Die Logikkette war lang, aber einfach: Die Zinsen steigen, die Wirtschaft bricht ein, Menschen verlieren ihre Jobs, müssen sparen und reisen deshalb weniger. So oder so ähnlich hatten sich das einige Hedgefonds im vergangenen Jahr vorgestellt, und deshalb Reisekonzerne wie Royal Carribean und Carnival geshortet.
Jetzt, ein knappes Jahr später zeigt sich, dass die Annahmen wohl zu einfach waren: Die Wirtschaft bleibt stabil und die geringeren Realeinkommen kompensieren die Menschen an anderer Stelle – aber nicht beim Reisen. Reiseaktien boomen – und Shortsteller haben deshalb offenbar Verluste von knapp 6,4 Mrd. US-Dollar in diesem Jahr hinnehmen müssen. Das zeigen Daten von S3 Partners und Breakout Point, über die die „Financial Times“ (FT) zuerst berichtet hatte.
Hedgefonds, oftmals auch als Shortseller bezeichnet, wetten mit Leerverkäufen auf fallende Kurse. Hierfür leihen sie sich gegen Gebühr Aktien, verkaufen diese direkt weiter, und hoffen, diese vor dem vereinbarten Rückgabetermin günstiger zurückkaufen zu können. Je geringer der Kaufpreis, umso größer die Differenz, und umso größer auch ihr Gewinn.
Hohe Verschuldung nach Corona
Genau dieses Geschäft gingen laut FT auch Hedgefonds wie Qube Research and Technologies und Tellworth Investments ein. Sie liehen sich demnach millionenschwere Positionen, etwa von der Kreuzfahrtreedereien Carnival, Royal Carribean oder Norwegian, und verkauften sie weiter. Weil die Kurse anschließend stiegen, mussten Hedgefonds nun sukzessive ihre Wetten schließen. Der Verlust beträgt laut S3 Partners knapp 6,4 Mrd. US-Dollar. Allein durch die drei genannten Reedereien entstanden Hedgefonds demnach Verluste von 2,9 Mrd. US-Dollar. Weitere große Verluste schrieben sie etwa bei Airbnb oder Booking.com, die in diesem Jahr 70, bzw. 44 Prozent an der Börse zulegten.
Hoffnung gaben den Hedgefonds auch die nackten Zahlen der Reedereien, die aufgrund die Corona-Krise hohe Schulden angehäuft hatten. Allein bei Carnival stieg die Verschuldung zwischen 2019 und 2023 von 10 auf 35 Mrd. US-Dollar, während gleichzeitig der Leitzins von 1,75 auf 5,5 Prozent stieg – die Verschuldung also immer teurer für Unternehmen wird.
Nichtsdestotrotz schafften es die Reedereien ihre Schulden zuletzt abzubauen. Carnivals Verschuldungsquote lag dabei sogar 78 Prozent unter dem Vorjahr. Grund dafür ist vor allem die Reiselust der Menschen, die teilweise noch über Rücklagen aus der Corona-Zeit verfügen oder ihr geringeres Realeinkommen an anderen Stellen kompensieren – zum Beispiel bei Energie, Alkohol oder Süßigkeiten.
Lufthansa und Tui mit guten Zahlen
Der Vorstandsvorsitzende von Carnival, Josh Weinstein, sagte im Juni, das Unternehmen erlebe eine „phänomenale Saison“, während Royal Caribbean im letzten Monat zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten seine Prognosen erhöhte und sagte, „der nordamerikanische Verbraucher bleibt unglaublich stark“.
Nicht nur die Reedereien und einzelne Regionen spüren die Reiselust der Konsumenten. Auch deutsche Airlines wie die Lufthansa oder Tourismus-Konzerne wie Tui präsentierten in diesem Jahr bereits solide Zahlen. Die absoluten Zahlen liegen dabei sogar fast wieder auf dem Vor-Corona-Niveau, während die Aktienkurse dem noch deutlich hinterherlaufen. Die Lufthansa-Aktie steht noch immer 20 Prozent unter Wasser, Tui sogar fast 75 Prozent.