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Kreuzfahrtschiffe Scholz verspricht Rettung der Meyer Werft: „Meine Unterstützung habt Ihr“

Kanzler Olaf Scholz besucht die Meyer Werft in Papenburg
Kanzler Olaf Scholz (2. v. r.) besucht die Meyer Werft in Papenburg. Mit dabei Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (3. v. r.) und sein Wirtschaftsminister Olaf Lies (alle SPD)
© dpa / Markus Hibbeler / Picture Alliance
Die Meyer Werft steckt trotz voller Auftragsbücher und eines Mega-Deals mit Disney in der Krise. Der Kanzler reist an die Ems – und stellt Geld in Aussicht

Der Kanzler kommt mit erlösenden Nachrichten nach Papenburg: Bei seinem Besuch der schwer angeschlagenen Meyer Werft verspricht er Hilfe: „Wir lassen die Meyer Werft nicht allein“, sagte Olaf Scholz (SPD) bei einer Betriebsversammlung. „Ich bin sicher: Es geht weiter mit der Meyer Werft hier in Papenburg. Meine Unterstützung habt Ihr“, betonte der Kanzler. Es seien noch Details zu klären, weil noch die Zustimmung des Bundestages und der EU-Kommission fehlen. „Aber der Bund trägt einen Teil der Lösung mit“, sagte der Kanzler. Die Werft sei nicht irgendein Unternehmen, sondern ein „industrielles Kronjuwel“. 

Der Bund, das Land Niedersachsen und die Eigentümer hätten in den vergangenen Wochen mit den Banken verhandelt, sagte Scholz. Wochenlang war die Zukunft ungewiss. 

Die traditionsreiche Meyer Werft kämpft um ihr Überleben. Über 200 Jahre alt ist das Familienunternehmen in der sechsten Generation, in der ganzen Welt ist die Meyer Werft für ihre Kreuzfahrtschiffe bekannt, weitere Standorte liegen in Rostock und im finnischen Turku. Seit Wochen wird darüber verhandelt, ob und zu welchen Bedingungen die Werft mit Steuergeldern zu retten ist. Private Investoren hatten kein Interesse. Nun wird die Zeit knapp: Bis 15. September muss die Einigung stehen, sonst geht der Meyer Werft das Geld aus. 

400 Mio. plus 900 Mio. Bürgschaften von Bund und Land

Es ist die schwerste Krise in der Unternehmensgeschichte. Fast 2,8 Mrd. Euro fehlen der Werft bis zum Jahr 2027, um den Bau bestellter Schiffe finanzieren zu können. Nun sollen wohl der Bund und das Land Niedersachsen zusammen 400 Mio. Eigenkapital in die Werft stecken, mit jeweils rund 900 Mio. Euro bürgen und 80 bis 90 Prozent der Werft übernehmen. Die Meyer Werft würde damit, zumindest vorübergehend, verstaatlicht. Zustimmen müssten dem aber noch die Haushaltsausschüsse von Bundestag und niedersächsischem Landtag.

Erst einmal klingen die Krisenmeldungen paradox. Denn tatsächlich sind die Meyer-Auftragsbücher gut gefüllt. Mitte August erst hatte die Werft den nach eigenen Angaben bisher größten Auftrag in der Firmengeschichte an Land gezogen: Vier weitere Disney-Kreuzfahrtschiffe sollen die Papenburger bis 2031 bauen. Schon im Juli hatte Werft-Chef Bernard Meyer in Tokio einen Auftrag für ein anderes Disney-Schiff unterzeichnet. Doch selbst Milliarden-Deals wie diese können die Krise nicht heilen. „Der neue Auftrag zeigt eine Perspektive auf, weil dadurch klar wird, dass Disney weiter auf die Meyer Werft setzt. Das Thema der Finanzierung wird dadurch aber nicht gelöst“, hatte Heiko Messerschmidt, Bezirkssekretär der IG Metall Küste, im Juli im Interview mit Capital gesagt.

Probleme der Meyer Werft trotz Disney-Großauftrag 

Denn die Probleme liegen anderswo: Wenn die Kunden Schiffe bestellen, zahlen sie erst einmal nur 20 Prozent des Auftragswertes an. Die restlichen 80 Prozent fließen erst, wenn die Schiffe ausgeliefert werden. Die Werften müssen sie also vorfinanzieren. Dazu aber fehlt der Meyer Werft derzeit das finanzielle Polster.

Grund ist die Pandemie. Als in den Corona-Jahren Kreuzfahrtschiffe als Virenkarussells ersten Ranges galten und immer wieder ganze Schiffe mit Tausenden Passagieren in Quarantäne landeten, kam das Cruise-Geschäft quasi zum Erliegen. Dementsprechend bestellten in dieser Zeit auch die Reedereien keine neuen Kreuzfahrtschiffe. Durch die Corona-Auftragslücke werden nun weniger Schiffe als gewöhnlich ausgeliefert und bezahlt. Dazu kommt, dass der Schiffsbau durch die Inflation deutlich teurer geworden ist, etwa wegen gestiegener Stahlpreise oder Personalkosten, die Preise mit den Reedereien aber offensichtlich nicht nachverhandelt werden können. 

Beim Existenzkampf an der Küste geht es auch um Tausende Arbeitsplätze. Das Unternehmen beschäftigt nach eigenen Angaben rund 7000 Menschen. In Papenburg ist der Schiffsbauer der größte Arbeitgeber in der Region. Die Krise betrifft potenziell nicht nur die rund 3600 Menschen, die direkt in der Werft beschäftigt sind. Tausende weitere Jobs hängen über Zulieferer, etwa Polstereien oder Lackierbetriebe, an der Werft, insgesamt sollen rund 18.000 Arbeitsplätze betroffen sein. 

Firmensitz muss wieder nach Deutschland

Seit 2005 haben Land und Bund laut „NDR“ schon über 1 Mrd. Euro in die Werft gesteckt, zum Beispiel für die umstrittene Emsvertiefung, damit die riesigen Kreuzfahrtkolosse von der Werft überhaupt in die Nordsee fahren können. Nun knüpft die Politik mögliche Hilfen an Bedingungen. So hatte die Meyer Holding ihren Sitz einst von der Ems nach Luxemburg verlegt, um keinen Aufsichtsrat einrichten zu müssen. Der Sitz soll nun zurückgeholt und auch ein Aufsichtsrat eingerichtet werden.

Tim und Jan Meyer, die Söhne von Seniorchef Bernard Meyer, haben die Geschäftsführung im Juni verlassen, wie die „Osnabrücker Zeitung“ zuerst berichtet hatte. Laut „NDR“ hatten Banken und Kunden Druck auf die Geschäftsführung der Werft ausgeübt. Der NDR zitierte Bernhard Meyer außerdem mit den Worten, die Familie sei bereit, ihren Beitrag zu leisten. Ob damit auch gemeint sei, dass die Familie die geforderten 400 Mio. Euro zahle, sei unklar. Nun tun das offensichtlich der Bund und das Land Niedersachsen. 

Schiffbau: Verlegt die kriselnde Meyer-Werft den Hauptsitz zurück nach Deutschland?

Verlegt die kriselnde Meyer-Werft den Hauptsitz zurück nach Deutschland?

01:44 min

Meyer eine der reichsten Familien Deutschlands

Die Meyers gehören zu den reichsten Familien des Landes. In der Liste des „Manager Magazins“ der 500 reichsten Deutschen tauchten sie zuletzt 2021 auf, seitdem werden sie dort nicht mehr geführt. Damals geschätztes Gesamtvermögen: 400 Mio. Euro. Auf einer Info-Veranstaltung hatte der 76-Jährige Patriarch zuletzt davon gesprochen, „enteignet“ zu werden. Laut „NDR“ soll die Familie Meyer im neuen Aufsichtsrat einen Sitz haben und über ein Rückkaufsrecht für ihre Anteile verfügen. Ihr würde nur noch die Werft in finnischen Turku gehören.

Staatliche Rettungen früher auch schon fraglich

Es wäre nicht das erste Mal, dass der Staat ein angeschlagenes Unternehmen mit Steuergeldern rettet. Die Frage, wie sinnvoll das ist, ist auch unter Wirtschaftswissenschaftlern umstritten. Nicht immer gehen die Hilfsversuche gut: So rettete der damalige Bundeskanzler Schröder (SPD) 1999 den kurz vor der Pleite stehen Baukonzern Holzmann – vermeintlich – mit Bundesbürgschaften von umgerechnet knapp 140 Mio. Euro. Es half nicht, 2002 folgte dennoch die Insolvenz. 

Besser lief es im Fall Beiersdorf: 2003 stieg die Stadt Hamburg mit einer Minderheitsbeteiligung ein – und verhinderte so eine drohende Zerschlagung. 2007 stieg die Stadt wieder aus, mit einem Gewinn von 7,8 Mio. Euro. Auch in der Pandemie war der Staat über Beteiligungen bei Unternehmen eingestiegen, unter anderem bei der Lufthansa und dem Impfstoffhersteller Curevac. 

Mit Reuters

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