Ende des Jahres scheidet der mächtigste Mann der Welt aus dem Amt. Der Chef der amerikanischen Notenbank, Ben Bernanke. Man kann gut argumentierten, dass diese Personalie für das Wohl und Wehe der amerikanischen und globalen Wirtschaft wichtiger ist als die, wer im Weißen Haus regiert. Als der Fed-Chef vor kurzem zu signalisieren schien, dass das Ende der konjunkturstützenden Liquiditätsschwemme im nächsten Jahr bevorstehen könnte, löste das helle Aufregung bei Finanzanlegern und Ökonomen aus.
Das Begleitgezwitscher zur Fed-Personalie allerdings dreht sich vor allem auch um einen anderen Aspekt: Wird an der Spitze der ehrwürdigen Institution, die in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag feiert, künftig zum ersten Mal eine Frau stehen? Der bisherigen Fed-Vizepräsidentin Janet Yellen werden gute Chancen eingeräumt. Dabei dürfte es so sein, dass sich Obama über die Gender-Frage viel weniger einen Kopf macht als die Beobachter. Er hat seit seinem Amtsantritt eine Reihe von Frauen in seine Administration geholt, zuletzt wurde Susan Rice Sicherheitsberaterin. Entscheidend waren für Obama dabei ganz offensichtlich Faktoren wie Kompetenz und Loyalität und nicht das Geschlecht.
Bei der Auswahl des neuen Fed-Chefs stellt sich also eine ganz andere Frage: Schadet es der Karriere, ein Arschloch zu sein?
Intuitiv und persönlich-empirisch würde man sagen: Ganz im Gegenteil. Wer kann nicht ein paar Beispiele aus dem eigenen Berufsleben aufzählen, in denen Leute mit offensichtlichen charakterlichen Defiziten Karriere gemacht haben? Nicht trotz sondern wegen dieser Eigenschaften. Skrupel- und Rücksichtslosigkeit, Intrigenfähigkeit und die Bereitschaft, andere auszunutzen und fallen zu lassen, sind gute Karrierevoraussetzungen. Arschlöcher, so lautet ein Bonmot, werden bevorzugt befördert: Damit man sie los wird.
Ausgemachtes Arschloch
Eine Spielart des beruflichen Arschlochs sind die Leute, die traditionell mit dem Satz beschrieben werden: nach oben buckeln, nach unten treten. Ich würde sagen „buckeln“ ist zu kurz gegriffen, es gehört schon mehr als Schmeichelei dazu, weiterzukommen. Aber der zweite Teil stimmt unbedingt.
Larry Summers, der zweite heiße Kandidat für den Fed-Posten, ist in dieser Kategorisierung offenbar ein ausgemachtes Arschloch. Oder, wie Reuters-Blogger Felix Salmon urteilt: „Summers ist, um es milde auszudrücken, nicht gut darin, Leute zu bezaubern, die er für untergeordnet hält. Aber er ist überraschend exzellent darin, Leute mit echter Macht zu pflegen.“ James Kwak vom Wirtschaftsblog Baseline Szenario verteidigte den früheren Chefökonom der Weltbank, Finanzminister von Bill Clinton, Chef-Wirtschaftsberater von Obama und Präsident der Harvard Universität daraufhin mit den Worten, dieser sei nicht „notwendigerweise ein Psychopath“. Sehr beruhigend. Kwak fügte hinzu: „Aber eine Menge von Unternehmens-CEOs sind es.“
Es passiert nicht oft, dass das interne Verhalten von Chefs in Politik und Wirtschaft außerhalb der Betriebsstätte öffentlich diskutiert wird. Von manchen im Berliner Politbetrieb – auch solchen, die in der Öffentlichkeit hohes Ansehen genießen – weiß man, dass sie intern weniger souverän auftreten. Dass sie Mitarbeiter schikanieren, treten, wo sie keine Folgen befürchten müssen, und sich ihre guten Manieren für Außenkontakte aufheben. Summers aber scheint so vielen Leuten auf die Füße getreten zu sein, dass die Debatte nicht mehr unter der Decke zu halten ist.
Zu Recht argumentiert Kwak, dass solche Chefs ihrem Unternehmen Schaden zufügen. Weil es lange dauere, bis man merke, wie sie drauf sind. Bis dahin ist das Team schon paralysiert oder auf dem Absprung. Zumindest theoretisch hat sich in der Wirtschaftswelt inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein Chef nichts wert ist, dessen Team nicht funktioniert. Dass nicht einmal ein genialer Kopf eine ganze Abteilung mittelmäßiger und frustrierter Angestellter ersetzen kann. Es gibt sogar schon Unternehmen die Manager daran messen, dass sie optimale Dienstleister der Mitarbeiterführung sind.
Mal sehen, ob sich Obama trotzdem traut.
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Ines Zöttl schreibt jeden Mittwoch über internationale Wirtschafts- und Politikthemen. Ihre letzten Kolumnen: It’s the Economy, Sisi, Zocken mit Altmaier und Im Schlafwagen durch die Krise
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