Die tagelangen Bemühungen von Schlepperbooten, Baggern und Bergungsspezialisten sind erfolgreich: Seit Montagnachmittag ist das im Suezkanal auf Grund gelaufene Containerschiff MV Ever Given endgültig freigelegt. Die Wasserstraße ist damit wieder frei, der Schiffsverkehr konnte laut den Behörden wieder aufgenommen werden.
Damit kann sich der Stau aus hunderten Frachtern allmählich auflösen, der sich in den vergangenen Tagen zu beiden Seiten des Kanals gebildet hat. Bis die Wasserstraße aber wieder endgültig frei ist, wird es noch einige Tage dauern. Denn durchschnittlich passieren 50 Schiffe pro Tag den Suezkanal.
Für viele Reedereien ist das höchste Zeit. Die Lieferketten standen durch den Corona-bedingten Nachfrageboom bereits vor der tagelangen Blockade einer der wichtigsten Wasserstraßen unter Druck. Container gelten unlängst als Mangelware und auf Containerschiffen und an Häfen machte sich zuletzt immer wieder ein Warenstau bemerkbar . Der tagelange Stillstand dürfte die Situation verschärft haben – und vor allem für eng getaktete Branchen wie die Autoindustrie besonders teuer werden.
Blockade im Suezkanal – ein Rückblick in Bildern
Suezkanal-Blockade

Eigentlich war die MV Ever Given am vergangenen Dienstag von China auf dem Weg nach Rotterdam und hatte bereits drei Viertel der 193 kilometerlangen Wasserstraße passiert, als sie sich im Suezkanal quer stellte und auf Grund lief. Laut der ägyptischen Suezkanal-Behörde sei es zu der Havarie gekommen, weil der Kapitän schlechte Sicht wegen eines Sandsturms hatte. Medienberichten zufolge hat es außerdem einen Stromanfall an Bord des Schiffes gegeben. Die MV Ever Given war an 13. Stelle eines Konvois von 28 Schiffen unterwegs. Seit ihrem Unfall war die Wasserstraße vollkommen blockiert, nach ihrer Freilegung kann der Schifffahrtsverkehr wieder aufgenommen werden.

Ein Satellitenbild vom vergangenen Dienstag zeigt wie die MV Ever Given zwischen den beiden Kanalufern feststeckt. Der Suezkanal verbindet das Mittelmeer mit dem Roten Meer und gilt als eine der wichtigsten Wasserstraßen weltweit – und als die kürzeste Route zwischen Asien und Europa. Allein im vergangenen Jahr passierten ihn fast 19.000 Containerschiffe und transportierten dabei etwa eine Milliarde Tonnen Fracht. Der Kanal macht mehr als ein Zehntel des maritimen Welthandels aus. Auch knapp ein Zehntel der deutschen Warenimporte und -exporte wird durch die Wasserstraße transportiert.

Nach Baggerarbeiten vom Festland in der vergangenen Woche, kam am Montag auch ein Baggerschiff zum Einsatz. Davor hatten bereits große Saugbagger rund 30.000 Kubikmeter Schlamm abgesaugt. Vor allem dank der Springflut bei Vollmond, die das Schiff um die entscheidenden Zentimeter anhob, konnte die Ever Given schließlich endgültig freigesetzt werden. Bei seinem Aufprall am vergangenen Dienstag hatte sich der Frachter mit dem Rumpf bis zu fünf Meter tief in die Kanalwand gebohrt, das hatte die Bergung zusätzlich erschwert.

Insgesamt zehn ägyptische Schlepperboote sowie zwei Schwerlastschlepper aus den Niederlanden und Zypern halfen dabei, den 224.000 Tonnen schweren Frachter zu bewegen. Mit 400 Metern Länge und einer Breite von 59 Metern zählt die Ever Given zu den größten Containerschiffen der Welt. Beim Schleppen stand immer die Sorge im Raum, dass Risse im Rumpf oder ähnliche Schäden entstehen könnten. Ein Ballastwasser-Tank war schon beschädigt worden.

Bei der Freilegung des Schiffs gab es für die Suezkanal-Behörde weitere Unterstützung aus den Niederlanden. Der Eigentümer der Ever Given, das japanische Unternehmen Shoei Kisen, hatte das auf Schiffsunglücke spezialisiertes Unternehmen SMIT Salvage mit den Bergungsarbeiten beauftragt. Das Team von SMIT war auch schon an der Bergung des havarierten Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia 2012 in Italien beteiligt. Neben Spezialisten aus den Niederlanden und Japan halfen zuletzt auch Experten der US-Marine beim Absaugen des Sands.

Erster Etappensieg am Montagmorgen: In der Nacht hatte das Bergungsteam mit Hilfe eines schweren Schleppers das Heck des Frachters vom Untergrund gelöst. Seit dem Morgengrauen versuchten zehn Schlepper aus vier Richtungen, das gewaltige Schiff zu bewegen. Am Montagvormittag sei es bereits 102 Meter vom Ufer entfernt gewesen, außerdem habe man den Frachter zu 80 Prozent in die richtige Richtung wenden können, hieß es von Seiten der Kanalbehörde. Der Bug steckte zu diesem Zeitpunkt aber noch fest.

Nach der Bergungsaktion waren Einsatzkräfte am Nachmittag dabei, das voll beladene Schiff auf die Bitterseen zu schleppen - einem langgestreckten Seebecken zwischen dem nördlichen und südlichen Ende des Suezkanals. Dort soll es nach Angaben der Kanalbehörden einer technischen Prüfung unterzogen werden. Wann der Frachter seine Reise nach Rotterdam fortsetzen kann, ist bislang noch nicht bekannt.

Die Erleichterung über die Bergung ist auf beiden Seiten des Kanals groß. Laut Angaben der Kanalbehörde sollen sich mittlerweile 370 Schiffe auf beiden Enden befinden, darunter 25 Öltanker. Noch lässt sich der Schaden, den der Frachter mit seiner Blockade verursacht hat, nicht genau beziffern. Klar ist allerdings schon jetzt, dass er in Milliardenhöhe liegen wird. Jeder Tag, an dem der Suezkanal blockiert bleibt, kostet den Welthandel nach einem Bericht des Versicherers Allianz zwischen 6 und 10 Mrd. Dollar. Nach Angaben der Kanalbehörde SCA verliert Ägypten pro Tag der Schließung zwischen zwölf und 14 Mio. Dollar.

In Hamburg wecken die Schlagzeilen um die Ever Given Erinnerungen. Am 10. Februar 2019 hatte das Containerschiff bereits einen Unfall auf der Elbe. Bei der Einfahrt in den Hamburger Hafen brachten heftige Windböen das Schiff vom Kurs ab und drückten es in Richtung Fähranleger. Dort kollidierte es mit einer 25 Meter langen Fähre. Die "Finkenwerder" war nach der Kollision ein Totalschaden, Passagiere waren zu dem Zeitpunkt keine an Bord. Damals entstand ein Sachschaden von 1 Mio. Euro. Die Blockade des Suezkanals dürfte deutlich mehr kosten: Allein die Versicherungssumme für den Schaden am Schiff und den Maschinen könnte Schätzungen zufolge mehr als 100 Mio. Dollar umfassen. Auch Schadensersatzforderungen der wartenden Reedereien könnten anfallen und Millionen Dollar kosten.