Wer immer noch gezweifelt hat, dass Notenbanker die neuen Superstars in unserem Zeitalter der Schulden sind, der sollte dieser Tage verstärkt auf die USA respektive die US-Notenbank Fed schauen. Nun gut, spätestens seit Alan "The Maestro" Greenspan sind US-Notenbanker ohnehin charismatischer und lichtfigurenhafter als etwa in Europa oder Japan - nicht nur, weil sie die Welt so gern und oft mit billigem Geld versorgen. Sie stehen einfach mehr in der Öffentlichkeit und werden zudem seit 2008 noch einmal stärker stilisiert: als die neuen Großingenieure, die letzten Retter unseres schwächelnden Finanzsystems.
Seit einigen Tagen nimmt die Diskussion um die Nachfolge des jetzigen Chefs Ben Bernanke, der 2014 ausscheiden wird, fast hysterische Züge an. Etliche Medien küren den Harvard-Ökonomen Larry Summers zum Favoriten des Weißen Hauses. Bisher galt Janet Yellen, seit 2010 Vizepräsidentin der Fed, als die Kandidatin mit den größten Chancen. Interessant ist, dass nicht nur um die fachliche Eignung gestritten wird - die haben beide unzweifelhaft, zudem haben sie ähnliche Auffassungen über Geldpolitik - sondern auch um weiche Faktoren: Ist Summers zu arrogant, zu hitzig und vorschnell? Wer passt besser vom Stil? Ist eine Frau gut oder schlecht?
Ezra Klein etwa beklagt in der „Washington Post“, dass das Summers-Lager nur anonym und „off the record“ Stellung bezieht, während die Yellen-Fans offen und lautstark werben und trommeln - dazu zählt etwa der Princeton-Professor Alan Blinder, der zuvor im „Wall Street Journal“ eine langes Plädoyer für seine Freundin Yellen geschrieben hatte. Ezra Klein zählt die Kern-Argumente des Summers-Lagers auf: Er sei der bessere Krisenmanager, als grundsätzliche Taube doch auch ein bisschen mehr Falke (also auf Kampf gegen Inflation bedacht), verstünde mehr von Regulierung - und seine Nähe zur Finanzbranche, in der er selbst Millionen verdient hat, nun, die sei doch eigentlich ein Vorteil.
Alan Blinder, der vor kurzem ein Epos über die Finanzkrise veröffentlicht hat („After The Music Stopped“) verweist auf den unschlagbaren Track Record von Yellen, die seit Jahren ein gutes Gespür und Urteilsvermögen bewiesen habe.
Denn das wird ja die entscheidende Frage sein: Wie und ob der Nachfolger die Krisenpolitik von Ben Bernanke fortsetzt. WSJ-Kolumnist David Wessel ist sich sicher, dass Summers etwa den Ankauf von Staatsanleihen, das so genannte „Quantitative Easing“, weiterführen würde.
Neil Irwin, Autor des Buches „Die Alchemisten: Die geheime Welt der Zentralbanker“, kommt allerdings zu dem Schluss, dass Fed-Vize Yellen einfach die sichere Bank sei, während sich Larry Summers „selbst überlistet habe“ – durch seine Vorsicht in den vergangenen Woche, etwas Falsches zu sagen.
Für John Cassidy gibt es daher auch kein überzeugendes Argument, warum Barack Obama Larry Summers nehmen sollte, der schon mal wirtschaftspolitischer Berater des US-Präsidenten war – die Personalie sei einfach zu riskant. Ein Notenbanker muss seine Worte mit Bedacht wählen, was noch nie eine Stärke von Summers war.
Haben wir etwas vergessen? Ach ja, das Frauenthema: Könnte es sein, dass eine Frau die Herren des Geldes auf Dauer zu sehr verstört? Paul Krugman macht sich schon lustig über die „maskuline Panik“, die zuvor auch Jonathan Chait im New York-Magazine thematisiert hatte.
Fazit: Yellen und Summers unterscheiden sich in Bezug auf ihr ökonomisches Denken kaum. Yellen ist vielleicht die etwas taubenhaftere Taube. Beide würden eine Geldpolitik unterstützen, die stark die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt und die Konjunktur im Blick hat. Yellen ist vergleichsweise unbekannt; Summers seit Jahren einer der profiliertesten Wirtschaftspolitiker der Welt.
Yellen ist ausgleichend. Summers wiederum, der wegen angeblich frauenfeindlicher Bemerkungen einst als Harvard-Präsident zurücktreten musste, liebt die Schärfe und polarisiert. Bleibt die Frage: Nach welchen Kriterien entscheidet der Präsident?
In Washington heißt es, dass Obama seinen früheren Chefökonomen persönlich ausgeprochen schätzt: Seit Summers 2010 aus der Regierung ausschied war er mindestens 13mal zu Gast im Weißen Haus. Yellen war nur einmal dort. Aber das muss nicht allzu viel heißen: Schließlich gehört zu einem guten Notenbanker auch die Unabhängigkeit.