Nun also endlich Tata. Die deutsche Thyssenkrupp AG bringt ihre Stahlsparte in ein Gemeinschaftsunternehmen mit der indischen Industriegruppe ein. Ein neues Glied in einer schier endlosen Kette von Fusionen seit den fünfziger Jahren. Die Fried. Krupp AG mit Hoesch, Thyssen mit Rheinstahl, schließlich Krupp mit Thyssen – um nur die allerwichtigsten Fusionen in Deutschland zu nennen. Nicht anders bei den Indern: Tata Steel entstand durch den Zusammenschluss mit NatSteel aus dem Inselstaat Singapur und Corus aus England und den Niederlanden – viele kleinere Übernahmen nicht mitgerechnet.
Jede Krise in der Stahlindustrie brachte in den letzten Jahrzehnten eine neue Welle von Fusionen. Doch die freigesetzten Synergien reichten immer nur ein paar Jahre, bevor sich die Misere auf neuer Ebene fortsetzte. So dürfte es auch bei dem neuen Gemeinschaftsunternehmen kommen. Die Überkapazitäten auf dem Weltmarkt sind zu groß und die Preise der chinesischen Konkurrenten zu niedrig, um dem neuen Stahlkonzern langfristig Luft zu verschaffen. Es geht, wieder einmal, nur um eine Atempause für einige Jahre. Deshalb wollte Thyssenkrupp den Stahl ja auch unbedingt loswerden – schafft es aber nur in der Bilanz und nicht in der schnöden Wirklichkeit. Schließlich bleibt der Essener Konzern noch für viele Jahre 50-Prozent-Teilhaber des neuen Stahl-Joint-Ventures.
Keine Ruhe für Thyssenkrupp
Dass die Fusion mit Tata nun endlich durchgeht, ist ein Erfolg für den glücklosen Thyssenkrupp-Chef Heinrich Hiesinger. Doch auch für den Restkonzern, der nach der Abspaltung des Stahls übrigbleibt, gilt die Metapher von der Atempause. Die Fusion verschafft Hiesinger etwas mehr finanziellen Spielraum, weil sich die Verschuldung des Konzerns reduziert und das Eigenkapital steigt. Doch mittlerweile gibt es so viele andere Baustellen in dem Mischkonzern, dass man den Effekt der Stahlfusion nicht überschätzen sollte. Seit Jahren schlittert Thyssenkrupp nur von einem Strukturproblem in das nächste. So könnte es noch Jahre weitergehen.
Der Druck der Investoren dürfte deshalb kaum nachlassen. Vor allem Cevian – neben der Krupp-Stiftung der zweite große Aktionär des Unternehmens – pocht auf weitere Ausgliederungen und Verkäufe. Mit dem berüchtigten Aktivisten Paul Singer haben die Schweden nun einen Mitstreiter an ihrer Seite, der sich selbst für rüde Manöver nicht zu fein ist. Ruhe dürfte bei Thyssenkrupp deshalb auch nach der Stahlfusion nicht einkehren. Dafür sorgt neben den Investoren auch der Betriebsrat des Konzerns, der seit vielen Jahren jede unternehmerische Weichenstellung so lange bremst, bis die letzte Forderung erfüllt ist. So war es auch beim Stahl, wo über Jahre kein betriebsbedingter Abbau von Arbeitsplätzen möglich sein wird – eine schwere Hypothek für das neue Unternehmen.
Auch mit den Indern dürfte nicht alles so harmonisch laufen, wie viele glauben. Von moderner Corporate Governance hält die familiengeführte Gruppe nichts. Der Patriarch an ihrer Spitze, der 81-jährige Ratan Tata, gleich ein wenig dem früheren Krupp-Verweser Bertold Beitz. Für beide gilt: Sie haben ihre Konzerne geprägt, aber durch ihren Starrsinn auch immer wieder in tiefe Krisen gestürzt. Beide leiden darunter bis heute.