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Kolumne Milliardengeschenke für die Aktionäre

Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
Capital-Kolumnist Bernd Ziesemer
© Martin Kress
Nestlé, BASF, Shell: Große Konzerne kaufen verstärkt eigene Aktien zurück. Doch die Freude der Aktionäre könnte kurz währen

Die BASF SE nimmt 3 Mrd. Euro in die Hand, Shell gut 6 Mrd. Euro und Nestlé sogar fast 20 Mrd. Euro. Das Geld verwenden die Konzerne, um eigene Aktien zurückzukaufen. Der Effekt: Sie stützen kurzfristig den Kurs ihrer Aktien und erhöhen langfristig die Aussicht auf höhere Dividenden, weil sie ihre Gewinne an weniger Anteilseigner ausschütten. Also gute Nachrichten für die Aktionäre. Fragt sich nur, wie lange die Freude währt.

Ihre Rückkaufprogramme finanzieren alle drei Unternehmen mit außerordentlichen Einnahmen aus Desinvestments. Bei Nestlé stammen die Milliarden aus dem Verkauf eines großen Pakets von L’Oréal-Aktien, BASF trennt sich von mehreren kleineren Beteiligungen und Shell von einem hoch bewerteten Gasfeld. Früher hätten die Konzerne solche Erlöse genutzt, um Reserven in der Bilanz anzulegen. Das gilt heute als hoffnungslos altmodisch. Im Zweifel sollen lieber die Eigentümer von solchen einmaligen Gewinnen profitieren.

BASF überrascht

Bei Nestlé ersetzt das neue Programm nahtlos ein abgeschlossenes Programm. Shell sattelt die neuen Milliarden auf die laufenden Aktienrückkäufe drauf. Nur bei BASF kann man von einer Überraschung sprechen: Der Chemiekonzern kauft zum ersten Mal seit 2008 eigene Aktien zurück. Die Börse nahm die drei Ankündigungen rund um den Jahreswechsel freundlich, aber keineswegs euphorisch auf. Bei BASF stieg der Aktienkurs, bei Shell nur marginal und bei Nestlé gar nicht. Die bloße Ankündigung von Aktienrückkäufen reicht offenbar nicht aus, um einem Papier nachhaltigen Schub zu verleihen.

Das hat zwei Gründe: Erstens kann die Verknappung von Kapital in plötzlichen Krisen durchaus gefährlich werden. Das beste Beispiel ist Adidas: Der Sportartikler geriert in der ersten Phase der Corona-Pandemie in Turbulenzen, weil jahrelange Aktienrückkaufprogramme auf Kosten der frei verfügbaren Liquidität gingen. Adidas musste sich über Nacht um neue Kredite bemühen, um eingebrochene Umsätze auszugleichen. Zweitens steckt hinter jedem Rückkauf eigener Aktien auch ein Eingeständnis: Den jeweiligen Konzernen fällt nichts ein, um ihre Sondererlöse sinnvoll zu reinvestieren.

Was zählt ist Innovation und Fantasie

Bei BASF heißt es beispielsweise, man setze für die nächsten Jahre vorrangig auf organisches Wachstum und brauche daher kein Kapital für große Übernahmen. Sieht man sich die eher schlechte Bilanz bisheriger Unternehmenskäufe bei BASF an, so sollten sich die Aktionäre eher über diese Nachricht freuen. Trotzdem bleibt ein schaler Geschmack: Nachdem alle früheren Versuche gescheitert sind, den Konzern auf eine breitere Grundlage zu stellen (zum Beispiel durch den direkten Einstieg ins Erdöl- und Gasgeschäft), heißt die Strategie in Ludwigshafen jetzt „Weiter so“. Für die Aktie bleiben die Perspektiven deshalb eher verhalten, auch wenn der Konzern wieder solide Gewinne einfährt. 3 Mrd. Euro als Kursspritze bringen auf jeden Fall nicht viel, um die Aktie nachhaltig zu beleben.

Was zählt an den Märkten ist seit Jahren das Gleiche: Innovation und Fantasie! Deshalb ist der amerikanische Apple-Konzern auch an der Börse genauso viel wert, wie alle deutschen Dax-40-Konzerne zusammen. Alle drei Konzerne, die jetzt neue Aktienrückkaufprogramme starten, vereint umgekehrt dies: Als besonders innovativ würde sie niemand bezeichnen.

Bernd Ziesemerist Capital-Kolumnist. Der Wirtschaftsjournalist war von 2002 bis 2010 Chefredakteur des Handelsblattes. Anschließend war er bis 2014 Geschäftsführer der Corporate-Publishing-Sparte des Verlags Hoffmann und Campe. Ziesemers Kolumne erscheint regelmäßig auf Capital.de. Hier können Sie ihm auf Twitter folgen.

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