Starinvestor Warren Buffett erklärt in seinem jährlichen Anlegerreport, wie die Geschäfte bei Berkshire Hathaway 2022 gelaufen sind. Und was das Geheimnis seines Erfolges ist.
Es ist einer der Sätze, die Anleger an Warren Buffett so lieben. Weil darin das typische Understatement des Starinvestors zum Ausdruck kommt: „In 58 Jahren bei Berkshire Hathaway war meine Kapital-Allokation nie besser als so lala. In manchen Fällen hat mich nur eine Dosis Glück gerettet. Aber ungefähr alle fünf Jahre haben wir auch eine wahrhaft gute Entscheidung getroffen“, so schreibt dieser Tage ausgerechnet jener Mann, der viele seiner Anleger zu Millionären gemacht hat.
Und dessen Firma nicht nur allein im vergangenen Jahr den Vergleichsindex S&P 500 um sieben Prozentpunkte schlug und die Gewinne steigerte. Sondern die auch seit 1965 eine sogar doppelt so hohe Rendite hinlegte wie der S&P-Index, nämlich knapp 20 Prozentpunkte wohlgemerkt pro Jahr.
Zu genau diesen wahrhaft guten Kaufentscheidungen zählt er etwa den Großeinstieg bei Coca-Cola und bei American Express. Sie hätten ihren Wert bis heute nicht nur vervielfacht, sondern verzwanzigfacht. Für 2,6 Mrd. Dollar hat Berkshire beide Aktienpakete gekauft, heute sind sie rund 47 Mrd. Dollar wert. Buffetts eigentliche Botschaft lautet aber, dass sie auch Jahr für Jahr enorme Erträge abwerfen – über die Dividenden. Es ist eine stolze Milliarde, die Buffetts Konglomerat allein mit diesen beiden Beteiligungen im letzten Jahr einsackte. An laufendem Ertrag, denn auch die Dividendenerträge von Cola und Amex haben sich seit dem Kauf in den 90er-Jahren verzehnfacht.
Anleihen wäre ein großer Fehler gewesen
Hätte er stattdessen einen „ähnlich großen Anlagefehler“ gemacht, schreibt er, also zum Beispiel eine hochwertige Anleihe erworben, dann würde dieses Investment jetzt einen unbedeutenden Teil von 0,3 Prozent zum Firmenwert von Berkshire beitragen. Die Cola- und Amex-Aktien dagegen stehen für insgesamt zehn Prozent seines Milliardenunternehmens.
Und dann kommt noch so ein schöner Satz: „Das Unkraut verliert an Bedeutung, wenn die Blumen blühen. Im Lauf der Zeit braucht es nur ein paar Gewinner, um Wunder zu bewirken. Und ja, es hilft, früh anzufangen und zu leben bis man über 90 ist.“ Mit diesen beiden Prinzipien hat Buffett im Grunde schon umrissen, was er seinen Anhängern mitgeben will: Kauft Aktien von Firmen, die Dividenden abwerfen. Und haltet an ihnen einfach so lange wie möglich fest.
Die „geheime Sauce“ des Erfolgs
Das ist seine „geheime Sauce“, das Geheimrezept, so nennt er es. Aber natürlich hat er noch so viel mehr zu sagen: Eines will er zunächst einmal betonen: Cola und Amex waren nicht einmal die ganz außergewöhnlichen Dividendenbringer, sagt er. Es gibt Firmen, die sehr viel höhere Ausschüttungen zahlen. Dennoch verdeutlichen die Zahlen, um wie viel höher der Gewinn eines Aktionärs ausfällt, wenn er eben nicht nur auf den Kurs schielt und darauf, die Aktie später über dem Einstiegskurs zu verkaufen. Sondern wenn er stattdessen die Ausschüttungen der Unternehmen mitnimmt und zwar über viele Jahre. Dieser Zusatzertrag sei „der wahre Gewinn“ beim Aktienkauf.
Noch eines ist ihm wichtig, das sagt er sofort: Sein Partner Charlie Munger und er seien keine Stockpicker, denen es darum gehe, aus kurzfristigen Renditegründen Aktien zu kaufen. Sondern sie seien „Businesspicker“, sie beteiligten sich langfristig an Geschäftsmodellen, die ihnen gefallen. Und denen sie auch auf lange Sicht eine extrem gute Entwicklung zutrauten. Und diese „Geduld kann man lernen“, dieses Bonmot von Charlie fügt Warren Buffett ein, der gesagt habe: „Es ist dabei von großem Vorteil, wenn man eine lange Aufmerksamkeitsspanne hat und die Fähigkeit, sich auf eine Sache für eine längere Zeit zu konzentrieren.“
... und die Kraft der Partnerwahl
Und überhaupt, Charlie, ... der denke zwar genau wie er selbst, aber dennoch vergehe kein Tag, und kein Telefonat, an dem er von seinem Partner nicht noch etwas lernen würde. Charlie Munger habe die Gabe, in einem Satz auszudrücken, wozu er, Buffett, eine Seite brauche. Zum Beispiel das hier: „Du darfst nie aufhören zu lernen, wenn Du ein großer Investor werden willst. Wenn sich die Welt ändert, musst Du Dich mit ihr ändern.“ Überhaupt könne er nur jedem raten, sich einen gescheiten und möglichst älteren Partner zu suchen, von dem man viel lernen kann.
Und: Ja, Berkshire habe in kleinerem Umfang von Aktienrückkäufen profitiert. Sowohl von eigenen als auch davon, dass Firmen wie Apple und American Express solche Rückkäufe 2022 vorgenommen haben. Wenn dies zu vernünftigen Preisen geschehe, weil die Kurse am Markt gerade gefallen seien, sei daran auch nichts zu beanstanden, finden die Altstars. Denn das erhöhe die Attraktivität der Firmen für ihre Besitzer dann wieder. Wenn Anlegern dagegen erzählt werde, alle Aktienrückkäufe seien schädlich „für die Aktionäre oder das Land, oder sie würden nur den CEOs nützen“, also den Firmenchefs, dann seien das „Aussagen von Wirtschafts-Analphabeten, oder von silberzüngigen Demagogen.“ Beides seien Charaktere, die nicht notwendigerweise getrennt daherkommen müssten. Manchmal gebe es sie auch in Personalunion.
Diese Anmerkung ist deshalb bedeutsam, weil das Jahr 2022 als ein Rekordjahr der Aktienrückkäufe in die Börsenannalen eingehen wird. Viele Unternehmen nutzten den Börsenknick, um eigene Anteilsscheine zurückzukaufen. Eine knappe Billion Dollar wendeten allein die 500 größten US-Konzerne des S&P 500 dafür auf. Besonders Apple investierte hier viel Geld. Damit verknappen die Firmen ihre frei verkäuflichen Aktien und erhöhen so den Anteil der Gewinne und Dividenden pro kursierendem Papier. Rund ein Viertel des Kursanstiegs der letzten zehn Jahre geht auf Aktienrückkäufe der Firmen selbst zurück, sagen Berechnungen des Vermögensverwalters HQ Trust.
Angriff auf Joe Bidens Steuerpläne
Buffetts Replik zielt aber auch deutlich auf US-Präsident Joe Biden ab, der in seiner Rede zur Lage der Nation ankündigte, solche Aktienrückkäufe künftig stärker besteuern zu wollen. Das aber halten viele Ökonomen für eine schlechte Idee. Denn woher kam der Rückkauf-Boom im vergangenen Jahr? Einerseits resultiert er aus den extrem günstigen Kursen, aber auch aus den hohen Bargeldreserven, die viele Unternehmen haben. Das Geld lieber für Kredite oder Investitionen auszugeben, also im operativen Geschäft erschien ihnen also angesichts der drohenden Rezession wohl reichlich unattraktiv. Würde man Aktienrückkäufe nun beschränken, könnte das viele Firmen dazu verleiten, lieber unprofitable Geschäftszweige mit dem überschüssigen Geld am Laufen zu halten. Oder unsinnige Firmenübernahmen zu tätigen, um Geld dennoch unters Volk zu bringen.
In manchen Passagen liest sich der Report Buffetts für seine Anleger ein wenig wie eine abschließende Bestandsaufnahme, um nicht zu sagen, wie ein verfrühter Abschiedsbrief: Unter der Zwischenüberschrift „58 Jahre – und ein paar Zahlen“, schreibt Buffett: Berkshire sei 1965 ein „one trick pony“ gewesen, Besitzer eines Textilunternehmens – einer Branche, die auf dem Todesmarsch gewesen sei. Durch einen glücklichen Umstand habe man dann einen Versicherer günstig kaufen können. Das habe das Geschäft komplett gedreht. In der Folgezeit seien weitere Beteiligungen hinzugekommen. Dabei habe die Kraft des Zusammenfügens geholfen und die kontinuierlichen Ersparnisse der Unternehmenslenker, die sämtliche Erträge reinvestiert hätten.
Berkshire ist Amerika
Wirft man einen Blick auf die 5000 öffentlich gehandelten Firmen an Amerikas Börsen, so seien 500 davon im S&P500 vertreten. Von ihnen erwirtschafteten 128 größere Gewinne, 23 davon machten sogar Verluste. Berkshire sei Mehrheitseigener von immerhin acht der größten 500 US-Firmen. Dazu besäße Berkshire auch noch die nächsten beiden Nachrücker der S&P-500-Liste nahezu komplett. Berkshire sei also so verbunden mit der amerikanischen Wirtschaft und deren Wachstumsaussichten wie kaum eine andere Firma. „Amerika wäre ohne Berkshire möglich. Berkshire ohne Amerika nicht.“
Es habe noch keine Zeit in seiner Laufbahn gegeben, sagt Buffett, indem es sinnvoll war, gegen Amerika zu wetten. Er gehe davon aus, dass das auch weiterhin so bleiben werde. Vielleicht ist das auch eine indirekte Begründung dafür, warum Buffett jüngst aus den Aktien des taiwanesischen Chipherstellers TSMC wieder ausgestiegen ist, nachdem die erst seit Ende letzten Jahres im Berkshire Portfolio lagen. Und zuletzt einen enormen Kurssprung verzeichneten. Der neue Brief an die Anleger erklärt das jedenfalls nicht ausdrücklich.
Dafür schaut er in die Zukunft: Er, Buffett, könne außerdem garantieren, dass auch die künftigen Berkshire CEOs einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens in Berkshire-Anteilen halten würden, von ihrem eigenen Geld gekauft. Und Berkshire-Aktionäre könnten weiterhin sparen und wohlhabend werden. Es werde keine Ziellinie bei Berkshire geben. Das klingt ein wenig, als stehe die Staffelstabübergabe relativ kurz bevor.
Noch aber darf man hoffen, dass Warren Buffett und Charlie Munger auch hoch in ihren 90ern noch lange weiter machen. Beide freuen sich jedenfalls auf das nächste Aktionärsfamilientreffen in Omaha, am 5. und 6. Mai. „Wir beiden werden eine großartige Zeit haben. Sie werden es auch.“