Eigentlich will die „Aktion Plagiarius“ auf die ernstzunehmenden Folgen von Produktpiraterie aufmerksam machen – und so bestenfalls zur Prävention beitragen. Mit dem gleichnamigen Schmähpreis bedenken die Aktivisten Hersteller und Händler von besonders dreisten Plagiaten und Produktfälschungen. Eine jährlich wechselnde Jury aus den Bereichen Patentschutz und Design sondiert dazu den Markt, sichtet Beschwerden und bittet mögliche Plagiatoren um Stellungnahmen.
Doch die Mühen, so scheint es, zeigen bislang kaum Wirkung. „Der Handel mit Billigprodukten und Plagiaten boomt“, teilten die Plagiarius-Verantwortlichen am Freitag anlässlich der jüngsten Vergabe ihres Negativpreises mit. Allein im vergangenen Jahr seien rund vier Milliarden als zollfrei deklarierte Pakete aus Drittstaaten in die EU eingeführt worden.
Besonders Ramsch-Plattformen wie Temu, Shein oder Alibaba sorgten für großes Aufkommen und seien in erheblichem Maße für die Einfuhr von Plagiaten verantwortlich. Über 85 Prozent der Produkte verstoßen demnach gegen EU-Vorschriften. Auch die Zahl der von EU-Behörden beschlagnahmten Fälschungen sei 2023 massiv gestiegen: „Der Erfolg von Billigprodukten basiert auf Akzeptanz und hoher Nachfrage“, so das Fazit der Aktivisten.
Die Forderungen an die Politik sind deshalb klar. Anbieter von Produktfälschungen müssten strenger kontrolliert, härtere Sanktionen verhängt und geltende Sicherheitsstandards konsequenter durchgesetzt werden. Auf EU-Ebene scheint man sich des Problems bewusst – und kündigte erst in dieser Woche konkrete Schritte an: Eine neue Päckchengebühr soll Shoppingportale wie Temu und Shein ausbremsen. Auch die Streichung von Zollfreigrenzen ist im Gespräch. Ob sich die EU-Länder darauf einigen können, ist allerdings noch unklar. Das Prozedere könnte sich noch Monate hinziehen.
Schon jetzt können sich mehrere Anbieter indes über den Negativpreis „Plagiarius“ freuen. Wer die Auserwählten sind, erfahren Sie in der folgenden Übersicht.
Die dreisten Plagiate 2025
Das Ulmer Traditionsunternehmen Beurer verspricht mit dem Insektenstichheiler „BR 60“ (links) eine rasche und wirksame Hilfe bei Insektenstichen und -bissen. Nach einem Stich setzt man die keramische Heizplatte des Insektenstichheilers auf die Bissstelle. Durch die gezielte Hitzeentwicklung könne die Heilung beschleunigt werden, heißt es vom Hersteller. Das regt zu minderwertigen Kopien (rechts) ohne entsprechende Prüfverfahren für Medizinprodukte an. Ein chinesischer Hersteller hat in China Designschutz für sein Plagiat eintragen lassen und bietet das Gerät online in großen Stückzahlen an.
Der Spielzeug-Bagger „Roadmax“ (links) vom Spielwarenhersteller Bruder aus Fürth findet sich in vielen Kinderzimmern. Die Modelle sind realen Baufahrzeugen nachempfunden und werden mit Lizenz von Herstellern wie Liebherr in Deutschland gefertigt. Nachahmer gebe es überall auf der Welt, monieren die Juroren. Entsprechende Fälschungen (links) kosteten demnach häufig ähnlich viel, seien aber deutlich kleiner als das Original. Ein Angebot etwa auf Amazon wurde jüngst nach einer Beschwerde des Herstellers gelöscht.
Auch Autoersatzteile sind nicht vor Kopien sicher, so etwa der Kühlergrill von Mercedes-Benz (oben). Kurios: Die Fälschung (unten) eines spanischen Händlers wurde sogar 150 Euro teurer angeboten als das schwäbische Original. Nicht die einzige Fälschung im Sortiment des Händlers: Verletzt werden den Juroren zufolge diverse Bildmarken vom Mercedes-Benz Stern sowie Produktdesigns. Da der Händler auf eine Abmahnung nicht reagierte, hat der Autokonzern eine einstweilige Verfügung durchgesetzt. Der Verkauf wurde inzwischen gestoppt.
Mülleimer „Albula“ des Schweizer Herstellers Rotho (links): Die stapelbaren Behälter sollen Platz sparen und eine flexible Mülltrennung ermöglichen. Der Deckel hat eine integrierte Klappe für bequemes Befüllen, ohne den ganzen Deckel abzunehmen. Die Griffe mit patentiertem Rastverschluss sollen zudem den Tragekomfort erhöhen. Plagiate wie rechts abgebildet fanden sich zuletzt auf Amazon. Ein Hersteller, der solch eine Kopie im Katalog hatte, bestreitet jedoch, sie verkauft zu haben.
Der Elektrisch-isolierte Schraubendreher „Proturn“ dürfte vielen Menschen aus Baumärkten oder Werkzeugkisten bekannt sein. Das Original (links) wird vom von der Wiha Werkzeuge GmbH aus Schonau im Schwarzwald hergestellt. Kopien (rechts) stammen vor allem aus China. Neben dem offensichtlich nachgeahmten Design bemängeln die Plagiarius-Juroren die Qualität. Diese erfülle nicht die internationalen Norm, sodass die Gefahr eines Stromschlags bestehe.
3. Preis: Das Grußkarten-Motiv des Künstlers Jörg Mohme (Bildmitte) fand sich indes als Dekor für eine 35-teilige Porzellan-Serie wieder, dahinter steckte ein Händler aus Frankreich. Die Plagiate seien nur zufällig entdeckt worden, erklären die Plagiarius-Verantwortlichen. Da der Händler uneinsichtig war und die Urheberrechtsfähigkeit bestritt, reichte Mohme Klage ein. Es folgte ein neunjähriger Rechtsstreit – den der Künstler letztlich für sich entschied.
2. Preis: Beliebtes Plagiatsopfer: Der „Bikebasket“ von Reisenthel (links). Besonders an dem Fahrradkorb ist ein spezieller Klick-Adapter, der ein schnelles Anbringen und Abnehmen am Lenker ermöglichen soll. Ein Kordelzug schützt den Inhalt vor Regen oder Erschütterungen. Durch die integrierten Tragegriffe kann der Korb auch als Einkaufstasche genutzt werden. Fälschungen (rechts) tauchten in mehreren Onlineshops auf. Auf Beschwerden reagierte ein Betreiber erst nach Erhalt einer Abmahnung.
1. Preis: Die Front- und Seitengreifzange „TwinGrip“ von Knipex (links) mit Sitz in Wuppertal. Das Gelenk ist fünffach einstellbar, sodass die Zange an verschiedene Werkstückgrößen anpassen lässt. Der Hersteller ist vor allem auf Billig-Plattform wie Temu von Plagiaten (rechts) betroffen. Optisch unterscheiden sich Zangen nur durch den glatten Kunststoff der Griffe. „Die minderwertige Qualität zeigt sich in einer geringeren Lebensdauer durch billige Materialien und Verarbeitung sowie an dem schwer zu bedienenden Druckknopf – und an chemischen Ausdünstungen“, heißt es von Plagiarius e.V.