In mehr als 50 Fällen haben die Huthi-Rebellen seit Ende vergangenen Jahres Schiffe im Roten Meer und im Golf von Aden angegriffen auf ihrem Weg zum Suezkanal, einer der wichtigsten Wasserstraßen der Welt. Erst vorige Woche wurde vor der Küste des Jemen erneut ein Frachter mit Raketen beschossen. Viele Reedereien haben sich deswegen dazu entschieden, den Umweg um das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika in Kauf zu nehmen.
Dass dieser Weg rund zwei Wochen länger dauert, ist in den Lieferketten mittlerweile einkalkuliert, Störungen oder Engpässe gibt es kaum noch. Angespannt ist die Lage in der Logistikbranche trotzdem, vor allem auf dem Weg von Asien nach Europa und Nordamerika. Denn die Kapazitäten sind knapp, wichtige Handelshäfen überlastet und die Preise für Container auf dem Weg nach oben.
„Es gibt gerade keine freien Schiffe“
In der Coronazeit explodierten die Frachtraten, ein Standard-Container von 40 Fuß konnte dann gerne mal 20.000 US-Dollar kosten. Danach sanken die Preise aber rapide, noch im Herbst vergangenen Jahres lagen sie teilweise gerade einmal knapp über 1000 Dollar. Für die Reedereien sei das kaum kostendeckend, sagt Willy Rieth, Geschäftsführer des auf See-Luft-Dienste spezialisierten Logistikunternehmens Pamcargo. Jetzt würden die Preise wieder anziehen und seien daher langfristig schwierig zu kalkulieren.
Einen ersten Preisanstieg gab es laut dem Drewry Container Index im Dezember auf rund 4000 US-Dollar, nach einer Delle geht es seit Mai in Richtung 5000 Dollar. Branchenexperten berichten aber bereits von Preisen von 8000 bis 10.000 Dollar pro Container. Die Strecke Schanghai-Rotterdam kostet aktuell rund 360 Prozent mehr als vor einem Jahr. Verglichen mit den Durchschnittsraten vor der Pandemie muss für ein 40-Fuß-Container jetzt im Schnitt über 230 Prozent mehr bezahlt werden. Der Kiel Trade Indicator des Instituts für Weltwirtschaft zeigt zudem, dass die durchschnittlichen Frachtraten auf dem Weg von China nach Nordeuropa gerade deutlich über dem globalen Durchschnitt liegen.
„Die Preise für Container hängen nicht nur mit Angebot und Nachfrage zusammen, sondern mit den Kapazitäten, die von den Reedereien zur Verfügung gestellt werden“, sagt Rieth zu Capital. „Sie nutzen dann, dass sie die Preise bei Verknappung kontinuierlich anheben können.“ Diese Entwicklung sei nun seit drei bis vier Monaten zu beobachten. Maersk und MSC reagieren nicht auf Nachfragen zu dieser Behauptung.
Die deutsche Reederei Hapag-Lloyd, die fünftgrößte weltweit, streitet sie als „Mythos“ ab. „Daran hätte man gar kein Interesse, weil der Bedarf so groß ist“, sagt Nils Haupt von Hapag-Llyod zu Capital. „Es gibt gerade keine freien Schiffe. Es ist viel teurer ein Schiff leer zu halten als es zu bewegen.“ Vielmehr sei durch die Sicherheitslage im Roten Meer und den Umweg, den auch Schiffe von Hapag-Llyod deswegen nun fahren, „massive Kapazität verloren“ gegangen.
Ausweichroute verknappt die Kapazitäten
Die Ausweichroute um das Kap der Guten Hoffnung verlängert die Fahrt nach Europa um rund zwei Wochen und vergrößert die Anzahl der benötigten Schiffe. Denn bis sie wieder in Asien zurück sind, dauert es entsprechend vier Wochen länger als noch im vergangenen Herbst. „In großen Häfen herrscht akuter Mangel an 20-Fuß- und 40-Fuß-Containern, wobei in Ningbo besondere Defizite festgestellt wurden“, sagt Julien Cote vom Logistikdatendienstleister Wakeo. Der Mangel in der Hafenstadt im Osten Chinas sei auch auf Verzögerungen bei der Rückgabe leerer Container aus westlichen Häfen zurückzuführen.
Dazu verzögern Staus an den Terminals die Abfertigung von Containerschiffen in den wichtigen Häfen. Teilweise hätten sie bis zu einer Woche Wartezeit, bevor sie entladen werden, berichtet Haupt von Hapag-Lloyd. „Alle Schiffe, die es gibt, sind gerade unterwegs und wenn viele von denen gleichzeitig ankommen, sind die Terminals überlastet.“ Logistiker Rieth kennt das Problem. Am größten Hafen in Dubai sei die Wartezeit eindeutig auf die Attacken im Roten Meer zurückzuführen, durch die andere Häfen in der Region nicht angefahren werden könnten.
Wakeo zufolge ist die Zahl der Schiffe auf der direkten Route von Asien nach Europa seit Mitte Dezember 2023 um 82 Prozent wöchentlich eingebrochen. Auch der Jahresvergleich zeigt einen deutlichen Unterschied: Während in der ersten Juniwoche 2023 noch 77 Schiffe über die Wasserstraße Bab-el-Mandeb und den Suezkanal gefahren sind, waren es in diesem Jahr nur sieben.
Wer seine Ware schnell nach Europa bringen muss, steigt seit Ende des Jahres verstärkt auf Luftfracht um oder setzt auf die Kombination aus See- und Luftfracht. Güter werden dabei einen Teil der Strecke mit dem Schiff und dann per Flugzeug weitertransportiert, zum Beispiel erst mit dem Schiff von Asien in die Vereinigten Arabischen Emirate und von dort mit dem Flugzeug nach Europa. Laut DHL lag die weltweite Nachfrage nach Luftfracht im Mai neun Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Das sei auch auf die Nachfrage der E-Commerce-Branche zurückzuführen, die mit ihrem Bedarf mittlerweile großen Einfluss auf die verfügbaren Kapazitäten und Preise in der Luftfracht habe.