Anzeige

Kolumne Koalition der Willigen

Angela Merkel könnte demnächst vor der Entscheidung stehen: SPD oder CSU. Sie sollte die Gelegenheit nutzen, die großmannssüchtigen Bayern loszuwerden.
Ines Zöttl
Ines Zöttl
© Trevor Good

Ines Zöttl schreibt jeden Mittwoch über internationale Wirtschafts- und Politikthemen.

Die „schwarze Witwe“ wird Angela Merkel nach dem Verschwinden der FDP aus dem Bundestag neuerdings genannt. Weil sie wie diese Spinnenart ihre Partner nach der Paarung verschlinge. Die SPD befürchtet, dass es ihr in der großen Koalition ergehen könnte wie den Liberalen.

Doch an einem Partner hat sich Merkel in den acht Jahren der Partnerschaft die Spinnenzähnchen ausgebissen: der CSU. Die Bayern-Partei ist nach zwei Legislaturperioden mit der schwarzen Witwe so fidel wie nie. Wenn hier einer einen verschlingt, dann wird es wohl Horst Seehofer sein, der sich an der Kanzlerin gütlich tut. Außer, sie setzt sich rechtzeitig ab.

Noch bevor Koalitionsverhandlungen mit irgendjemandem begonnen haben, hat Seehofer ein Kapitel davon abgehandelt und die Schwesterpartei in den Senkel gestellt. Morgens sprach der bayerische Ministerpräsident in der „Bild am Sonntag“ seine „Garantie“ aus, abends hatte die CDU das Machtwort aus Bayern erhört. "Ich habe gerade eben ... mit der Bundeskanzlerin telefoniert und kann deshalb sagen, auch in ihrem Namen: Mit uns gibt es keine Steuererhöhungen", versicherte Unionsfraktionschef Volker Kauder eilfertig im "Bericht aus Berlin" der ARD.

Zeit fürs Heldentum

Wie will man da wieder rauskommen? Die SPD muss nun allein schon aus Gründen der Selbstachtung auf Steuererhöhungen bestehen. Die Union müsste also für einen Kompromiss wortbrüchig werden. Auch schwer vorstellbar. Also können die Verhandlungen über eine große Koalition eigentlich nur scheitern.

Außer Merkel wagt mal was. Und zwar: Raus mit der CSU!

Der CDU-Vorsitzenden bietet sich hier eine einzigartige Gelegenheit, als Heldin in die Geschichte der deutschen Parteiendemokratie einzugehen. Sie muss nur eine originäre Idee der Christsozialen wiederbeleben: den Kreuther Trennungsbeschluss von 1976. Was wäre der Menschheit erspart geblieben, wenn der damalige CSU-Chef Franz Josef Strauß nicht am Ende doch eingeknickt wäre?! Die beiden Schwestern CDU und CSU hätten sich getrennt – und die großmannssüchtigen Bayern wären bis heute auf Normalmaß geschrumpft.

Stattdessen strickt Seehofer nun an der Legende, dass die CSU die bessere Hälfte der Paarung sei: 49,3 Prozent Zweitstimmenanteil will man bei der Bundestagswahl 2013 errungen haben, dagegen sehen die 41,5 Prozent der Union als Ganzes ziemlich schlapp aus. Allerdings gilt das nur bei oberflächlicher Betrachtung.

NRW ist stärker als Bayern

Denn tatsächlich lautet die entscheidende Maßzahl: 7,4. Gerade mal 7,4 Prozent Stimmenanteil hat die CSU im Bundestag. Weniger als die Grünen oder die Linke. Nichts im Vergleich zur SPD. Gar nicht mal weit weg von der Fünf-Prozent-Hürde.

Selbst innerhalb der Union steht das Seehofersche Aufmandeln in keinem Verhältnis zur Sachlage: 56 Abgeordnete schickt die CSU nach Berlin. Aus Nordrhein-Westfalen kommen 63, aus Baden-Württemberg 43. Geben die vielleicht dauernd den Hau-den-Lukas? Nein.

Die Bayern pochen so lautstark auf ihre Eigenständigkeit, sollen sie sie bekommen. Für eine stabile Koalition im Bundestag braucht Merkel die CSU nicht. Der Rauswurf der Schwester würde nicht nur die Verhandlungen mit der SPD wohltuend entschlanken, zu denen die CSU die halbe Partei mitnehmen wollte. Er wäre auch demokratietheoretisch ein echter Gewinn: Die CSU könnte dann endlich Opposition außerhalb der Regierung machen.

Weitere Kolumnen von Ines Zöttl: Ich bin ein Syrer, Gutes Geld, Lass die Sau raus, It’s the Economy und Afghanistan ist Vietnam ist Serbien

E-Mail: Zoettl.Ines@capital.de

Neueste Artikel