Als am 24. Februar 2022 russische Truppen die Ukraine überfielen, bezog die Welt schnell Position: Bei einer Resolution der UN-Generalversammlung verurteilten 141 Staaten den Angriffskrieg mitten in Europa. Die USA und Kanada sicherten dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ihre Unterstützung zu. Bundeskanzler Olaf Scholz sprach von einer Zeitenwende. Auch die EU versicherte der Ukraine vereint Unterstützung. Die politische Position des Westens ist also klar. Die des Osten aber auch: So stellten sich Belarus, Eritrea, Nordkorea und Syrien an die Seite Russlands. Ost und West 2.0? Nicht ganz.
Globalisierung verändert die Haltung vieler Länder
35 Staaten, darunter auch die globale Wirtschaftsmacht China, enthielten sich damals bei der UN-Resolution. Auch bei der Abstimmung in der UN-Vollversammlung in der Nacht hat China sich erneut enthalten. Die Politikwissenschaftlerin Daniela Schwarzer wagt eine aktuelle Einschätzung: „China ist im Moment nicht klar in dem Lager der Staaten, die die russische Kriegsführung unterstützen“, erklärt sie im Podcast „Wirtschaft Welt & Weit“. Gerade erst habe sich das Land als Impulsgeber für eine mögliche Friedensinitiative positioniert. Nun müsse man jedoch auf die Umsetzung schauen, so Schwarzer weiter, und auch darauf, „wie China sich das selbst zunutze machen wird“.
Denn China hat seit Kriegsbeginn seine wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland weiter ausgebaut. So kauft das Land etwa verstärkt russisches Gas und Öl und profitiert dabei von günstigen Preisen. Ein Vorteil, der die Position Chinas als weltweite Wirtschaftsmacht stärken dürfte - auch gegenüber Deutschland. Dabei wird eines klar: Der alte Konflikt, West gegen Ost, hat durch die Globalisierung längst eine neue Komponente erhalten. Denn nie zuvor war unsere Wirtschaft so vernetzt wie heute.
Deutschland etwa knüpft neue Energiepartnerschaften rund um den Globus und versucht dabei so stark wie nie, einseitige Abhängigkeiten zu vermeiden. Dabei verändert sich unser Blick auf Afrika – vom Empfänger humanitärer Hilfe hin zum rohstoffreichen Wirtschaftspartner. Der afrikanische Kontinent könnte zum geopolitischen Joker für Europa werden. Doch der Osten ist längst da: Vor allem China hat in den letzten zehn Jahren massiv in Afrika investiert. Für Daniela Schwarzer haben Europa und die USA auf dem afrikanischen Kontinent an Boden verloren: „Wir merken, dass politisch das Interesse auf dem afrikanischen Kontinent gar nicht so groß ist, wie wir es vielleicht erwartet haben, weil andere schon länger und viel intensiver investiert sind.“
Auch Stefan Bayer, Forschungsleiter Geopolitik und Strategien beim German Institute for Defence and Strategic Studies, hat Afrika im Blick. Aufgrund des Klimawandels leiden weltweit mehr Menschen, als wir es zugeben wollen: „Da sind wir die Rechnung noch schuldig“, erklärt der Ökonom. „Solange wir als Täter wahrgenommen werden und nicht als diejenigen, die Freiheit und Wohlstand bringen, haben wir ein Problem in unserer narrativen Überzeugung, dass unser Modell ein besseres ist.“
Für Bayer könnte der Ukraine-Krieg zu einer Art Stellvertreterkrieg werden zwischen freien, westlich orientierten Nationen und einer „sublimen Mischung unterschiedlicher Länder, die mit all dem sympathisieren, was gegen Globalisierung spricht“. Bayer befürchtet, „dass wir dann über weltpolitische Spannungen nachdenken werden, die in Zukunft noch massiver ausgehen werden, als es bislang der Fall war.“ Für ihn sind das Konfliktlinien, die selbst dann bestehen bleiben, wenn der Krieg in der Ukraine endlich beendet würde.