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Interview Jens Zabel: „Das ist hier ist keine Hilfe, das ist Selbstmord“

Jens Zabel
Jens Zabel
© Mica Wintermayr Photography
Jens Zabel führt eine mittelständische Facility Management-Firma. Im Interview übt er scharfe Kritik am Rettungspaket der Bundesregierung und erklärt wie er als Gebäudereiniger in Zeiten geschlossener Kaufhäuser überlebt

Jens Zabel ist in Magdeburg aufgewachsen und hat Maler gelernt, dazu drei weitere Meistertitel und ein BWL-Studium. Seine Facility Management-Firma, Schwerpunkt Gebäudereinigung, hat heute über 8000 Mitarbeiter. Sein Umsatz lag zuletzt bei rund 80 Mio. Euro. Er ist alleiniger Gesellschafter der Zabel Group, die er 1988 gegründet hat. Im vergangenen Jahr hat er gemeinsam mit der Kommunikations-Expertin Christiane Wolff „Crafty“ gegründet, ein Start-up, das Handwerker aller Gewerke unter einem Dach vereint. Aktuell gibt es das Start-up in München, Hamburg, Berlin, Frankfurt und Köln.

Capital: Herr Zabel, Sie sind auf dem Weg von München, Ihrem Zuhause, nach Essen, dem Hauptsitz ihres Unternehmens Zabel Group. Mögen Sie keine Videokonferenzen?

JENS ZABEL: In der aktuellen Situation, die wirklich einzigartig ist, ist das persönliche Gespräch – mit Abstand natürlich – der einzige Weg, um das Geschäft zu retten. Meine Kunden schätzen das, wenn der Chef persönlich vorbeikommt. Wir sitzen dann zwar weit auseinander, aber wir sind uns doch näher als in einer Videokonferenz. Deshalb bin ich in den vergangenen zwei Wochen 18.000 Kilometer gefahren, quer durch die Republik. So konnte ich vieles retten, was wegen Corona auf der Kippe stand.

Ihre Hauptkunden sind die großen und renommierten Handelshäuser. Dort reinigen Ihre Leute in normalen Zeiten hunderte von Filialen und riesige Flächen.

Wir machen über die Hälfte unseres Umsatzes im Handel. Als der Lockdown kam, haben die großen Ketten von einem Tag auf den anderen nichts mehr gereinigt und viele haben uns einfach vor die Tür gesetzt. Rund 60 Prozent unserer Umsätze waren auf einen Schlag weg. Und wir müssen nun alleine zusehen, wie wir klarkommen. Wir bluten ganz schön.

Besonders ein großer Kunde hat Sie in finanzielle Not gebracht, richtig?

Ja, ein Kunde hat die Zahlungen komplett eingestellt. Dadurch haben wir jede Menge Geld verloren. Wir mussten eine Reihe Leute entlassen oder in Abstimmung mit den Mitarbeitern in unbezahlten Urlaub schicken. Wir versuchen natürlich, so viele wie möglich über Kurzarbeit zu halten. Hier gab es entsprechende Gespräche mit den Betriebsräten. Aber es ist sehr schwer, weil wir jeden Tag neue Hiobsbotschaften bekommen von Unternehmen, die zu machen, von Kunden, die schreiben, dass sie nicht mehr zahlen. Wenn sie darauf nicht eingehen, kriegen sie die Kündigung, basta. Es ist ein brutales Geschäft, wo viele gerade in der aktuellen Krise nur für sich kämpfen.

Gibt es Kunden, mit denen es anders läuft?

Ja, es gibt zum Glück auch viele positive Gespräche und tolle Kunden. Ikea hilft uns gerade ungemein. Die versuchen jetzt, möglichst viele Mitarbeiter von uns weiter zu beschäftigen und unsere Liquidität hochzuhalten. Dort wird jeden Tag neu entschieden, wen sie von uns reinnehmen können. Da machen wir gerade Sonderreinigungen, wozu sonst nie Zeit ist oder sie ziehen Reinigungen vor. Außerdem betreibt Ikea das Click&Collect-Geschäft, wo sie zeitweise kleinere Bereiche öffnen dürfen. Da kümmern wir uns mit drum, desinfizieren die Wagen, fahren die Waren raus, ohne Kontakt zu den Kunden. In Osnabrück, Köln, in Berlin, überall, wo wir sind, machen wir das gemeinsam mit Ikea. Denen kommt jetzt zugute, dass sie stark in Online-Handel sind und eher die Genehmigung zur Öffnung bekommen, weil sie draußen auf dem Acker liegen.

Profitieren Sie denn gar nicht von dem zusätzlichen Bedarf an professioneller Gebäudereinigung und Desinfizierung in Krankenhäusern oder Altenheimen beispielsweise.

Das sind ja langjährige Ausschreibungen, da ergeben sich für uns keine neuen Aufträge. Wir versuchen natürlich neue Anträge zu bekommen, was auch zum Teil klappt, wir reinigen jetzt beispielsweise viele Schulen in Bremen. Unsere Mitarbeiter sind wahnsinnig engagiert, die rufen mich sogar am Wochenende an und melden stolz, dass sie neue Aufträge haben. Auch vor dem Betriebsrat ziehe ich den Hut. In Bremen hat er zugestimmt, dass einige hunderte Pauschalisten in unbezahlten Urlaub gehen, so können wir ihre Arbeitsverträge aufrechterhalten.

Die Bundesregierung hat ja sehr schnell riesige Rettungspakete geschnürt. Wie zufrieden sind Sie mit der Staatshilfe?

Die sind nicht durchdacht. Um einen KfW-Kredit zu bekommen , soll jeder Mittelständler eine Umsatz- und Liquiditätsplanung für dieses und nächstes Jahr bei der Hausbank abgeben. Was soll er bitte schön da reinschreiben? Das ist eine Glaskugel, denn kein Unternehmer kann das im Moment voraussehen. Wenn Sie an die Staatshilfen wollen , werden sie quasi zum Betrug gezwungen. Außerdem sind die Modalitäten völlig weltfremd. Der typische Fall ist, ein Mittelständler bekommt zwei Millionen Euro. Die soll er dann in zwei Jahren zurückzahlen. Das schafft keiner. Denn einerseits soll er ja die für zwei Monate gestundeten Sozialabgaben in drei Monaten zurückzahlen, anderseits haben viele hohe Kosten, um die Produktion wieder anlaufen zu lassen, da drücken sie ja nicht einfach einen Knopf. Auch die fünf-Jahres-Variante ist keine gute Option. Da hat der Mittelständler zwar ein Jahr komplett zins- und tilgungsfrei, aber er soll dann alles in den nächsten vier Jahren zurückzahlen. Soviel können die meisten Mittelständler niemals verdienen, weil die Margen nicht so groß sind. Viele Mittelständler stehen bei der Bank auf und sagen, wir melden Insolvenz an. Das ist hier ist keine Hilfe, das ist Selbstmord.

Hilft es, wenn die KfW 100 Prozent haftet und die Hausbanken aus der Haftung raus sind?

Nein. Das Prozedere bleibt ja gleich. Das ist nur eine Verschiebung des Problems, einer Welle von Insolvenzen.

Sie selbst haben nichts beantragt?

Nein, wir haben keine Staatshilfe beantragt, aber Kurzarbeitergeld und wir schieben die Krankenversicherungen einen Monat. Dann gucken wir, dass wir so schnell wie möglich wieder hochkommen. Wir haben ein bisschen Polster, aber lange reicht das nicht. Bei einer Gewinnmarge von zwei bis drei Prozent nach Steuern können sie nicht viel zurücklegen, das ist ein Riesenproblem. Und bei Crafty haben wir Soforthilfe gleich am ersten Tag beantragt, das ist ja noch ein kleines Start-up – aber nie etwas gehört oder von den Hilfen gesehen!

Was würde Ihnen helfen?

Unserer Liquidität generell würde sehr helfen, wenn wir die Krankenversicherungsbeiträge nicht schon am zehnten eines Monats vorfinanzieren müssten, den Rest dann am 15. Die Krankenkassen hielten das locker aus. Die sitzen auf hohen Rücklagen. Die sollten ohnehin mal bei sich aufräumen, da sehe ich viel Einsparpotenzial in der Verwaltung. Helfen würde uns auch, wenn man die Rückzahlungen der Sozialbeiträge über deutlich mehrere Monate strecken könnte und generell die Vorauszahlungen der Sozialbeiträge neu diskutiert.

Sie hoffen jetzt auf weitere Lockerungen?

Uns würde sehr helfen, wenn auch die großen Ketten ihre Häuser unter Wahrung der Abstandsregeln und den weiteren staatlichen Auflagen wieder öffnen könnten. Gerade bei den großen Warenhäusern und Möbelgeschäften kann man schnell umsetzbare Konzepte entwickeln, die Sicherheitsabstände zu wahren – viel besser als in manch kleinem Geschäft.

Sie sind ja nicht nur Mittelständler, sondern seit einem Jahr mit Crafty ein Start-up-Unternehmer mitten im Aufbau. Wie meistern Sie die Krise dort?

Schwierig. Ich habe ja 31 Jahre Erfahrung als Unternehmer und schon viel erlebt. Aber meine Geschäftspartnerin hat sich zum ersten Mal selbstständig gemacht und erlebt nach einem Jahr Start-up gleich so eine Herausforderung! Privatleute vergeben im Moment wenig Aufträge an Handwerker, weil sie Angst haben und weil sie im Homeoffice sitzen. Die größeren Aufträge gibt es vereinzelt, aber wir haben lange nicht die Auslastung, die wir geplant hatten. Wir fahren jetzt erstmal auf ein normales Level zurück, warten die Krise ab und krempeln dann die Ärmel hoch. Dann braucht es noch mal eine ordentliche Finanzspritze, um Crafty neu zu beleben.

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