden sie nicht einmal erwähnt, denn für die Schwierigkeiten ist ein ganz anderer „Blumenstrauß“ an Problemen verantwortlich: Die Gleise der russischen Eisenbahn seien überlastet, weil durch die Sanktionen Kohleexporte umgeleitet werden müssten, erklären die Treibstoffverbände in der Zeitung. Außerdem seien die Transportwege generell länger geworden. An einigen Raffinerien werden auch Wartungs- und Reparaturarbeiten durchgeführt, heißt es. Zu guter Letzt war die russische Eisenbahn durch die „saisonale touristische Nachfrage überlastet“.

Wie glaubwürdig diese recht unterschiedlichen Angaben sind, lässt sich nur schwer beurteilen. Zweifel sind allerdings angebracht, denn in den betroffenen Regionen beschweren sich nicht nur Autofahrer über ausbleibenden Nachschub, sondern seit vielen Wochen regelmäßig auch russische Truppen. Schwer vorstellbar, dass deren Lieferungen hinter Ausflugszügen zurückstecken müssen.

Auch ein Video von der Krim zeichnet ein anderes Bild als der russische Treibstoffverband: Darin ist ein Güterbahnhof der Hauptstadt Simferopol zu sehen, in dem reihenweise Züge mit Dutzenden Kesselwagen „geparkt“ wurden, weil sie die Halbinsel laut Video-Beschreibung derzeit nicht verlassen können. Die riesigen Kessel sollen eigentlich Kraftstoffe und Schmierstoffe transportieren.

Auch die Preise steigen

Was auch immer die Ursache für den Kraftstoffmangel sein mag, der Schaden in Russland ist angerichtet. Nicht nur für Autofahrer, sondern auch für Landwirte, die mit schwerem Gerät ernten und aussäen müssen, und für LKW-Fahrer, die ohne Diesel nicht vom Fleck kommen.

Deshalb muss schleunigst eine Lösung her, die die Regionen aber nicht herbeizaubern können: Neben der Krim und der Region Krasnodar ist auch die südliche Oblast Astrachan betroffen. Von dort hieß es, dass die Abfüllstationen ihre Arbeit bis Ende des Monats wieder vollständig aufnehmen sollten. In ihrem neusten Update berichtet die „Iswestija“ allerdings, dass trotz abgeschlossener Reparaturen bislang keine Besserung eingetreten ist.

Auch in Krasnodar ist die Lage nach wie vor kritisch. Dort wird dem Bericht zufolge Ersatztreibstoff aus angrenzenden Regionen bezogen. Doch das führt zu einem neuen Problem: Durch die steigende Nachfrage steigen auch die Preise. Ein Landwirtschaftsvertreter sagt in der Zeitung, dass die Dieselpreise seit Mai um 25 Prozent gestiegen sind. Russische Spediteure berichten, dass der Preis allein in der vergangenen Woche an einigen Tankstellen um zehn Prozent zugelegt hat. Sie fordern daher wie das Landwirtschaftsministerium staatliche Unterstützung und einen Deckel für den Dieselpreis.

Erstaunlich, wie schnell sich die Lage verändern kann: Vor knapp anderthalb Jahren begann Wladimir Putin seinen mörderischen Angriff auf die Ukraine und versuchte, Europa mit seinen Gaslieferungen zum Zuschauen zu zwingen. Als das nicht geklappt hat, hat er versucht, die Ukraine mit unzähligen Raketenangriffen auf Energiesysteme, Getreidesilos und Häfen zur Aufgabe zu zwingen. Doch am Ende ist es die Tankstelle mit Atomwaffen, die keinen Diesel mehr für Traktoren und LKW hat.

Dieser Artikel ist zuerst bei n-tv.de erschienen

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