Anzeige
Anzeige

Exklusiv Digitaler Steuerbescheid floppt

auf digitale Prozesse umgestellt sein. Bislang wird nur rund jeder zehnte Steuerfall automatisiert bearbeitet
auf digitale Prozesse umgestellt sein. Bislang wird nur rund jeder zehnte Steuerfall automatisiert bearbeitet
© dpa
Seit 2020 können Bürger auf Briefe vom Finanzamt verzichten. Doch kaum jemand nimmt das neue Angebot wahr. Nur drei Prozent der Steuerbescheide werden rein elektronisch zugestellt

Nur ein Bruchteil der Bürger nutzt bisher die neue Möglichkeit, sich den Steuerbescheid nur noch in digitaler Form zustellen zu lassen. Das geht aus einer Befragung der FDP-Bundestagsfraktion zur Digitalisierung in der Steuerverwaltung hervor. Demnach verschickten die Finanzämter im Schnitt nur rund drei Prozent der Bescheide rein elektronisch. Am höchsten ist die Quote mit 4,5 Prozent in Hamburg, gefolgt von Bayern mit 4,3 Prozent. In Schleswig-Holstein nutzten dagegen bisher nur rund 1,6 Prozent der Steuerpflichtigen die Möglichkeit eines digitalen Steuerbescheids. Die Ergebnisse der Umfrage unter zehn Bundesländern liegen Capital vor.

Seit dem Frühjahr 2020 bieten die Finanzämter einen papierlosen Steuerbescheid an. Steuerpflichtige können diese Variante bei der Übermittlung der Steuererklärung über das Programm Elster oder eine andere Steuersoftware wählen. Später wird der Bescheid als digitaler Verwaltungsakt in dem verwendeten Steuerprogramm bereitgestellt.

Die neue Capital erscheint am 17. Juni
Die neue Capital erscheint am 17. Juni
© Capital

Die geringe Resonanz auf das neue Angebot dürfte auch daher rühren, dass viele Bürger es noch gar nicht kennen. Bislang werben die Bundesländer kaum für den digitalen Steuerbescheid – obwohl sie damit Ressourcen und Portokosten sparen können. Zudem gibt es für Steuerpflichtige keine Anreize zum Umsteigen auf die digitale Variante, wie es etwa bei der Einführung des Portals Elster ab 2001 der Fall war. Damals hieß es, dass eine elektronische Steuererklärung zügiger bearbeitet wird.

Die Steuerverwaltung habe ihre digitale Vorreiterrolle, die sie dank Elster einmal gehabt habe, längst verspielt, sagte die FDP-Finanzexpertin Katja Hessel, die die Befragung geleitet hat. Durch die föderale Struktur mit 17 Entscheidungsträgern aus Bund und Ländern sei die deutsche Steuerverwaltung im internationalen Vergleich „nicht konkurrenzfähig“, sagte Hessel. Es gebe zwar innovative Länder wie Baden-Württemberg und Hessen. „Aber Deutschland ist geprägt durch eine heterogene und zerklüftete IT- und e-Government-Landschaft mit vielen Insellösungen und einsamen Leuchttürmen.“ Die Vorsitzende des Bundestags-Finanzausschusses fordert daher, dass der Bund die führende Rolle für die Digitalisierungsprozesse der Steuerverwaltung übernimmt.

Hessel verwies darauf, dass derzeit trotz des hohen Maßes an Standardisierung bei der Bearbeitung von Steuererklärungen nur rund jeder zehnte Steuerfall automatisiert abgewickelt werde. Das Ziel müsse es sein, dass die Steuerverwaltung bis 2030 nicht nur komplett papierlos arbeite, sondern auch digital und mehrsprachig mit den Bürgern kommuniziere, sagte sie. „Der Bürger muss von der Steuerverwaltung erwarten können, dass reine Erstattungsfälle computergestützt erkannt und vorrangig bearbeiten werden, damit Rückzahlungen schnell und unkompliziert erstattet werden.“ In Zukunft sollten die Finanzämter zudem auch eine App anbieten, über die Bürger ihre Steuererklärung abgeben sowie Belege einscannen, speichern und bereitstellen können.

"Paradigmenwechsel" bei IT-Spezialisten

Aus der ersten umfassenden Befragung zur Digitalisierung in der Steuerverwaltung geht zudem hervor, dass die Steuerbehörden Probleme haben, die nötigen IT-Experten zu rekrutieren. Mehrere Bundesländer gaben an, durch den wachsenden Fachkräftemangel werde es immer schwieriger, auf dem Arbeitsmarkt für IT-Spezialisten Fachpersonal anzuwerben. Im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft könnten qualifizierte Hochschulabsolventen oftmals „nicht oder nur sehr schwer gewonnen werden“, bestätigte etwa das rheinland-pfälzische Finanzministerium.

In der Vergangenheit stammte ein Großteil der IT-Experten aus der Finanzverwaltung selbst, durch die Weiterbildung von Finanzbeamten. Laut dem hessischen Finanzministerium hat es in jüngerer Zeit jedoch einen „Paradigmenwechsel“ gegeben. Aufgrund der rasant wachsenden Komplexität der Steuer-IT sei es notwendig geworden, externe Fachkräfte in der Steuerverwaltung einzustellen. Diese benötige man etwa im IT-Support, aber auch bei der gerichtsfesten Beweissicherung in Steuerstrafverfahren.

Um IT-Spezialisten anzulocken, setzen viele Bundesländer nach eigenen Angaben auf besondere Wege bei der Bezahlung. So gibt es etwa in Bayern Fachkräfte-Zulagen oder höhere Eingruppierungen für erfahrene Experten, die vorher in der Privatwirtschaft gearbeitet haben und das dortige Gehaltsniveau gewohnt sind. Auch andere Bundesländer locken mit Zulagen, dem Einstieg in höheren Besoldungsstufen sowie großzügigen Regelungen bei der Verbeamtung. Als zentralen Faktor zur Sicherung des künftigen Bedarfs an IT-Spezialisten nennen alle Bundesländer die eigene Ausbildung von Nachwuchskräften. Viele kooperieren dabei mit Hochschulen.

Nach den Zahlen der Finanzministerien variierte die Zahl der neuen IT-Spezialisten in den vergangenen Jahren zwischen den Ländern stark. Seit 2017 stellte Bayern 126 Fachkräfte ein, Baden-Württemberg 71 und Schleswig-Holstein 55. In Rheinland-Pfalz waren es 37, in Niedersachsen 34 und in Hessen 15. Die Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin kamen auf 28, 14 und neun Neueinstellungen. Aus Nordrhein-Westfalen sowie den ostdeutschen Bundesländern liegen keine Daten für die Umfrage vor.

Die Befragung ergab weiterhin, dass die Länder in den vergangenen Jahren die Home-Office-Möglichkeiten für Finanzbeamte ausgebaut haben – nicht zuletzt wegen der Corona-Krise. Allerdings zeigen sich auch in dieser Frage große Unterschiede zwischen den Ländern: So bietet Hessen sämtlichen Mitarbeitern der Steuerverwaltung, von zuhause aus zu arbeiten. Dort sind alle Beschäftigten mit Tablets ausgestattet. In Hamburg beträgt die Home-Office-Quote 90 Prozent, in Rheinland-Pfalz 83 Prozent und in Baden-Württemberg 66 Prozent. Dagegen bietet Niedersachsen nur 20 Prozent seiner Finanzbeamten die Möglichkeit, im Home Office zu arbeiten. In Bayern sind es sogar nur zehn Prozent.

Der Beitrag über die Digitalisierung in der Steuerverwaltung erscheint in Capital 7/2021. Interesse an Capital? Hier geht es zum Abo-Shop, wo Sie die Print-Ausgabe bestellen können. Unsere Digital-Ausgabe gibt es beiiTunesund GooglePlay

Mehr zum Thema

Neueste Artikel