Auf den ersten Blick sehen viele Plagiate den Original-Produkten zum Verwechseln ähnlich. Der wesentlich niedrigere Preis ist aber schon ein erstes Indiz für die Makel, die sich hinter den Fälschungen verbergen: Billige Materialien, schlechte Verarbeitung – und manchmal sogar Verstöße gegen Gesundheits- und Sicherheitsstandards. Für viele Hersteller bedeuten die Kopien zudem finanzielle Einbußen und oftmals auch einen Imageschaden.
Zum 45. Mal hat die Aktion Plagiarius deshalb die zehn dreistesten Produktplagiate mit dem Schmäh-Preis Plagiarius ausgezeichnet . Bei der Auszeichnung geht es der Organisation nicht darum, ob die nachgemachten Produkte illegal sind. Nach eigenem Selbstverständnis will Plagiarius damit „die fragwürdigen Geschäftsmethoden von Produkt- und Markenpiraten ins öffentliche Bewusstsein rücken“.
Unter den Preisträgern, die den Preis – einen schwarzen Zwerg mit goldener Nase – in diesem Jahr erhalten, sind nachgemachte Produkte in allen Preis- und Qualitätsklassen. Immer häufiger stammen die Nachahmer dabei aus dem direkten Umfeld der Hersteller. Die Nachahmer prüfen gezielt, ob gewerblich geschützt sind. Das bestätigt auch der Branchenverband VDMA. Seinem „Produktpiraterie-Bericht 2020“ zufolge kommen die meisten Produktplagiate – rund 61 Prozent – aus China. Immerhin fast ein Fünftel aller Plagiate stammt aus Deutschland und etwas mehr als ein Zehntel – zwölf Prozent – werden in Russland produziert.
Die zehn dreistesten Produktplagiate in 2021
Unter den zehn Plagiarius-Preisträgern zeichnet sich außerdem ein weiterer Trend ab. Einige Firmen kommunizieren mittlerweile sehr offen, dass es sich bei ihren Produkten um Kopien handelt, die man allen Kunden zu erschwinglichen Preisen anbieten wolle, so die Begründung. Vergeben wurden von der Aktion Plagiarius drei Hauptpreise und sieben gleichrangige Auszeichnungen. Das sind die zehn dreistesten Plagiate in 2021 (links das Original, rechts die Kopie):
Plagiarius 2021
Einen Doppelgänger der Hybrid Kapuzenstrickjacke „e.s. motion ten“ (links) von Engelbert Strauss brachte der Discounter Aldi Süd auf den Markt. Design und Materialmix stimmen überein – bis hin zur linken Brusttasche aus Strick mit vertikalem Reißverschluss. Der einzige Unterschied ist laut Plagiarius die Qualität der Blender-Jacke. Besonders ärgerlich: Eigentlich genießt das Original von Engelbert Strauss EU-weiten Designschutz, der ist allerdings nicht eingetragen. Aldi Süd sieht keine Design-Verletzung, wollte aber mit Engelbert Strauss das Gespräch suchen. Bisher sei das nicht passiert, kritisiert Plagiarius.
Wer Gebäck und Kekse formen will, kann auf den „FormFix 105“ (links) der niederrheinischen Firma Janssen GmbH setzen. Die Gebäckformmaschine zählt zu den kleinsten im Sortiment und wurde schon in den 1950er Jahren entworfen. Seit Oktober 2020 hat der „FormFix 105“ aber überraschende Konkurrenz aus der Türkei. Die Firma Trabzon hat einen eigenen Gebäckformer, den „Handymach“, entwickelt, der dem niederrheinischen Original bis ins kleinste Detail gleicht. Selbst Rezepte und Teile der Choreographie im Werbevideo entsprechen dem „FormFix 105“.
Die Möbel der preisgekrönten Produktlinie „Polygon“ (=Vieleck) stehen in vielen Ländern unter Designschutz. Allerdings haben die Sessel der kroatischen Firma Prostoria mittlerweile einen Nachahmer, der ihnen zum Verwechseln ähnlich sieht – und auch den gleichen Namen trägt. Hinter der Kopie steckt die britische Firma M-Edition, die es sich laut eigenen Angaben zum Ziel macht „ikonische Designs perfekt zu reproduzieren, nach den gleichen Standards wie die Originale herzustellen und für jeden erschwinglich zu machen“. In der Realität bleiben die Plagiate aber in Komfort und Verarbeitung hinter dem Original zurück. Nach einer Abmahnung hat M-Edition eine Unterlassungserklärung unterschrieben. Der Verkauf der „Polygon“-Sessel wurde mittlerweile gestoppt.
Gleiche Form, gleiche Funktion und gleiches Design – vergleicht man den faltbaren Geschirrabtropfer „Space Wonder“ der Schweizer Firma Rotho (links) mit dem Plagiat der türkischen Firma Tuffex lassen sich kaum Unterschiede zwischen Original und Fälschung feststellen. Erst im Gebrauch zeigt sich: Der Kunststoff des Plagiats ist billiger, die Faltstellen brechen damit leichter. Nach Angaben von Tuffex werde das Plagiat nicht länger verkauft. Auf der Webseite eines polnischen Online-Händlers sind die Geschirrabtropfer aber weiterhin zu finden.
Ihren Stufenborer „Ultimatecut“ will sich die Hozgerlingener Ruko GmbH patentieren lassen. Der Prozess zur Erteilung eines Patents ist allerdings noch nicht abgeschlossen. Angesichts des Bohrers der Firma Karnasch Professional Tools dürfte das aber umso wichtiger werden. Denn der Bohrer der Heddesheimer GmbH entspricht in allen Produktmerkmalen und Designdetails dem von Ruko. Karnasch argumentiert, dass der „Stand der Technik“ frei nutzbar sei und ist nicht bereit eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben.
Seit 2012 hatte ein Nachahmer die Christbaumständer „Easyfix Classic“ und „Easyfix Classic light“ (links) der Berliner Tannen-Paradies GmbH in den Niederlanden vertrieben. Seit 2019 hat das Unternehmen eigene Christbaumständer, die den Berliner Modellen optisch und auch farblich zum Verwechseln ähnlich sehen. Lediglich beim Material wird der Unterschied deutlich. Denn anders als vom Handel gefordert ist die Kopie nicht aus Recyclingkunststoff. Mittlerweile werden die Plagiate nicht nur in den Niederlanden beworben, sondern auch auf Messen in mehreren europäischen Ländern. Der Nachahmer argumentiert, dass das Design nicht ‚schutzfähig‘ sei und bestreitet die Nachahmung.
Nur anhand der sichtbaren Schrauben und der minimalen Unterschiede an der Unterseite der Türstopper lassen sich im Falle der „Screw or Glue“-Türstopper (links) der Wagner System GmbH Original und Kopie voneinander unterscheiden. Im Design ist das Plagiat der tschechischen Walteco aber genau auf das deutsche Vorbild abgestimmt. Die geforderte Unterlassungserklärung hat Walteco nicht unterschrieben, eine Klage seitens der Wagner System GmbH ist derzeit anhängig.
Für seine preisgekrönte Produktlinie „Up-Lift“ hat Prostoria Designschutz in vielen Ländern eingetragen. Vor Plagiaten scheint das trotzdem nicht zu schützen. Denn das Schlafsofa der Oxygen Corp. ist in Design und Funktion identisch mit dem Original. Selbst der Name ist gleich. Oxygen verkauft online mehrere Kopien renommierter Hersteller. Nach eigenen Angaben seien die Standards gleich und die Materialen hochwertig. Damit wolle man hochwertige Produkte auch für kleines Geld erschwinglich machen. Tatsächlich lassen Materialien und Verarbeitung allerdings zu wünschen übrig. Von Plagiarius gibt es deshalb Platz drei bei den dreistesten Produktkopien.
Auf Platz zwei landet ein Plagiat, dass nicht nur dreist ist, sondern für Verbraucher auch gefährlich sein kann. Anders als das Original „ERS 5“ von Manotec (links) verstößt das elektrische Bremsenentlüftungsgerät der chinesischen Nachahmer gleich mehrfach gegen die gesetzlichen Vorschriften für Elektrik und Druckgeräte: Der Druckregler ist für Bremsflüssigkeit nicht geeignet, das Gerät ist undicht, sodass Leitungen unterspült werden und die Beschriftung ist fehlerhaft. Bei der Vermarktung nutzt der Nachahmer ein Originalbild von Manotec, einige der eigenen Bedienknöpfe wurden per Bildbearbeitung ergänzt. Aufgrund des eingetragenen Designschutzes lässt Manotec rechtsverletzende Online-Angebote regelmäßig löschen.
Der chinesische Konzern Guley zählt zu einem der größten Fälscher von Stihl-Produkten. Da ist auch die Motorsäge „Stihl MS 250“ keine Ausnahme. Neben der Wortmarke verletzt die Fälschung dabei auch die Farbmarke orange/hellgrau, die in über 100 Ländern geschützt ist. Ein weiteres Problem bei gefälschten Motorsägen: Oft erfüllen sie weder gesetzliche Vorschriften noch sicherheitsrelevante Kriterien wie Abgaswerte oder die Materialfestigkeit. Guley landet mit diesem Plagiat deshalb auf Platz eins der dreistesten Fälschungen. Stihl hat bislang acht Gerichtsverfahren gegen das chinesische Unternehmen gewonnen und insgesamt 170.000 Euro Schadenersatz erhalten. Auch gegen weitere Nachahmer geht das Unternehmen vor – auch zum Schutz der Anwender.